der sie versteht: hier wollt Ihr ergrübeln und widerlegen, und könnt mit allem Trach¬ ten nicht weiter vorwärts dringen, als es dem Blödsinne auch gelingen würde, da im Gegentheil die höhere Vernunft sich in der Untersuchung wie in Netzen würde gefan¬ gen fühlen, und lieber die edle Poesie glauben, als sie den Unmündigen erklären wollen.
O, Martin Luther! seufzte Franz, Ihr habt da ein kühnes Wort über ihn gesprochen.
Ludoviko sagte: Es geht eigentlich nicht ihn an, auch will ich die Mißbräuche des Zeitalters nicht in Schutz nehmen, gegen die er vornehmlich eifert, aber mich dünkt doch, daß diese ihn zu weit führen, daß er nun zu ängstlich strebt, das Gemeine zu sondern, und darüber das Edelste mit ergreift. Wie es den Menschen geht, seine Nachfolger mö¬ gen leicht ihn selber nicht verstehn, und so
der ſie verſteht: hier wollt Ihr ergrübeln und widerlegen, und könnt mit allem Trach¬ ten nicht weiter vorwärts dringen, als es dem Blödſinne auch gelingen würde, da im Gegentheil die höhere Vernunft ſich in der Unterſuchung wie in Netzen würde gefan¬ gen fühlen, und lieber die edle Poeſie glauben, als ſie den Unmündigen erklären wollen.
O, Martin Luther! ſeufzte Franz, Ihr habt da ein kühnes Wort über ihn geſprochen.
Ludoviko ſagte: Es geht eigentlich nicht ihn an, auch will ich die Mißbräuche des Zeitalters nicht in Schutz nehmen, gegen die er vornehmlich eifert, aber mich dünkt doch, daß dieſe ihn zu weit führen, daß er nun zu ängſtlich ſtrebt, das Gemeine zu ſondern, und darüber das Edelſte mit ergreift. Wie es den Menſchen geht, ſeine Nachfolger mö¬ gen leicht ihn ſelber nicht verſtehn, und ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0257"n="249"/>
der ſie verſteht: hier wollt Ihr ergrübeln<lb/>
und widerlegen, und könnt mit allem Trach¬<lb/>
ten nicht weiter vorwärts dringen, als es<lb/>
dem Blödſinne auch gelingen würde, da im<lb/>
Gegentheil die höhere Vernunft ſich in der<lb/>
Unterſuchung wie in Netzen würde gefan¬<lb/>
gen fühlen, und lieber die edle Poeſie<lb/>
glauben, als ſie den Unmündigen erklären<lb/>
wollen.</p><lb/><p>O, Martin Luther! ſeufzte Franz, Ihr<lb/>
habt da ein kühnes Wort über ihn geſprochen.</p><lb/><p>Ludoviko ſagte: Es geht eigentlich nicht<lb/>
ihn an, auch will ich die Mißbräuche des<lb/>
Zeitalters nicht in Schutz nehmen, gegen die<lb/>
er vornehmlich eifert, aber mich dünkt doch,<lb/>
daß dieſe ihn zu weit führen, daß er nun<lb/>
zu ängſtlich ſtrebt, das Gemeine zu ſondern,<lb/>
und darüber das Edelſte mit ergreift. Wie<lb/>
es den Menſchen geht, ſeine Nachfolger mö¬<lb/>
gen leicht ihn ſelber nicht verſtehn, und ſo<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[249/0257]
der ſie verſteht: hier wollt Ihr ergrübeln
und widerlegen, und könnt mit allem Trach¬
ten nicht weiter vorwärts dringen, als es
dem Blödſinne auch gelingen würde, da im
Gegentheil die höhere Vernunft ſich in der
Unterſuchung wie in Netzen würde gefan¬
gen fühlen, und lieber die edle Poeſie
glauben, als ſie den Unmündigen erklären
wollen.
O, Martin Luther! ſeufzte Franz, Ihr
habt da ein kühnes Wort über ihn geſprochen.
Ludoviko ſagte: Es geht eigentlich nicht
ihn an, auch will ich die Mißbräuche des
Zeitalters nicht in Schutz nehmen, gegen die
er vornehmlich eifert, aber mich dünkt doch,
daß dieſe ihn zu weit führen, daß er nun
zu ängſtlich ſtrebt, das Gemeine zu ſondern,
und darüber das Edelſte mit ergreift. Wie
es den Menſchen geht, ſeine Nachfolger mö¬
gen leicht ihn ſelber nicht verſtehn, und ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/257>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.