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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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samen Abenden mit aller Sehnsucht des
Herzens erwünschtest, wonach Du in Wäl¬
dern jagtest, was die Bergströme Dir entge¬
gensangen, dies unnennbare Glück ist Dir
geworden, ist wirklich Dein, die Seele, die
Du weit umher gesucht, ist Dir entgegen
gekommen.

Wie kam es, daß die Dörfer mit ihren
kleinen Häusern so seltsamlich vor mir la¬
gen? daß mir jede Heimath zu enge und
beschränkt dünkte? Das Abendroth schien in
die Welt hinein, da ritt ich vor einem nie¬
drigen Bauernhause vorbei, auf dem Hofe
stand ein Brunnen, davor war ein Mägd¬
lein, das sich bückte, den schweren gefüllten
Eimer heraufzuziehen. Sie sah zu mir her¬
auf, indem ich stillhielt, der Abendschein lag
auf ihren Wangen, ein knappes Mieder
schloß sich traulich um den schönen vollen
Busen, dessen genaue Umrisse sich nicht ver¬

ſamen Abenden mit aller Sehnſucht des
Herzens erwünſchteſt, wonach Du in Wäl¬
dern jagteſt, was die Bergſtröme Dir entge¬
genſangen, dies unnennbare Glück iſt Dir
geworden, iſt wirklich Dein, die Seele, die
Du weit umher geſucht, iſt Dir entgegen
gekommen.

Wie kam es, daß die Dörfer mit ihren
kleinen Häuſern ſo ſeltſamlich vor mir la¬
gen? daß mir jede Heimath zu enge und
beſchränkt dünkte? Das Abendroth ſchien in
die Welt hinein, da ritt ich vor einem nie¬
drigen Bauernhauſe vorbei, auf dem Hofe
ſtand ein Brunnen, davor war ein Mägd¬
lein, das ſich bückte, den ſchweren gefüllten
Eimer heraufzuziehen. Sie ſah zu mir her¬
auf, indem ich ſtillhielt, der Abendſchein lag
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[210/0218] ſamen Abenden mit aller Sehnſucht des Herzens erwünſchteſt, wonach Du in Wäl¬ dern jagteſt, was die Bergſtröme Dir entge¬ genſangen, dies unnennbare Glück iſt Dir geworden, iſt wirklich Dein, die Seele, die Du weit umher geſucht, iſt Dir entgegen gekommen. Wie kam es, daß die Dörfer mit ihren kleinen Häuſern ſo ſeltſamlich vor mir la¬ gen? daß mir jede Heimath zu enge und beſchränkt dünkte? Das Abendroth ſchien in die Welt hinein, da ritt ich vor einem nie¬ drigen Bauernhauſe vorbei, auf dem Hofe ſtand ein Brunnen, davor war ein Mägd¬ lein, das ſich bückte, den ſchweren gefüllten Eimer heraufzuziehen. Sie ſah zu mir her¬ auf, indem ich ſtillhielt, der Abendſchein lag auf ihren Wangen, ein knappes Mieder ſchloß ſich traulich um den ſchönen vollen Buſen, deſſen genaue Umriſſe ſich nicht ver¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/218>, abgerufen am 25.04.2024.