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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Der Künstler darf seine Bekanntschaft mit
ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬
nen, daß ihm die Kunst nicht das Liebste
und Beste ist, er gesteht, daß er sich nicht
ganz aussprechen darf, und doch ist sein
verschlossenes Innerstes gerade das, was
wir von ihm begehren.

In einigen Tagen war ihre Abreise be¬
schlossen; die Gräfin hatte den versproche¬
nen Brief an die italienische Familie geschrie¬
ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬
tigkeit in seine Brieftasche legte; er zeigte
ihn auch seinem Freunde nicht, sondern war
sogar ungewiß, ob er ihn abgeben solle.

Es war einer der heißesten Tage gewe¬
sen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬
hölz besuchte, um sich seinen Gedanken zu
überlassen. Im Walde erreichte der durch¬
fließende Bach an der schönsten Stelle eine
eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort

Der Künſtler darf ſeine Bekanntſchaft mit
ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬
nen, daß ihm die Kunſt nicht das Liebſte
und Beſte iſt, er geſteht, daß er ſich nicht
ganz ausſprechen darf, und doch iſt ſein
verſchloſſenes Innerſtes gerade das, was
wir von ihm begehren.

In einigen Tagen war ihre Abreiſe be¬
ſchloſſen; die Gräfin hatte den verſproche¬
nen Brief an die italieniſche Familie geſchrie¬
ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬
tigkeit in ſeine Brieftaſche legte; er zeigte
ihn auch ſeinem Freunde nicht, ſondern war
ſogar ungewiß, ob er ihn abgeben ſolle.

Es war einer der heißeſten Tage gewe¬
ſen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬
hölz beſuchte, um ſich ſeinen Gedanken zu
überlaſſen. Im Walde erreichte der durch¬
fließende Bach an der ſchönſten Stelle eine
eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort

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[166/0174] Der Künſtler darf ſeine Bekanntſchaft mit ihr nicht verrathen, oder er giebt zu erken¬ nen, daß ihm die Kunſt nicht das Liebſte und Beſte iſt, er geſteht, daß er ſich nicht ganz ausſprechen darf, und doch iſt ſein verſchloſſenes Innerſtes gerade das, was wir von ihm begehren. In einigen Tagen war ihre Abreiſe be¬ ſchloſſen; die Gräfin hatte den verſproche¬ nen Brief an die italieniſche Familie geſchrie¬ ben, den Sternbald mit großer Gleichgül¬ tigkeit in ſeine Brieftaſche legte; er zeigte ihn auch ſeinem Freunde nicht, ſondern war ſogar ungewiß, ob er ihn abgeben ſolle. Es war einer der heißeſten Tage gewe¬ ſen, als Sternbald gegen Abend das Ge¬ hölz beſuchte, um ſich ſeinen Gedanken zu überlaſſen. Im Walde erreichte der durch¬ fließende Bach an der ſchönſten Stelle eine eine ziemliche Breite und Tiefe, der Ort

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/174>, abgerufen am 26.04.2024.