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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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war, als wenn ich mich verlor, und das
Fremdeste, mir bis dahin Verhaßteste mein
Selbst wurde. So rang ich im Kampfe,
und konnte nicht sterben, sondern verlor nur
meine Vernunft. Ich wurde wahnsinnig.
Ich weiß nicht wo ich mich herumtrieb,
was ich damals erlebt habe. In einer klei¬
nen Kapelle einige Meilen von hier fand ich
zuerst mich und meine Besinnung wieder.
Wie man aus einem Traume erwacht, und
einen längst vergessenen Freund vor sich ste¬
hen sieht, so seltsam überrascht, so durch
mich erschreckt, war ich selber.

Seitdem wohne ich hier. Mein Gemüth
ist dem Himmel gewidmet. Ich habe alles
vergessen. Ich brauche wenig, und dies
Wenige besitze ich durch die Gutheit einiger
Menschen.

Seitdem, fuhr er nach einigem Still¬
schweigen fort, ist die Natur mein vorzüg¬

war, als wenn ich mich verlor, und das
Fremdeſte, mir bis dahin Verhaßteſte mein
Selbſt wurde. So rang ich im Kampfe,
und konnte nicht ſterben, ſondern verlor nur
meine Vernunft. Ich wurde wahnſinnig.
Ich weiß nicht wo ich mich herumtrieb,
was ich damals erlebt habe. In einer klei¬
nen Kapelle einige Meilen von hier fand ich
zuerſt mich und meine Beſinnung wieder.
Wie man aus einem Traume erwacht, und
einen längſt vergeſſenen Freund vor ſich ſte¬
hen ſieht, ſo ſeltſam überraſcht, ſo durch
mich erſchreckt, war ich ſelber.

Seitdem wohne ich hier. Mein Gemüth
iſt dem Himmel gewidmet. Ich habe alles
vergeſſen. Ich brauche wenig, und dies
Wenige beſitze ich durch die Gutheit einiger
Menſchen.

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[137/0145] war, als wenn ich mich verlor, und das Fremdeſte, mir bis dahin Verhaßteſte mein Selbſt wurde. So rang ich im Kampfe, und konnte nicht ſterben, ſondern verlor nur meine Vernunft. Ich wurde wahnſinnig. Ich weiß nicht wo ich mich herumtrieb, was ich damals erlebt habe. In einer klei¬ nen Kapelle einige Meilen von hier fand ich zuerſt mich und meine Beſinnung wieder. Wie man aus einem Traume erwacht, und einen längſt vergeſſenen Freund vor ſich ſte¬ hen ſieht, ſo ſeltſam überraſcht, ſo durch mich erſchreckt, war ich ſelber. Seitdem wohne ich hier. Mein Gemüth iſt dem Himmel gewidmet. Ich habe alles vergeſſen. Ich brauche wenig, und dies Wenige beſitze ich durch die Gutheit einiger Menſchen. Seitdem, fuhr er nach einigem Still¬ ſchweigen fort, iſt die Natur mein vorzüg¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/145>, abgerufen am 28.03.2024.