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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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pfeifend und liebkosend den Flüchtigen, der
nicht wiederkam. Er konnte sich auf keine
Weise zufrieden geben, er hörte auf Stern¬
balds Worte nicht, der ihn zu trösten suchte.

Sternbald sagte, um ihn zu zerstreuen:
Ich glaube es einzusehn, wie Ihr über die
Landschaften denkt, und mich dünkt, Ihr
habt Recht. Denn was soll ich mit allen
Zweigen und Blättern? mit dieser genauen
Kopie der Gräser und Blumen? Nicht diese
Pflanzen, nicht die Berge will ich abschrei¬
ben, sondern mein Gemüth, meine Stim¬
mung, die mich gerade in diesem Momente
regiert, diese will ich mir selber festhalten,
und den übrigen Verständigen mittheilen.

Ganz gut, rief der Alte aus, aber was
kümmert mich das jetzt, da mein Hänfling
auf und davon ist?

War er Euch denn so lieb? fragte Franz

Der Alte sagte verdrießlich: so lieb wie

pfeifend und liebkoſend den Flüchtigen, der
nicht wiederkam. Er konnte ſich auf keine
Weiſe zufrieden geben, er hörte auf Stern¬
balds Worte nicht, der ihn zu tröſten ſuchte.

Sternbald ſagte, um ihn zu zerſtreuen:
Ich glaube es einzuſehn, wie Ihr über die
Landſchaften denkt, und mich dünkt, Ihr
habt Recht. Denn was ſoll ich mit allen
Zweigen und Blättern? mit dieſer genauen
Kopie der Gräſer und Blumen? Nicht dieſe
Pflanzen, nicht die Berge will ich abſchrei¬
ben, ſondern mein Gemüth, meine Stim¬
mung, die mich gerade in dieſem Momente
regiert, dieſe will ich mir ſelber feſthalten,
und den übrigen Verſtändigen mittheilen.

Ganz gut, rief der Alte aus, aber was
kümmert mich das jetzt, da mein Hänfling
auf und davon iſt?

War er Euch denn ſo lieb? fragte Franz

Der Alte ſagte verdrießlich: ſo lieb wie

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[125/0133] pfeifend und liebkoſend den Flüchtigen, der nicht wiederkam. Er konnte ſich auf keine Weiſe zufrieden geben, er hörte auf Stern¬ balds Worte nicht, der ihn zu tröſten ſuchte. Sternbald ſagte, um ihn zu zerſtreuen: Ich glaube es einzuſehn, wie Ihr über die Landſchaften denkt, und mich dünkt, Ihr habt Recht. Denn was ſoll ich mit allen Zweigen und Blättern? mit dieſer genauen Kopie der Gräſer und Blumen? Nicht dieſe Pflanzen, nicht die Berge will ich abſchrei¬ ben, ſondern mein Gemüth, meine Stim¬ mung, die mich gerade in dieſem Momente regiert, dieſe will ich mir ſelber feſthalten, und den übrigen Verſtändigen mittheilen. Ganz gut, rief der Alte aus, aber was kümmert mich das jetzt, da mein Hänfling auf und davon iſt? War er Euch denn ſo lieb? fragte Franz Der Alte ſagte verdrießlich: ſo lieb wie

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/133>, abgerufen am 28.03.2024.