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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Gelüste, und er macht sein Leben elend.
Von Kindheit auf war es mein Bestreben,
nur für die Kunst zu leben, aber sie hat sich
unwillig von mir abgewendet, sie hat mich
niemals für ihren Sohn erkannt, und wenn
ich dennoch arbeitete, so geschah es gleich¬
sam hinter ihrem Rücken.

Er öffnete eine Thür, und führte den
Mahler in eine andre kleine Stube, die vol¬
ler Gemählde hing. Die meisten waren
Köpfe, nur wenige Landschaften, noch we¬
niger Historien. Franz betrachtete sie mit
vieler Aufmerksamkeit, indeß der alte Mann
schweigend einen verfallenen Vogelbauer aus¬
besserte. In allen Bildern spiegelte sich ein
strenges, ernstes Gemüth, die Züge waren
bestimmt, die Zeichnung scharf, auf Neben¬
dinge gar kein Fleiß gewendet, aber auf
den Gesichtern schwebte ein Etwas, das den
Blick zugleich anzog und zurückstieß, bei vie¬

Gelüſte, und er macht ſein Leben elend.
Von Kindheit auf war es mein Beſtreben,
nur für die Kunſt zu leben, aber ſie hat ſich
unwillig von mir abgewendet, ſie hat mich
niemals für ihren Sohn erkannt, und wenn
ich dennoch arbeitete, ſo geſchah es gleich¬
ſam hinter ihrem Rücken.

Er öffnete eine Thür, und führte den
Mahler in eine andre kleine Stube, die vol¬
ler Gemählde hing. Die meiſten waren
Köpfe, nur wenige Landſchaften, noch we¬
niger Hiſtorien. Franz betrachtete ſie mit
vieler Aufmerkſamkeit, indeß der alte Mann
ſchweigend einen verfallenen Vogelbauer aus¬
beſſerte. In allen Bildern ſpiegelte ſich ein
ſtrenges, ernſtes Gemüth, die Züge waren
beſtimmt, die Zeichnung ſcharf, auf Neben¬
dinge gar kein Fleiß gewendet, aber auf
den Geſichtern ſchwebte ein Etwas, das den
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[118/0126] Gelüſte, und er macht ſein Leben elend. Von Kindheit auf war es mein Beſtreben, nur für die Kunſt zu leben, aber ſie hat ſich unwillig von mir abgewendet, ſie hat mich niemals für ihren Sohn erkannt, und wenn ich dennoch arbeitete, ſo geſchah es gleich¬ ſam hinter ihrem Rücken. Er öffnete eine Thür, und führte den Mahler in eine andre kleine Stube, die vol¬ ler Gemählde hing. Die meiſten waren Köpfe, nur wenige Landſchaften, noch we¬ niger Hiſtorien. Franz betrachtete ſie mit vieler Aufmerkſamkeit, indeß der alte Mann ſchweigend einen verfallenen Vogelbauer aus¬ beſſerte. In allen Bildern ſpiegelte ſich ein ſtrenges, ernſtes Gemüth, die Züge waren beſtimmt, die Zeichnung ſcharf, auf Neben¬ dinge gar kein Fleiß gewendet, aber auf den Geſichtern ſchwebte ein Etwas, das den Blick zugleich anzog und zurückſtieß, bei vie¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/126>, abgerufen am 26.04.2024.