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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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thume blenden zu lassen, als könne jede von
uns durch einen Betrüger niemals betrogen
werden.

Was soll ich weitläuftig seyn? Ihr
kennt mein Herz nicht, und gehört selbst zu
dieser hinterlistigen Rotte. Er gestand mir
seine Liebe, ich ihm meine Zuneigung; er
nannte mir seinen Namen, und bekannte,
daß er ein armer Edelmann sey, der mir
kein Glück anbieten könne; ich wollte ihn
zum Herrn aller meiner Besitzthümer machen,
ich fand mich so groß darin, ihm mein Ei¬
genthum, mich selbst ihm zu schenken. Schon
war unsre Verlobung, schon der Tag unsrer
Vermählung bestimmt, als er mich plötzlich
nach einer Jagd hier auf dieser Stelle ver¬
ließ. Er wolle einen Freund in der Nach¬
barschaft besuchen, war sein Vorgeben; er
lächelte noch, als er fortritt, und seitdem
habe ich ihn nicht wieder gesehn.

thume blenden zu laſſen, als könne jede von
uns durch einen Betrüger niemals betrogen
werden.

Was ſoll ich weitläuftig ſeyn? Ihr
kennt mein Herz nicht, und gehört ſelbſt zu
dieſer hinterliſtigen Rotte. Er geſtand mir
ſeine Liebe, ich ihm meine Zuneigung; er
nannte mir ſeinen Namen, und bekannte,
daß er ein armer Edelmann ſey, der mir
kein Glück anbieten könne; ich wollte ihn
zum Herrn aller meiner Beſitzthümer machen,
ich fand mich ſo groß darin, ihm mein Ei¬
genthum, mich ſelbſt ihm zu ſchenken. Schon
war unſre Verlobung, ſchon der Tag unſrer
Vermählung beſtimmt, als er mich plötzlich
nach einer Jagd hier auf dieſer Stelle ver¬
ließ. Er wolle einen Freund in der Nach¬
barſchaft beſuchen, war ſein Vorgeben; er
lächelte noch, als er fortritt, und ſeitdem
habe ich ihn nicht wieder geſehn.

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[101/0109] thume blenden zu laſſen, als könne jede von uns durch einen Betrüger niemals betrogen werden. Was ſoll ich weitläuftig ſeyn? Ihr kennt mein Herz nicht, und gehört ſelbſt zu dieſer hinterliſtigen Rotte. Er geſtand mir ſeine Liebe, ich ihm meine Zuneigung; er nannte mir ſeinen Namen, und bekannte, daß er ein armer Edelmann ſey, der mir kein Glück anbieten könne; ich wollte ihn zum Herrn aller meiner Beſitzthümer machen, ich fand mich ſo groß darin, ihm mein Ei¬ genthum, mich ſelbſt ihm zu ſchenken. Schon war unſre Verlobung, ſchon der Tag unſrer Vermählung beſtimmt, als er mich plötzlich nach einer Jagd hier auf dieſer Stelle ver¬ ließ. Er wolle einen Freund in der Nach¬ barſchaft beſuchen, war ſein Vorgeben; er lächelte noch, als er fortritt, und ſeitdem habe ich ihn nicht wieder geſehn.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/109>, abgerufen am 26.04.2024.