alles beßer wüstest und dir das Herz nicht mehr so warm schlüge, wenn du dann mit kaltem Blute nach Dürers Grabstein hin¬ sehn könntest und du höchstens über die Ar¬ beit und Innschrift sprächest, -- o so möcht' ich dich gar nicht wiedersehn, dich gar nicht für meinen Bruder erkennen.
Sebastian! bin ich denn so? rief Franz heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja dich und mein Vaterland und die Stube, worinn unser Meister wohnt und die Natur und Gott. Immer werd' ich daran hangen, immer, immer! Sieh, hier, an diesem alten Eichenbaum verspreche ich es dir, hier hast du meine Hand darauf.
Sie umarmten sich und giengen stumm auseinander, nach einer Weile stand Franz still, dann lief er dem Sebastian nach und umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, sagte er, und wenn Dürer den Ecce homo fertig
alles beßer wüſteſt und dir das Herz nicht mehr ſo warm ſchlüge, wenn du dann mit kaltem Blute nach Dürers Grabſtein hin¬ ſehn könnteſt und du höchſtens über die Ar¬ beit und Innſchrift ſprächeſt, — o ſo möcht' ich dich gar nicht wiederſehn, dich gar nicht für meinen Bruder erkennen.
Sebaſtian! bin ich denn ſo? rief Franz heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja dich und mein Vaterland und die Stube, worinn unſer Meiſter wohnt und die Natur und Gott. Immer werd' ich daran hangen, immer, immer! Sieh, hier, an dieſem alten Eichenbaum verſpreche ich es dir, hier haſt du meine Hand darauf.
Sie umarmten ſich und giengen ſtumm auseinander, nach einer Weile ſtand Franz ſtill, dann lief er dem Sebaſtian nach und umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, ſagte er, und wenn Dürer den Ecce homo fertig
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0031"n="20"/>
alles beßer wüſteſt und dir das Herz nicht<lb/>
mehr ſo warm ſchlüge, wenn du dann mit<lb/>
kaltem Blute nach Dürers Grabſtein hin¬<lb/>ſehn könnteſt und du höchſtens über die Ar¬<lb/>
beit und Innſchrift ſprächeſt, — o ſo möcht' ich<lb/>
dich gar nicht wiederſehn, dich gar nicht für<lb/>
meinen Bruder erkennen.</p><lb/><p>Sebaſtian! bin ich denn ſo? rief Franz<lb/>
heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja<lb/>
dich und mein Vaterland und die Stube,<lb/>
worinn unſer Meiſter wohnt und die Natur<lb/>
und Gott. Immer werd' ich daran hangen,<lb/>
immer, immer! Sieh, hier, an dieſem alten<lb/>
Eichenbaum verſpreche ich es dir, hier haſt<lb/>
du meine Hand darauf.</p><lb/><p>Sie umarmten ſich und giengen ſtumm<lb/>
auseinander, nach einer Weile ſtand Franz<lb/>ſtill, dann lief er dem Sebaſtian nach und<lb/>
umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, ſagte<lb/>
er, und wenn Dürer den <hirendition="#aq">Ecce homo</hi> fertig<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[20/0031]
alles beßer wüſteſt und dir das Herz nicht
mehr ſo warm ſchlüge, wenn du dann mit
kaltem Blute nach Dürers Grabſtein hin¬
ſehn könnteſt und du höchſtens über die Ar¬
beit und Innſchrift ſprächeſt, — o ſo möcht' ich
dich gar nicht wiederſehn, dich gar nicht für
meinen Bruder erkennen.
Sebaſtian! bin ich denn ſo? rief Franz
heftig aus; ich kenne ja dich, ich liebe ja
dich und mein Vaterland und die Stube,
worinn unſer Meiſter wohnt und die Natur
und Gott. Immer werd' ich daran hangen,
immer, immer! Sieh, hier, an dieſem alten
Eichenbaum verſpreche ich es dir, hier haſt
du meine Hand darauf.
Sie umarmten ſich und giengen ſtumm
auseinander, nach einer Weile ſtand Franz
ſtill, dann lief er dem Sebaſtian nach und
umarmte ihn wieder. Ach, Bruder, ſagte
er, und wenn Dürer den Ecce homo fertig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/31>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.