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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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eine Traumgestalt vor, er bestrebte sich oft,
sich des Zustandes seiner Seele zu erinnern,
ehe er das Bildniß im Grase gefunden hat¬
te, aber es war ihm unmöglich. So wan¬
derte er fort, und verirrte sich endlich von
der Straße, indem er in einen dicken Wald
gerieth, der gar kein Ende zu haben schien.

Er ging weiter, und traf immer noch
keinen Ausweg, das Gehölz ward immer
dichter, Vögel schrien und lärmten mit selt¬
samen Tönen durch die stille Einsamkeit.
Ferdinand dachte jetzt an seinen Freund, ihm
schien selber sein Unternehmen wahnsinnig,
und er nahm sich vor, am folgenden Tage
nach seinem Schlosse zurück zu kehren. Es
wurde Nacht, und wie wenn eine Verblen¬
dung plötzlich von ihm genommen wäre, so
verschwand seine Leidenschaft, es war wie
ein Erwachen aus einem schweren Traume.
Er wanderte durch die Nacht weiter, denn

eine Traumgeſtalt vor, er beſtrebte ſich oft‚
ſich des Zuſtandes ſeiner Seele zu erinnern,
ehe er das Bildniß im Graſe gefunden hat¬
te, aber es war ihm unmöglich. So wan¬
derte er fort, und verirrte ſich endlich von
der Straße, indem er in einen dicken Wald
gerieth, der gar kein Ende zu haben ſchien.

Er ging weiter, und traf immer noch
keinen Ausweg, das Gehölz ward immer
dichter, Vögel ſchrien und lärmten mit ſelt¬
ſamen Tönen durch die ſtille Einſamkeit.
Ferdinand dachte jetzt an ſeinen Freund, ihm
ſchien ſelber ſein Unternehmen wahnſinnig,
und er nahm ſich vor, am folgenden Tage
nach ſeinem Schloſſe zurück zu kehren. Es
wurde Nacht, und wie wenn eine Verblen¬
dung plötzlich von ihm genommen wäre, ſo
verſchwand ſeine Leidenſchaft, es war wie
ein Erwachen aus einem ſchweren Traume.
Er wanderte durch die Nacht weiter, denn

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[295/0306] eine Traumgeſtalt vor, er beſtrebte ſich oft‚ ſich des Zuſtandes ſeiner Seele zu erinnern, ehe er das Bildniß im Graſe gefunden hat¬ te, aber es war ihm unmöglich. So wan¬ derte er fort, und verirrte ſich endlich von der Straße, indem er in einen dicken Wald gerieth, der gar kein Ende zu haben ſchien. Er ging weiter, und traf immer noch keinen Ausweg, das Gehölz ward immer dichter, Vögel ſchrien und lärmten mit ſelt¬ ſamen Tönen durch die ſtille Einſamkeit. Ferdinand dachte jetzt an ſeinen Freund, ihm ſchien ſelber ſein Unternehmen wahnſinnig, und er nahm ſich vor, am folgenden Tage nach ſeinem Schloſſe zurück zu kehren. Es wurde Nacht, und wie wenn eine Verblen¬ dung plötzlich von ihm genommen wäre, ſo verſchwand ſeine Leidenſchaft, es war wie ein Erwachen aus einem ſchweren Traume. Er wanderte durch die Nacht weiter, denn

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/306>, abgerufen am 18.05.2024.