Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Ich bin eine verlassene Waise, ohne El¬
tern, ohne Angehörigen, sagte Franz, Ihr
seid mir alles.

Ich wünsche, sagte Albrecht, daß Du
mich wiederfindest, aber ich glaube es nicht;
es ist etwas in meiner Seele, was mir sagt,
daß ich es nicht lange mehr treiben werde.
Ich bin in manchen Stunden so ernsthaft
und so betrübt, daß ich zu sterben wünsche,
wenn ich auch nachher oft wieder scherze
und lustig scheine. Ich weiß auch recht gut,
daß ich zu fleißig bin, und mir dadurch
Schaden thue, daß ich die Kraft der Seele
abstumpfe, und es gewiß büßen muß; aber
es ist nicht zu ändern. Ich brauche Dir
liebster Franz, wohl die Ursache nicht zu sa¬
gen. Meine Frau ist gut, aber sie ist zu
weltlich gesinnt, sie quält sich ewig mit
Sorgen für die Zukunft und mich mit; sie
glaubt, daß ich niemals genug arbeiten

Ich bin eine verlaſſene Waiſe, ohne El¬
tern, ohne Angehörigen, ſagte Franz, Ihr
ſeid mir alles.

Ich wünſche, ſagte Albrecht, daß Du
mich wiederfindeſt, aber ich glaube es nicht;
es iſt etwas in meiner Seele, was mir ſagt,
daß ich es nicht lange mehr treiben werde.
Ich bin in manchen Stunden ſo ernſthaft
und ſo betrübt, daß ich zu ſterben wünſche,
wenn ich auch nachher oft wieder ſcherze
und luſtig ſcheine. Ich weiß auch recht gut,
daß ich zu fleißig bin, und mir dadurch
Schaden thue, daß ich die Kraft der Seele
abſtumpfe, und es gewiß büßen muß; aber
es iſt nicht zu ändern. Ich brauche Dir
liebſter Franz, wohl die Urſache nicht zu ſa¬
gen. Meine Frau iſt gut, aber ſie iſt zu
weltlich geſinnt, ſie quält ſich ewig mit
Sorgen für die Zukunft und mich mit; ſie
glaubt, daß ich niemals genug arbeiten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0272" n="261"/>
            <p>Ich bin eine verla&#x017F;&#x017F;ene Wai&#x017F;e, ohne El¬<lb/>
tern, ohne Angehörigen, &#x017F;agte Franz, Ihr<lb/>
&#x017F;eid mir alles.</p><lb/>
            <p>Ich wün&#x017F;che, &#x017F;agte Albrecht, daß Du<lb/>
mich wiederfinde&#x017F;t, aber ich glaube es nicht;<lb/>
es i&#x017F;t etwas in meiner Seele, was mir &#x017F;agt,<lb/>
daß ich es nicht lange mehr treiben werde.<lb/>
Ich bin in manchen Stunden &#x017F;o ern&#x017F;thaft<lb/>
und &#x017F;o betrübt, daß ich zu &#x017F;terben wün&#x017F;che,<lb/>
wenn ich auch nachher oft wieder &#x017F;cherze<lb/>
und lu&#x017F;tig &#x017F;cheine. Ich weiß auch recht gut,<lb/>
daß ich zu fleißig bin, und mir dadurch<lb/>
Schaden thue, daß ich die Kraft der Seele<lb/>
ab&#x017F;tumpfe, und es gewiß büßen muß; aber<lb/>
es i&#x017F;t nicht zu ändern. Ich brauche Dir<lb/>
lieb&#x017F;ter Franz, wohl die Ur&#x017F;ache nicht zu &#x017F;a¬<lb/>
gen. Meine Frau i&#x017F;t gut, aber &#x017F;ie i&#x017F;t zu<lb/>
weltlich ge&#x017F;innt, &#x017F;ie quält &#x017F;ich ewig mit<lb/>
Sorgen für die Zukunft und mich mit; &#x017F;ie<lb/>
glaubt, daß ich niemals genug arbeiten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0272] Ich bin eine verlaſſene Waiſe, ohne El¬ tern, ohne Angehörigen, ſagte Franz, Ihr ſeid mir alles. Ich wünſche, ſagte Albrecht, daß Du mich wiederfindeſt, aber ich glaube es nicht; es iſt etwas in meiner Seele, was mir ſagt, daß ich es nicht lange mehr treiben werde. Ich bin in manchen Stunden ſo ernſthaft und ſo betrübt, daß ich zu ſterben wünſche, wenn ich auch nachher oft wieder ſcherze und luſtig ſcheine. Ich weiß auch recht gut, daß ich zu fleißig bin, und mir dadurch Schaden thue, daß ich die Kraft der Seele abſtumpfe, und es gewiß büßen muß; aber es iſt nicht zu ändern. Ich brauche Dir liebſter Franz, wohl die Urſache nicht zu ſa¬ gen. Meine Frau iſt gut, aber ſie iſt zu weltlich geſinnt, ſie quält ſich ewig mit Sorgen für die Zukunft und mich mit; ſie glaubt, daß ich niemals genug arbeiten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/272
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/272>, abgerufen am 09.05.2024.