Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

nur so mitmacht, weil es eine herge¬
brachte Gewohnheit ist, und der nun in
der Fülle seiner Herrlichkeit, gleichsam als Zu¬
gabe, als einen angeworfenen Zierath, seinen
Ruhm, seine glorwürdigen Thaten, sein erhabe¬
nes Streben hineinlegt. Wo die Wünsche der
übrigen Menschen über ihre eigne Kühnheit
erstaunen, da sieht er noch Alltäglichkeit
und Beschränktheit; wo andre sich vor
Wonne und Entzücken nicht mehr fassen
können, ist er kaltblütig, und nimmt mit
zurückhaltender Verachtung an, was sich ihm
aufdrängt.

Mir fallen diese Gedanken bei, weil
viele jezt von den wahrhaft großen Män¬
nern mit engherziger Kleinmüthigkeit spre¬
chen, weil sich diese es einkommen lassen,
Riesen und Kolosse auf einer Goldwage ab¬
zuwägen. Eben diese können es auch nicht
begreifen, warum ein Sylla in seinem

nur ſo mitmacht, weil es eine herge¬
brachte Gewohnheit iſt, und der nun in
der Fülle ſeiner Herrlichkeit, gleichſam als Zu¬
gabe, als einen angeworfenen Zierath, ſeinen
Ruhm, ſeine glorwürdigen Thaten, ſein erhabe¬
nes Streben hineinlegt. Wo die Wünſche der
übrigen Menſchen über ihre eigne Kühnheit
erſtaunen, da ſieht er noch Alltäglichkeit
und Beſchränktheit; wo andre ſich vor
Wonne und Entzücken nicht mehr faſſen
können, iſt er kaltblütig, und nimmt mit
zurückhaltender Verachtung an, was ſich ihm
aufdrängt.

Mir fallen dieſe Gedanken bei, weil
viele jezt von den wahrhaft großen Män¬
nern mit engherziger Kleinmüthigkeit ſpre¬
chen, weil ſich dieſe es einkommen laſſen,
Rieſen und Koloſſe auf einer Goldwage ab¬
zuwägen. Eben dieſe können es auch nicht
begreifen, warum ein Sylla in ſeinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0259" n="246 [248]"/>
nur &#x017F;o mitmacht, weil es eine herge¬<lb/>
brachte Gewohnheit i&#x017F;t, und der nun in<lb/>
der Fülle &#x017F;einer Herrlichkeit, gleich&#x017F;am als Zu¬<lb/>
gabe, als einen angeworfenen Zierath, &#x017F;einen<lb/>
Ruhm, &#x017F;eine glorwürdigen Thaten, &#x017F;ein erhabe¬<lb/>
nes Streben hineinlegt. Wo die Wün&#x017F;che der<lb/>
übrigen Men&#x017F;chen über ihre eigne Kühnheit<lb/>
er&#x017F;taunen, da &#x017F;ieht er noch Alltäglichkeit<lb/>
und Be&#x017F;chränktheit; wo andre &#x017F;ich vor<lb/>
Wonne und Entzücken nicht mehr fa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
können, i&#x017F;t er kaltblütig, und nimmt mit<lb/>
zurückhaltender Verachtung an, was &#x017F;ich ihm<lb/>
aufdrängt.</p><lb/>
            <p>Mir fallen die&#x017F;e Gedanken bei, weil<lb/>
viele jezt von den wahrhaft großen Män¬<lb/>
nern mit engherziger Kleinmüthigkeit &#x017F;pre¬<lb/>
chen, weil &#x017F;ich die&#x017F;e es einkommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Rie&#x017F;en und Kolo&#x017F;&#x017F;e auf einer Goldwage ab¬<lb/>
zuwägen. Eben die&#x017F;e können es auch nicht<lb/>
begreifen, warum ein Sylla in &#x017F;einem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246 [248]/0259] nur ſo mitmacht, weil es eine herge¬ brachte Gewohnheit iſt, und der nun in der Fülle ſeiner Herrlichkeit, gleichſam als Zu¬ gabe, als einen angeworfenen Zierath, ſeinen Ruhm, ſeine glorwürdigen Thaten, ſein erhabe¬ nes Streben hineinlegt. Wo die Wünſche der übrigen Menſchen über ihre eigne Kühnheit erſtaunen, da ſieht er noch Alltäglichkeit und Beſchränktheit; wo andre ſich vor Wonne und Entzücken nicht mehr faſſen können, iſt er kaltblütig, und nimmt mit zurückhaltender Verachtung an, was ſich ihm aufdrängt. Mir fallen dieſe Gedanken bei, weil viele jezt von den wahrhaft großen Män¬ nern mit engherziger Kleinmüthigkeit ſpre¬ chen, weil ſich dieſe es einkommen laſſen, Rieſen und Koloſſe auf einer Goldwage ab¬ zuwägen. Eben dieſe können es auch nicht begreifen, warum ein Sylla in ſeinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/259
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 246 [248]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/259>, abgerufen am 09.05.2024.