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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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aufzuweisen hat, tragen die Spuren an sich,
daß sie der Meister mit sonderbarer Liebe
zu Ende führte, daß er keinen Nebenzweig
vernachläßigte, und gering schätzte; und ich
mag dasselbe wohl von dem übrigen
Deutschlande und auch von den Niederlan¬
den sagen.

Aber warum, sagte Lukas, habt Ihr
nun Eurem Schüler Sternbald da nicht
abgerathen nach Italien zu gehn, da er
doch gewiß bei Euch seine Kunst so hoch
bringen kann als es ihm nur möglich ist?

Franz war begierig was Dürer antwor¬
ten würde. Dieser sagte: eben weil ich an
dem zweiflle was Ihr da behauptet, Meister
Lukas. Ich weiß es wohl, daß ich in mei¬
ner Wissenschaft nicht der Letzte bin; aber
es würde thöricht seyn, wenn ich dafür hal¬
ten wollte, daß ich alles geleistet und ent¬
deckt hätte, was man in der Kunst vollbrin¬

aufzuweiſen hat, tragen die Spuren an ſich,
daß ſie der Meiſter mit ſonderbarer Liebe
zu Ende führte, daß er keinen Nebenzweig
vernachläßigte, und gering ſchätzte; und ich
mag daſſelbe wohl von dem übrigen
Deutſchlande und auch von den Niederlan¬
den ſagen.

Aber warum, ſagte Lukas, habt Ihr
nun Eurem Schüler Sternbald da nicht
abgerathen nach Italien zu gehn, da er
doch gewiß bei Euch ſeine Kunſt ſo hoch
bringen kann als es ihm nur möglich iſt?

Franz war begierig was Dürer antwor¬
ten würde. Dieſer ſagte: eben weil ich an
dem zweiflle was Ihr da behauptet, Meiſter
Lukas. Ich weiß es wohl, daß ich in mei¬
ner Wiſſenſchaft nicht der Letzte bin; aber
es würde thöricht ſeyn, wenn ich dafür hal¬
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[234/0245] aufzuweiſen hat, tragen die Spuren an ſich, daß ſie der Meiſter mit ſonderbarer Liebe zu Ende führte, daß er keinen Nebenzweig vernachläßigte, und gering ſchätzte; und ich mag daſſelbe wohl von dem übrigen Deutſchlande und auch von den Niederlan¬ den ſagen. Aber warum, ſagte Lukas, habt Ihr nun Eurem Schüler Sternbald da nicht abgerathen nach Italien zu gehn, da er doch gewiß bei Euch ſeine Kunſt ſo hoch bringen kann als es ihm nur möglich iſt? Franz war begierig was Dürer antwor¬ ten würde. Dieſer ſagte: eben weil ich an dem zweiflle was Ihr da behauptet, Meiſter Lukas. Ich weiß es wohl, daß ich in mei¬ ner Wiſſenſchaft nicht der Letzte bin; aber es würde thöricht ſeyn, wenn ich dafür hal¬ ten wollte, daß ich alles geleiſtet und ent¬ deckt hätte, was man in der Kunſt vollbrin¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/245>, abgerufen am 06.05.2024.