Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

nen neuen verständigen Mann kennen ler¬
nen ohne etwas irre zu werden, doch fand
ich mich bald wieder zurecht. Aber seit mei¬
ner Abreise aus Nürnberg hat sich alles das
geändert. Meine innerlichen Bilder vermeh¬
ren sich bei jedem Schritte den ich thue, je¬
der Baum, jede Landschaft, jeder Wanders¬
mann, Aufgang der Sonne und Untergang,
die Kirchen die ich besuche, jeder Gesang den
ich höre, alles wirkt mit quälender und
schöner Geschäftigkeit in meinem Busen, und
bald möcht' ich Landschaften, bald heilige Ge¬
schichten, bald einzelne Gestalten darstellen,
die Farben genügen mir nun nicht, die Ab¬
wechselung ist mir nicht mannichfaltig ge¬
nug, ich fühle das Edle in den Werken an¬
drer Meister, aber mein Gemüth ist nun¬
mehr so verwirrt, daß ich mich durchaus
nicht unterstehen darf, selber an die Arbeit
zu gehn.

nen neuen verſtändigen Mann kennen ler¬
nen ohne etwas irre zu werden, doch fand
ich mich bald wieder zurecht. Aber ſeit mei¬
ner Abreiſe aus Nürnberg hat ſich alles das
geändert. Meine innerlichen Bilder vermeh¬
ren ſich bei jedem Schritte den ich thue, je¬
der Baum, jede Landſchaft, jeder Wanders¬
mann, Aufgang der Sonne und Untergang,
die Kirchen die ich beſuche, jeder Geſang den
ich höre, alles wirkt mit quälender und
ſchöner Geſchäftigkeit in meinem Buſen, und
bald möcht' ich Landſchaften, bald heilige Ge¬
ſchichten, bald einzelne Geſtalten darſtellen,
die Farben genügen mir nun nicht, die Ab¬
wechſelung iſt mir nicht mannichfaltig ge¬
nug, ich fühle das Edle in den Werken an¬
drer Meiſter, aber mein Gemüth iſt nun¬
mehr ſo verwirrt, daß ich mich durchaus
nicht unterſtehen darf, ſelber an die Arbeit
zu gehn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0199" n="188"/>
nen neuen ver&#x017F;tändigen Mann kennen ler¬<lb/>
nen ohne etwas irre zu werden, doch fand<lb/>
ich mich bald wieder zurecht. Aber &#x017F;eit mei¬<lb/>
ner Abrei&#x017F;e aus Nürnberg hat &#x017F;ich alles das<lb/>
geändert. Meine innerlichen Bilder vermeh¬<lb/>
ren &#x017F;ich bei jedem Schritte den ich thue, je¬<lb/>
der Baum, jede Land&#x017F;chaft, jeder Wanders¬<lb/>
mann, Aufgang der Sonne und Untergang,<lb/>
die Kirchen die ich be&#x017F;uche, jeder Ge&#x017F;ang den<lb/>
ich höre, alles wirkt mit quälender und<lb/>
&#x017F;chöner Ge&#x017F;chäftigkeit in meinem Bu&#x017F;en, und<lb/>
bald möcht' ich Land&#x017F;chaften, bald heilige Ge¬<lb/>
&#x017F;chichten, bald einzelne Ge&#x017F;talten dar&#x017F;tellen,<lb/>
die Farben genügen mir nun nicht, die Ab¬<lb/>
wech&#x017F;elung i&#x017F;t mir nicht mannichfaltig ge¬<lb/>
nug, ich fühle das Edle in den Werken an¬<lb/>
drer Mei&#x017F;ter, aber mein Gemüth i&#x017F;t nun¬<lb/>
mehr &#x017F;o verwirrt, daß ich mich durchaus<lb/>
nicht unter&#x017F;tehen darf, &#x017F;elber an die Arbeit<lb/>
zu gehn.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0199] nen neuen verſtändigen Mann kennen ler¬ nen ohne etwas irre zu werden, doch fand ich mich bald wieder zurecht. Aber ſeit mei¬ ner Abreiſe aus Nürnberg hat ſich alles das geändert. Meine innerlichen Bilder vermeh¬ ren ſich bei jedem Schritte den ich thue, je¬ der Baum, jede Landſchaft, jeder Wanders¬ mann, Aufgang der Sonne und Untergang, die Kirchen die ich beſuche, jeder Geſang den ich höre, alles wirkt mit quälender und ſchöner Geſchäftigkeit in meinem Buſen, und bald möcht' ich Landſchaften, bald heilige Ge¬ ſchichten, bald einzelne Geſtalten darſtellen, die Farben genügen mir nun nicht, die Ab¬ wechſelung iſt mir nicht mannichfaltig ge¬ nug, ich fühle das Edle in den Werken an¬ drer Meiſter, aber mein Gemüth iſt nun¬ mehr ſo verwirrt, daß ich mich durchaus nicht unterſtehen darf, ſelber an die Arbeit zu gehn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/199
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/199>, abgerufen am 22.11.2024.