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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Ich glaube fast, daß der Geist am leichte¬
sten untersin[kt] und verlohren geht, der sich
zu blöde und bescheiden betrachtet, man
muß mit kaltem Vertrauen zum Altar der
Göttinn hinzutreten, und dreist eine von
ihren Gaben fordern, sonst drängt sich der
Unwürdige vor, und trägt über den Bessern
den Sieg davon. Ich möchte manchmal
darüber lachen, daß ich alles in der Welt
so ernsthaft betrachte, daß ich so viel sinne,
wenn es doch nicht anders seyn kann, und
mit Schwingen der Seele das zu ereilen
trachte, wonach andre nur die Hand aus¬
strecken. Denn wohin führt mich meine Lie¬
be, meine Verehrung der Künstler und ih¬
rer Werke? Viele große Meister haben sich
vielleicht recht kaltblütig vor die Staffeley
gesetzt, so wie auch gewöhnlich unser Al¬
brecht arbeitet, und dann dem Werke seinen

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Ich glaube faſt, daß der Geiſt am leichte¬
ſten unterſin[kt] und verlohren geht, der ſich
zu blöde und beſcheiden betrachtet, man
muß mit kaltem Vertrauen zum Altar der
Göttinn hinzutreten, und dreiſt eine von
ihren Gaben fordern, ſonſt drängt ſich der
Unwürdige vor, und trägt über den Beſſern
den Sieg davon. Ich möchte manchmal
darüber lachen, daß ich alles in der Welt
ſo ernſthaft betrachte, daß ich ſo viel ſinne,
wenn es doch nicht anders ſeyn kann, und
mit Schwingen der Seele das zu ereilen
trachte, wonach andre nur die Hand aus¬
ſtrecken. Denn wohin führt mich meine Lie¬
be, meine Verehrung der Künſtler und ih¬
rer Werke? Viele große Meiſter haben ſich
vielleicht recht kaltblütig vor die Staffeley
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brecht arbeitet, und dann dem Werke ſeinen

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[145/0156] Ich glaube faſt, daß der Geiſt am leichte¬ ſten unterſinkt und verlohren geht, der ſich zu blöde und beſcheiden betrachtet, man muß mit kaltem Vertrauen zum Altar der Göttinn hinzutreten, und dreiſt eine von ihren Gaben fordern, ſonſt drängt ſich der Unwürdige vor, und trägt über den Beſſern den Sieg davon. Ich möchte manchmal darüber lachen, daß ich alles in der Welt ſo ernſthaft betrachte, daß ich ſo viel ſinne, wenn es doch nicht anders ſeyn kann, und mit Schwingen der Seele das zu ereilen trachte, wonach andre nur die Hand aus¬ ſtrecken. Denn wohin führt mich meine Lie¬ be, meine Verehrung der Künſtler und ih¬ rer Werke? Viele große Meiſter haben ſich vielleicht recht kaltblütig vor die Staffeley geſetzt, ſo wie auch gewöhnlich unſer Al¬ brecht arbeitet, und dann dem Werke ſeinen K

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/156>, abgerufen am 22.11.2024.