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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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und überaus anmuthig, in der Ferne lagen
krause Hügel mit Obstbäumen bekränzt. Wie,
sagte Franz zu sich, sucht ihr Schüler und
Meister immer nach Gemälden, und wißt nie¬
mals recht wo ihr sie suchen müßt? Warum
fällt es keinem ein, sich mit seiner Staffeley
unter einen solchen unbefangenen Haufen
niederzusetzen, und uns auf einmahl diese
Natur ganz wie sie ist darzustellen. Keine
abgerissene Fragmente aus der alten Histo¬
rie und Göttergeschichte, die so oft weder
Schmerz noch Freude in uns erregen, keine
kalte Figuren aus der Legende, die uns oft
gar nicht ansprechen, weil der Mahler die
heiligen Männer nicht selber vor sich
sah, und er ohne Begeisterung arbeitete.
Diese Gestalten wörtlich so und ohne Abän¬
derung niedergeschrieben, damit wir lernen,
welche Schöne, welche Erquickung in der
einfachen Natürlichkeit verborgen liegt.

und überaus anmuthig, in der Ferne lagen
krauſe Hügel mit Obſtbäumen bekränzt. Wie,
ſagte Franz zu ſich, ſucht ihr Schüler und
Meiſter immer nach Gemälden, und wißt nie¬
mals recht wo ihr ſie ſuchen müßt? Warum
fällt es keinem ein, ſich mit ſeiner Staffeley
unter einen ſolchen unbefangenen Haufen
niederzuſetzen, und uns auf einmahl dieſe
Natur ganz wie ſie iſt darzuſtellen. Keine
abgeriſſene Fragmente aus der alten Hiſto¬
rie und Göttergeſchichte, die ſo oft weder
Schmerz noch Freude in uns erregen, keine
kalte Figuren aus der Legende, die uns oft
gar nicht anſprechen, weil der Mahler die
heiligen Männer nicht ſelber vor ſich
ſah, und er ohne Begeiſterung arbeitete.
Dieſe Geſtalten wörtlich ſo und ohne Abän¬
derung niedergeſchrieben, damit wir lernen,
welche Schöne, welche Erquickung in der
einfachen Natürlichkeit verborgen liegt.

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[111/0122] und überaus anmuthig, in der Ferne lagen krauſe Hügel mit Obſtbäumen bekränzt. Wie, ſagte Franz zu ſich, ſucht ihr Schüler und Meiſter immer nach Gemälden, und wißt nie¬ mals recht wo ihr ſie ſuchen müßt? Warum fällt es keinem ein, ſich mit ſeiner Staffeley unter einen ſolchen unbefangenen Haufen niederzuſetzen, und uns auf einmahl dieſe Natur ganz wie ſie iſt darzuſtellen. Keine abgeriſſene Fragmente aus der alten Hiſto¬ rie und Göttergeſchichte, die ſo oft weder Schmerz noch Freude in uns erregen, keine kalte Figuren aus der Legende, die uns oft gar nicht anſprechen, weil der Mahler die heiligen Männer nicht ſelber vor ſich ſah, und er ohne Begeiſterung arbeitete. Dieſe Geſtalten wörtlich ſo und ohne Abän¬ derung niedergeſchrieben, damit wir lernen, welche Schöne, welche Erquickung in der einfachen Natürlichkeit verborgen liegt.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/122>, abgerufen am 25.11.2024.