Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht einmahl sagen können: dieser Mensch
ist unnütz, jener aber nützlich. Es ist die
Erde zum Glück so eingerichtet, daß wir
alle darauf Platz finden mögen; Groß und
Klein, Vornehm und Geringe. Mir ist es
in meinen jüngern Jahren oft eben so wie
Dir ergangen, aber die guten Stunden
kommen doch immer wieder zurück. Wärst
Du ohne Anlage und Talent, so würdest
Du diese Leere in Deinem Herzen niemals
empfinden.

Mein Weib läßt Dich grüßen. Bleib nur
immer der Wahrheit treu, das ist die Haupt¬
sache. Deine fromme Empfindung, so schön sie
ist, kann Dich zu weit leiten, wenn Du Dich
nicht von der Vernunft regieren läßt. Nicht
eigentlich zu weit; denn man kann gewiß
und wahrlich nicht zu fromm und andächtig
seyn, sondern ich meine nur, Du dürftest
endlich etwas Falsches in Dein Herz aufneh¬
men, das Dich selber hintergienge, und so

nicht einmahl ſagen können: dieſer Menſch
iſt unnütz, jener aber nützlich. Es iſt die
Erde zum Glück ſo eingerichtet, daß wir
alle darauf Platz finden mögen; Groß und
Klein, Vornehm und Geringe. Mir iſt es
in meinen jüngern Jahren oft eben ſo wie
Dir ergangen, aber die guten Stunden
kommen doch immer wieder zurück. Wärſt
Du ohne Anlage und Talent, ſo würdeſt
Du dieſe Leere in Deinem Herzen niemals
empfinden.

Mein Weib läßt Dich grüßen. Bleib nur
immer der Wahrheit treu, das iſt die Haupt¬
ſache. Deine fromme Empfindung, ſo ſchön ſie
iſt, kann Dich zu weit leiten, wenn Du Dich
nicht von der Vernunft regieren läßt. Nicht
eigentlich zu weit; denn man kann gewiß
und wahrlich nicht zu fromm und andächtig
ſeyn, ſondern ich meine nur, Du dürfteſt
endlich etwas Falſches in Dein Herz aufneh¬
men, das Dich ſelber hintergienge, und ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0117" n="106"/>
nicht einmahl &#x017F;agen können: die&#x017F;er Men&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t unnütz, jener aber nützlich. Es i&#x017F;t die<lb/>
Erde zum Glück &#x017F;o eingerichtet, daß wir<lb/>
alle darauf Platz finden mögen; Groß und<lb/>
Klein, Vornehm und Geringe. Mir i&#x017F;t es<lb/>
in meinen jüngern Jahren oft eben &#x017F;o wie<lb/>
Dir ergangen, aber die guten Stunden<lb/>
kommen doch immer wieder zurück. Wär&#x017F;t<lb/>
Du ohne Anlage und Talent, &#x017F;o würde&#x017F;t<lb/>
Du die&#x017F;e Leere in Deinem Herzen niemals<lb/>
empfinden.</p><lb/>
            <p>Mein Weib läßt Dich grüßen. Bleib nur<lb/>
immer der Wahrheit treu, das i&#x017F;t die Haupt¬<lb/>
&#x017F;ache. Deine fromme Empfindung, &#x017F;o &#x017F;chön &#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t, kann Dich zu weit leiten, wenn Du Dich<lb/>
nicht von der Vernunft regieren läßt. Nicht<lb/>
eigentlich zu weit; denn man kann gewiß<lb/>
und wahrlich nicht zu fromm und andächtig<lb/>
&#x017F;eyn, &#x017F;ondern ich meine nur, Du dürfte&#x017F;t<lb/>
endlich etwas Fal&#x017F;ches in Dein Herz aufneh¬<lb/>
men, das Dich &#x017F;elber hintergienge, und &#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0117] nicht einmahl ſagen können: dieſer Menſch iſt unnütz, jener aber nützlich. Es iſt die Erde zum Glück ſo eingerichtet, daß wir alle darauf Platz finden mögen; Groß und Klein, Vornehm und Geringe. Mir iſt es in meinen jüngern Jahren oft eben ſo wie Dir ergangen, aber die guten Stunden kommen doch immer wieder zurück. Wärſt Du ohne Anlage und Talent, ſo würdeſt Du dieſe Leere in Deinem Herzen niemals empfinden. Mein Weib läßt Dich grüßen. Bleib nur immer der Wahrheit treu, das iſt die Haupt¬ ſache. Deine fromme Empfindung, ſo ſchön ſie iſt, kann Dich zu weit leiten, wenn Du Dich nicht von der Vernunft regieren läßt. Nicht eigentlich zu weit; denn man kann gewiß und wahrlich nicht zu fromm und andächtig ſeyn, ſondern ich meine nur, Du dürfteſt endlich etwas Falſches in Dein Herz aufneh¬ men, das Dich ſelber hintergienge, und ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/117
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/117>, abgerufen am 24.11.2024.