Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Fortunat. Auch keinen Heller, um mich heut Abend nur mit einem Bissen Brod zu er- quicken. Felix. Armer Schelm. Nach Deiner Art zu leben, und wie Du uns dazu anführtest und auf- muntertest, dacht' ich, welche Goldgruben Dir zu Gebote ständen. Ei! ei! das ist eine traurige und böse Sache, eine jämmerliche Aussicht auf viele, viele Wochen. Fortunat. Hilf mir nur mit Wenigem. Felix. Ja, wie soll ich Dir helfen, guter Junge? Geht es mir denn besser? Ich bin in Ver- zweiflung: ich habe alle Waaren verkauft, aber auch alles Geld dafür rein, rein ausgegeben; ein Tag ging nach dem andern hin, ein Vergnügen folgte dem andern, und die Mädchen hier sind ja mit ih- ren Forderungen unersättlich, man ist zu schwach, zu dumm, zu jung, ihnen etwas abzuschlagen. Glaube nur, ich habe weit mehr Geld in der kur- zen Zeit durchgebracht, als Du, mir schwindelt der Kopf, wenn ich daran zurück denke; und wo ich nur die Dreistigkeit dazu hergenommen habe, und was nur mein Vater dazu sagen wird! Zum Glück habe ich doch noch einiges als Bezahlung in Waa- ren abliefern müssen, aber ich kriege keinen Heiler darauf, bei zwanzig Kaufleuten, die freilich meinen Lebenswandel mit angesehn haben, bin ich schon herum gewesen. Was bleibt mir übrig? Gottlob, daß noch ein alter Faktor aus Cypern hier ist, der morgen zurückreiset, bei diesem habe ich mich ange- bettelt, daß er mich nur frei zurücknimmt. Aber Zweite Abtheilung. Fortunat. Auch keinen Heller, um mich heut Abend nur mit einem Biſſen Brod zu er- quicken. Felix. Armer Schelm. Nach Deiner Art zu leben, und wie Du uns dazu anfuͤhrteſt und auf- munterteſt, dacht' ich, welche Goldgruben Dir zu Gebote ſtaͤnden. Ei! ei! das iſt eine traurige und boͤſe Sache, eine jaͤmmerliche Ausſicht auf viele, viele Wochen. Fortunat. Hilf mir nur mit Wenigem. Felix. Ja, wie ſoll ich Dir helfen, guter Junge? Geht es mir denn beſſer? Ich bin in Ver- zweiflung: ich habe alle Waaren verkauft, aber auch alles Geld dafuͤr rein, rein ausgegeben; ein Tag ging nach dem andern hin, ein Vergnuͤgen folgte dem andern, und die Maͤdchen hier ſind ja mit ih- ren Forderungen unerſaͤttlich, man iſt zu ſchwach, zu dumm, zu jung, ihnen etwas abzuſchlagen. Glaube nur, ich habe weit mehr Geld in der kur- zen Zeit durchgebracht, als Du, mir ſchwindelt der Kopf, wenn ich daran zuruͤck denke; und wo ich nur die Dreiſtigkeit dazu hergenommen habe, und was nur mein Vater dazu ſagen wird! Zum Gluͤck habe ich doch noch einiges als Bezahlung in Waa- ren abliefern muͤſſen, aber ich kriege keinen Heiler darauf, bei zwanzig Kaufleuten, die freilich meinen Lebenswandel mit angeſehn haben, bin ich ſchon herum geweſen. Was bleibt mir uͤbrig? Gottlob, daß noch ein alter Faktor aus Cypern hier iſt, der morgen zuruͤckreiſet, bei dieſem habe ich mich ange- bettelt, daß er mich nur frei zuruͤcknimmt. Aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0082" n="72"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#FORT"> <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker> <p>Auch keinen Heller, um mich<lb/> heut Abend nur mit einem Biſſen Brod zu er-<lb/> quicken.</p> </sp><lb/> <sp who="#FELIX"> <speaker><hi rendition="#g">Felix</hi>.</speaker> <p>Armer Schelm. Nach Deiner Art zu<lb/> leben, und wie Du uns dazu anfuͤhrteſt und auf-<lb/> munterteſt, dacht' ich, welche Goldgruben Dir zu<lb/> Gebote ſtaͤnden. Ei! ei! das iſt eine traurige und<lb/> boͤſe Sache, eine jaͤmmerliche Ausſicht auf viele,<lb/> viele Wochen.</p> </sp><lb/> <sp who="#FORT"> <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker> <p>Hilf mir nur mit Wenigem.</p> </sp><lb/> <sp who="#FELIX"> <speaker><hi rendition="#g">Felix</hi>.</speaker> <p>Ja, wie ſoll ich Dir helfen, guter<lb/> Junge? Geht es mir denn beſſer? Ich bin in Ver-<lb/> zweiflung: ich habe alle Waaren verkauft, aber auch<lb/> alles Geld dafuͤr rein, rein ausgegeben; ein Tag<lb/> ging nach dem andern hin, ein Vergnuͤgen folgte<lb/> dem andern, und die Maͤdchen hier ſind ja mit ih-<lb/> ren Forderungen unerſaͤttlich, man iſt zu ſchwach,<lb/> zu dumm, zu jung, ihnen etwas abzuſchlagen.<lb/> Glaube nur, ich habe weit mehr Geld in der kur-<lb/> zen Zeit durchgebracht, als Du, mir ſchwindelt<lb/> der Kopf, wenn ich daran zuruͤck denke; und wo ich<lb/> nur die Dreiſtigkeit dazu hergenommen habe, und<lb/> was nur mein Vater dazu ſagen wird! Zum Gluͤck<lb/> habe ich doch noch einiges als Bezahlung in Waa-<lb/> ren abliefern muͤſſen, aber ich kriege keinen Heiler<lb/> darauf, bei zwanzig Kaufleuten, die freilich meinen<lb/> Lebenswandel mit angeſehn haben, bin ich ſchon<lb/> herum geweſen. Was bleibt mir uͤbrig? Gottlob,<lb/> daß noch ein alter Faktor aus Cypern hier iſt, der<lb/> morgen zuruͤckreiſet, bei dieſem habe ich mich ange-<lb/> bettelt, daß er mich nur frei zuruͤcknimmt. Aber<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
Zweite Abtheilung.
Fortunat. Auch keinen Heller, um mich
heut Abend nur mit einem Biſſen Brod zu er-
quicken.
Felix. Armer Schelm. Nach Deiner Art zu
leben, und wie Du uns dazu anfuͤhrteſt und auf-
munterteſt, dacht' ich, welche Goldgruben Dir zu
Gebote ſtaͤnden. Ei! ei! das iſt eine traurige und
boͤſe Sache, eine jaͤmmerliche Ausſicht auf viele,
viele Wochen.
Fortunat. Hilf mir nur mit Wenigem.
Felix. Ja, wie ſoll ich Dir helfen, guter
Junge? Geht es mir denn beſſer? Ich bin in Ver-
zweiflung: ich habe alle Waaren verkauft, aber auch
alles Geld dafuͤr rein, rein ausgegeben; ein Tag
ging nach dem andern hin, ein Vergnuͤgen folgte
dem andern, und die Maͤdchen hier ſind ja mit ih-
ren Forderungen unerſaͤttlich, man iſt zu ſchwach,
zu dumm, zu jung, ihnen etwas abzuſchlagen.
Glaube nur, ich habe weit mehr Geld in der kur-
zen Zeit durchgebracht, als Du, mir ſchwindelt
der Kopf, wenn ich daran zuruͤck denke; und wo ich
nur die Dreiſtigkeit dazu hergenommen habe, und
was nur mein Vater dazu ſagen wird! Zum Gluͤck
habe ich doch noch einiges als Bezahlung in Waa-
ren abliefern muͤſſen, aber ich kriege keinen Heiler
darauf, bei zwanzig Kaufleuten, die freilich meinen
Lebenswandel mit angeſehn haben, bin ich ſchon
herum geweſen. Was bleibt mir uͤbrig? Gottlob,
daß noch ein alter Faktor aus Cypern hier iſt, der
morgen zuruͤckreiſet, bei dieſem habe ich mich ange-
bettelt, daß er mich nur frei zuruͤcknimmt. Aber
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