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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
Gattungen einzig war, vorzüglich in leichtge-
färbten, flüchtigen Charakteren, aber nie war er
groß und gewaltig, er konnte es seiner Natur
nach nicht seyn. Von seiner Unfähigkeit zum
Tragischen sprachen wir schon neulich, aber auch
im Komischen, wenn er sich oft am meisten be-
mühte, war er zu weilend, ermüdend, er hatte
seine Züge zum Gemählde zu sehr einzeln zusam-
mengesucht, und man sah die Stellen zuweilen,
wo die Farbe die zusammengesetzten Theile nicht
hatte vereinigen können. Seine Lieblingsrollen
zeigten auch, wohin er zu einseitig strebte. Wie
oft und an wie vielen Orten hat er nicht den
Essighändler von Mercier gegeben! Gewöhnlich
war diese seine erste Rolle. Und gerade in die-
sem Stück möchte ich sein Spiel, besonders in
der letzten Hälfte, ein gekniffenes, gezwacktes
nennen. Man wurde nicht froh dabei. Ich
hatte denselben Charakter von Schröder gesehn,
der ihn als würdigen braven Landmann gab,
dessen Tüchtigkeit, in der letzten Hälfte beson-
ders, imponirte, nichts von diesen Pausen und
gezogenen Interjektionen. In Prag giebt ihn
der Direktor des Schauspiels, Liebich, dieser hebt
vorzüglich die joviale Naivität heraus, und ich
ziehe seine Darstellung ebenfalls der Ifflandi-
schen weit vor. Warum von diesem ausgezeich-
neten Künstler in unsern so lobreichen Zeiten
überhaupt nur so selten die Rede ist, habe ich

Zweite Abtheilung.
Gattungen einzig war, vorzuͤglich in leichtge-
faͤrbten, fluͤchtigen Charakteren, aber nie war er
groß und gewaltig, er konnte es ſeiner Natur
nach nicht ſeyn. Von ſeiner Unfaͤhigkeit zum
Tragiſchen ſprachen wir ſchon neulich, aber auch
im Komiſchen, wenn er ſich oft am meiſten be-
muͤhte, war er zu weilend, ermuͤdend, er hatte
ſeine Zuͤge zum Gemaͤhlde zu ſehr einzeln zuſam-
mengeſucht, und man ſah die Stellen zuweilen,
wo die Farbe die zuſammengeſetzten Theile nicht
hatte vereinigen koͤnnen. Seine Lieblingsrollen
zeigten auch, wohin er zu einſeitig ſtrebte. Wie
oft und an wie vielen Orten hat er nicht den
Eſſighaͤndler von Mercier gegeben! Gewoͤhnlich
war dieſe ſeine erſte Rolle. Und gerade in die-
ſem Stuͤck moͤchte ich ſein Spiel, beſonders in
der letzten Haͤlfte, ein gekniffenes, gezwacktes
nennen. Man wurde nicht froh dabei. Ich
hatte denſelben Charakter von Schroͤder geſehn,
der ihn als wuͤrdigen braven Landmann gab,
deſſen Tuͤchtigkeit, in der letzten Haͤlfte beſon-
ders, imponirte, nichts von dieſen Pauſen und
gezogenen Interjektionen. In Prag giebt ihn
der Direktor des Schauſpiels, Liebich, dieſer hebt
vorzuͤglich die joviale Naivitaͤt heraus, und ich
ziehe ſeine Darſtellung ebenfalls der Ifflandi-
ſchen weit vor. Warum von dieſem ausgezeich-
neten Kuͤnſtler in unſern ſo lobreichen Zeiten
uͤberhaupt nur ſo ſelten die Rede iſt, habe ich

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[515/0525] Zweite Abtheilung. Gattungen einzig war, vorzuͤglich in leichtge- faͤrbten, fluͤchtigen Charakteren, aber nie war er groß und gewaltig, er konnte es ſeiner Natur nach nicht ſeyn. Von ſeiner Unfaͤhigkeit zum Tragiſchen ſprachen wir ſchon neulich, aber auch im Komiſchen, wenn er ſich oft am meiſten be- muͤhte, war er zu weilend, ermuͤdend, er hatte ſeine Zuͤge zum Gemaͤhlde zu ſehr einzeln zuſam- mengeſucht, und man ſah die Stellen zuweilen, wo die Farbe die zuſammengeſetzten Theile nicht hatte vereinigen koͤnnen. Seine Lieblingsrollen zeigten auch, wohin er zu einſeitig ſtrebte. Wie oft und an wie vielen Orten hat er nicht den Eſſighaͤndler von Mercier gegeben! Gewoͤhnlich war dieſe ſeine erſte Rolle. Und gerade in die- ſem Stuͤck moͤchte ich ſein Spiel, beſonders in der letzten Haͤlfte, ein gekniffenes, gezwacktes nennen. Man wurde nicht froh dabei. Ich hatte denſelben Charakter von Schroͤder geſehn, der ihn als wuͤrdigen braven Landmann gab, deſſen Tuͤchtigkeit, in der letzten Haͤlfte beſon- ders, imponirte, nichts von dieſen Pauſen und gezogenen Interjektionen. In Prag giebt ihn der Direktor des Schauſpiels, Liebich, dieſer hebt vorzuͤglich die joviale Naivitaͤt heraus, und ich ziehe ſeine Darſtellung ebenfalls der Ifflandi- ſchen weit vor. Warum von dieſem ausgezeich- neten Kuͤnſtler in unſern ſo lobreichen Zeiten uͤberhaupt nur ſo ſelten die Rede iſt, habe ich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/525>, abgerufen am 23.11.2024.