Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. litair-Rollen, in Charakteren, die nur einenAnflug vom Komischen haben, wie der Samuel Smith in den Indianern von Kotzebue; er war selbst ein schöner Mann. Mattausch, voller und größer, aber in allem Glanz der Jugend, trat als Don Carlos auf, und obgleich sein Organ nicht volltönend war, und die Kritik manches Einzelne mit Recht tadelte, so habe ich doch nie wieder diesen Charakter mit dieser schönen Be- geisterung darstellen sehn; Fazir und andre der- gleichen schwarze und weiße Naturkinder schie- nen für diesen Schauspieler geschrieben, denn sie wurden in seiner Darstellung so herzlich, wahr und liebenswürdig, wie dieselben Figuren, wenn ich sie später gesehn habe, mir als leere Affekta- tion erschienen sind. Kaselitz war in den Rol- len einiger komischen Alten sehr brav, und es gab noch andre Talente, die ihre Stelle lobens- würdig ausfüllten. Diese Gesellschaft gab da- mals manche Dramen in solcher Vollendung, daß nichts zu wünschen übrig blieb. Man ta- delte freilich auch damals, man eiferte für Ge- schmack und Verbesserung, konnte aber freilich die Dürre nicht ahnden, die späterhin eintrat. Um die Zeit, als Iffland in Berlin auftrat, hatte das Theater schon einige Schritte von seiner Höhe herunter gethan; sein großes, glänzendes Talent erregte eine neue Aufmerksamkeit, und man muß von ihm gestehn, daß er in einigen Zweite Abtheilung. litair-Rollen, in Charakteren, die nur einenAnflug vom Komiſchen haben, wie der Samuel Smith in den Indianern von Kotzebue; er war ſelbſt ein ſchoͤner Mann. Mattauſch, voller und groͤßer, aber in allem Glanz der Jugend, trat als Don Carlos auf, und obgleich ſein Organ nicht volltoͤnend war, und die Kritik manches Einzelne mit Recht tadelte, ſo habe ich doch nie wieder dieſen Charakter mit dieſer ſchoͤnen Be- geiſterung darſtellen ſehn; Fazir und andre der- gleichen ſchwarze und weiße Naturkinder ſchie- nen fuͤr dieſen Schauſpieler geſchrieben, denn ſie wurden in ſeiner Darſtellung ſo herzlich, wahr und liebenswuͤrdig, wie dieſelben Figuren, wenn ich ſie ſpaͤter geſehn habe, mir als leere Affekta- tion erſchienen ſind. Kaſelitz war in den Rol- len einiger komiſchen Alten ſehr brav, und es gab noch andre Talente, die ihre Stelle lobens- wuͤrdig ausfuͤllten. Dieſe Geſellſchaft gab da- mals manche Dramen in ſolcher Vollendung, daß nichts zu wuͤnſchen uͤbrig blieb. Man ta- delte freilich auch damals, man eiferte fuͤr Ge- ſchmack und Verbeſſerung, konnte aber freilich die Duͤrre nicht ahnden, die ſpaͤterhin eintrat. Um die Zeit, als Iffland in Berlin auftrat, hatte das Theater ſchon einige Schritte von ſeiner Hoͤhe herunter gethan; ſein großes, glaͤnzendes Talent erregte eine neue Aufmerkſamkeit, und man muß von ihm geſtehn, daß er in einigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0524" n="514"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> litair-Rollen, in Charakteren, die nur einen<lb/> Anflug vom Komiſchen haben, wie der Samuel<lb/> Smith in den Indianern von Kotzebue; er war<lb/> ſelbſt ein ſchoͤner Mann. Mattauſch, voller und<lb/> groͤßer, aber in allem Glanz der Jugend, trat<lb/> als Don Carlos auf, und obgleich ſein Organ<lb/> nicht volltoͤnend war, und die Kritik manches<lb/> Einzelne mit Recht tadelte, ſo habe ich doch nie<lb/> wieder dieſen Charakter mit dieſer ſchoͤnen Be-<lb/> geiſterung darſtellen ſehn; Fazir und andre der-<lb/> gleichen ſchwarze und weiße Naturkinder ſchie-<lb/> nen fuͤr dieſen Schauſpieler geſchrieben, denn ſie<lb/> wurden in ſeiner Darſtellung ſo herzlich, wahr<lb/> und liebenswuͤrdig, wie dieſelben Figuren, wenn<lb/> ich ſie ſpaͤter geſehn habe, mir als leere Affekta-<lb/> tion erſchienen ſind. Kaſelitz war in den Rol-<lb/> len einiger komiſchen Alten ſehr brav, und es<lb/> gab noch andre Talente, die ihre Stelle lobens-<lb/> wuͤrdig ausfuͤllten. Dieſe Geſellſchaft gab da-<lb/> mals manche Dramen in ſolcher Vollendung,<lb/> daß nichts zu wuͤnſchen uͤbrig blieb. Man ta-<lb/> delte freilich auch damals, man eiferte fuͤr Ge-<lb/> ſchmack und Verbeſſerung, konnte aber freilich<lb/> die Duͤrre nicht ahnden, die ſpaͤterhin eintrat.<lb/> Um die Zeit, als Iffland in Berlin auftrat, hatte<lb/> das Theater ſchon einige Schritte von ſeiner<lb/> Hoͤhe herunter gethan; ſein großes, glaͤnzendes<lb/> Talent erregte eine neue Aufmerkſamkeit, und<lb/> man muß von ihm geſtehn, daß er in einigen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [514/0524]
Zweite Abtheilung.
litair-Rollen, in Charakteren, die nur einen
Anflug vom Komiſchen haben, wie der Samuel
Smith in den Indianern von Kotzebue; er war
ſelbſt ein ſchoͤner Mann. Mattauſch, voller und
groͤßer, aber in allem Glanz der Jugend, trat
als Don Carlos auf, und obgleich ſein Organ
nicht volltoͤnend war, und die Kritik manches
Einzelne mit Recht tadelte, ſo habe ich doch nie
wieder dieſen Charakter mit dieſer ſchoͤnen Be-
geiſterung darſtellen ſehn; Fazir und andre der-
gleichen ſchwarze und weiße Naturkinder ſchie-
nen fuͤr dieſen Schauſpieler geſchrieben, denn ſie
wurden in ſeiner Darſtellung ſo herzlich, wahr
und liebenswuͤrdig, wie dieſelben Figuren, wenn
ich ſie ſpaͤter geſehn habe, mir als leere Affekta-
tion erſchienen ſind. Kaſelitz war in den Rol-
len einiger komiſchen Alten ſehr brav, und es
gab noch andre Talente, die ihre Stelle lobens-
wuͤrdig ausfuͤllten. Dieſe Geſellſchaft gab da-
mals manche Dramen in ſolcher Vollendung,
daß nichts zu wuͤnſchen uͤbrig blieb. Man ta-
delte freilich auch damals, man eiferte fuͤr Ge-
ſchmack und Verbeſſerung, konnte aber freilich
die Duͤrre nicht ahnden, die ſpaͤterhin eintrat.
Um die Zeit, als Iffland in Berlin auftrat, hatte
das Theater ſchon einige Schritte von ſeiner
Hoͤhe herunter gethan; ſein großes, glaͤnzendes
Talent erregte eine neue Aufmerkſamkeit, und
man muß von ihm geſtehn, daß er in einigen
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