Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. zu, und diese Poesie und Begeisterung schufen,ihn tief bewegend, durch ihn so große und erha- bene Dinge, wie wir schwerlich je wieder sehen werden. Hauptsächlich spreche ich hier von sei- ner früheren Zeit, denn so groß er bis zum Tode blieb, mußte doch späterhin vieles von diesem idealischen Glanze verloren gehn. Er war schlank, nicht groß, aber vom schönsten Ebenmaaß, hatte braune Augen, deren Feuer durch Sanftheit gemildert war, sein gezogene Brauen, edle Stirn und Nase, sein Kopf hatte in der Jugend Aehnlichkeit mit dem Apollo: in den Rollen eines Esser, Tancred (nach der al- ten Uebersetzung), Ethelwolf (nach Fletcher) war er bezaubernd, am meisten als Infant Pedro in Ines de Castro, der, wie das ganze Stück, sehr schwach und schlecht geschrieben ist, von ihm gesprochen aber jedes Wort wie die Begeisterung des edelsten Dichters erklang. Sein Organ war von der Reinheit der Glocke, und so reich an vollen klaren Tönen in der Tiefe wie in der Höhe, daß nur derjenige mir glauben wird, der ihn gekannt hat, denn wahres Flö- tenlispeln stand ihm in der Zärtlichkeit, Bitte und Hingebung zu Gebot, und ohne je in den knarrenden Baß zu fallen, der uns oft so unan- genehm stört, war sein Ton in der Tiefe wie Metall klingend, konnte in verhaltener Wuth wie Donner rollen, und in losgelassener Leiden- schaft mit dem Löwen brüllen. Der Tragiker Zweite Abtheilung. zu, und dieſe Poeſie und Begeiſterung ſchufen,ihn tief bewegend, durch ihn ſo große und erha- bene Dinge, wie wir ſchwerlich je wieder ſehen werden. Hauptſaͤchlich ſpreche ich hier von ſei- ner fruͤheren Zeit, denn ſo groß er bis zum Tode blieb, mußte doch ſpaͤterhin vieles von dieſem idealiſchen Glanze verloren gehn. Er war ſchlank, nicht groß, aber vom ſchoͤnſten Ebenmaaß, hatte braune Augen, deren Feuer durch Sanftheit gemildert war, ſein gezogene Brauen, edle Stirn und Naſe, ſein Kopf hatte in der Jugend Aehnlichkeit mit dem Apollo: in den Rollen eines Eſſer, Tancred (nach der al- ten Ueberſetzung), Ethelwolf (nach Fletcher) war er bezaubernd, am meiſten als Infant Pedro in Ines de Caſtro, der, wie das ganze Stuͤck, ſehr ſchwach und ſchlecht geſchrieben iſt, von ihm geſprochen aber jedes Wort wie die Begeiſterung des edelſten Dichters erklang. Sein Organ war von der Reinheit der Glocke, und ſo reich an vollen klaren Toͤnen in der Tiefe wie in der Hoͤhe, daß nur derjenige mir glauben wird, der ihn gekannt hat, denn wahres Floͤ- tenlispeln ſtand ihm in der Zaͤrtlichkeit, Bitte und Hingebung zu Gebot, und ohne je in den knarrenden Baß zu fallen, der uns oft ſo unan- genehm ſtoͤrt, war ſein Ton in der Tiefe wie Metall klingend, konnte in verhaltener Wuth wie Donner rollen, und in losgelaſſener Leiden- ſchaft mit dem Loͤwen bruͤllen. Der Tragiker <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0517" n="507"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> zu, und dieſe Poeſie und Begeiſterung ſchufen,<lb/> ihn tief bewegend, durch ihn ſo große und erha-<lb/> bene Dinge, wie wir ſchwerlich je wieder ſehen<lb/> werden. Hauptſaͤchlich ſpreche ich hier von ſei-<lb/> ner fruͤheren Zeit, denn ſo groß er bis zum<lb/> Tode blieb, mußte doch ſpaͤterhin vieles von<lb/> dieſem idealiſchen Glanze verloren gehn. Er<lb/> war ſchlank, nicht groß, aber vom ſchoͤnſten<lb/> Ebenmaaß, hatte braune Augen, deren Feuer<lb/> durch Sanftheit gemildert war, ſein gezogene<lb/> Brauen, edle Stirn und Naſe, ſein Kopf hatte<lb/> in der Jugend Aehnlichkeit mit dem Apollo: in<lb/> den Rollen eines Eſſer, Tancred (nach der al-<lb/> ten Ueberſetzung), Ethelwolf (nach Fletcher)<lb/> war er bezaubernd, am meiſten als Infant<lb/> Pedro in Ines de Caſtro, der, wie das ganze<lb/> Stuͤck, ſehr ſchwach und ſchlecht geſchrieben<lb/> iſt, von ihm geſprochen aber jedes Wort wie<lb/> die Begeiſterung des edelſten Dichters erklang.<lb/> Sein Organ war von der Reinheit der Glocke,<lb/> und ſo reich an vollen klaren Toͤnen in der Tiefe<lb/> wie in der Hoͤhe, daß nur derjenige mir glauben<lb/> wird, der ihn gekannt hat, denn wahres Floͤ-<lb/> tenlispeln ſtand ihm in der Zaͤrtlichkeit, Bitte<lb/> und Hingebung zu Gebot, und ohne je in den<lb/> knarrenden Baß zu fallen, der uns oft ſo unan-<lb/> genehm ſtoͤrt, war ſein Ton in der Tiefe wie<lb/> Metall klingend, konnte in verhaltener Wuth<lb/> wie Donner rollen, und in losgelaſſener Leiden-<lb/> ſchaft mit dem Loͤwen bruͤllen. Der Tragiker<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [507/0517]
Zweite Abtheilung.
zu, und dieſe Poeſie und Begeiſterung ſchufen,
ihn tief bewegend, durch ihn ſo große und erha-
bene Dinge, wie wir ſchwerlich je wieder ſehen
werden. Hauptſaͤchlich ſpreche ich hier von ſei-
ner fruͤheren Zeit, denn ſo groß er bis zum
Tode blieb, mußte doch ſpaͤterhin vieles von
dieſem idealiſchen Glanze verloren gehn. Er
war ſchlank, nicht groß, aber vom ſchoͤnſten
Ebenmaaß, hatte braune Augen, deren Feuer
durch Sanftheit gemildert war, ſein gezogene
Brauen, edle Stirn und Naſe, ſein Kopf hatte
in der Jugend Aehnlichkeit mit dem Apollo: in
den Rollen eines Eſſer, Tancred (nach der al-
ten Ueberſetzung), Ethelwolf (nach Fletcher)
war er bezaubernd, am meiſten als Infant
Pedro in Ines de Caſtro, der, wie das ganze
Stuͤck, ſehr ſchwach und ſchlecht geſchrieben
iſt, von ihm geſprochen aber jedes Wort wie
die Begeiſterung des edelſten Dichters erklang.
Sein Organ war von der Reinheit der Glocke,
und ſo reich an vollen klaren Toͤnen in der Tiefe
wie in der Hoͤhe, daß nur derjenige mir glauben
wird, der ihn gekannt hat, denn wahres Floͤ-
tenlispeln ſtand ihm in der Zaͤrtlichkeit, Bitte
und Hingebung zu Gebot, und ohne je in den
knarrenden Baß zu fallen, der uns oft ſo unan-
genehm ſtoͤrt, war ſein Ton in der Tiefe wie
Metall klingend, konnte in verhaltener Wuth
wie Donner rollen, und in losgelaſſener Leiden-
ſchaft mit dem Loͤwen bruͤllen. Der Tragiker
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