Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Der vor'ge Eigner hier auf Steinen ruht,
Sein scheuer Knecht ihm nicht ein Lager Stroh,
Nicht einen Tropfen Weins den Gaum zu netzen,
In felsenharter Grausamkeit vergönnt.
Zu gräßlich rächst Du es, Du rother Sklav,
Zu wild, daß ich Dich nicht bezähmen konnte. --
Und darf ich klagen? Sah ich wohl, geblendet,
Die Noth der Millionen, meiner Brüder,
Die ohne Schuld im härtsten Elend büßen?
Ein Gottesbote konnt' ich ihnen seyn,
Mit einem Wink Durst, Hunger, Krankheit, Angst,
Vom Lager scheuchen, daß Hoffen, Freude, Glauben,
Auf Himmelsleitern ihnen niederstiegen.
Ich sah nur mich, der Eitelkeit Gespenster,
Sie flatterten mit irrem Flügelschlage
Um Haupt und Busen; lacht ich doch und scherzte --
Ja, schon als beßre Kraft in mir gerungen,
Sah ich nicht lüstern noch zur Königinn,
Und spiegelte mich gern im Schmeichlertraum?
Und als die kind'sche Dorothea mir
Entgegen lachte und den stumpfen Mann
Verhöhnte, winkt' ich ihr nicht schadenfroh,
Mein schwaches Herz dem Schlamm gern unter-
tauchend.
Theodor.. vortretend.
Wie gehts, mein Freund?
Andalosia.
Ach, bester Theodor,
Kommt ihr zu der trübseligen Behausung?
Mich zu erlösen? Helft mir aus den Mauern,
Daß ich in Gottes freier Luft doch sterbe:
Die Ketten haben Arm und Bein zerrieben,
Die Wunden schmerzen, alle Kraft ist hin.

Zweite Abtheilung.
Der vor'ge Eigner hier auf Steinen ruht,
Sein ſcheuer Knecht ihm nicht ein Lager Stroh,
Nicht einen Tropfen Weins den Gaum zu netzen,
In felſenharter Grauſamkeit vergoͤnnt.
Zu graͤßlich raͤchſt Du es, Du rother Sklav,
Zu wild, daß ich Dich nicht bezaͤhmen konnte. —
Und darf ich klagen? Sah ich wohl, geblendet,
Die Noth der Millionen, meiner Bruͤder,
Die ohne Schuld im haͤrtſten Elend buͤßen?
Ein Gottesbote konnt' ich ihnen ſeyn,
Mit einem Wink Durſt, Hunger, Krankheit, Angſt,
Vom Lager ſcheuchen, daß Hoffen, Freude, Glauben,
Auf Himmelsleitern ihnen niederſtiegen.
Ich ſah nur mich, der Eitelkeit Geſpenſter,
Sie flatterten mit irrem Fluͤgelſchlage
Um Haupt und Buſen; lacht ich doch und ſcherzte —
Ja, ſchon als beßre Kraft in mir gerungen,
Sah ich nicht luͤſtern noch zur Koͤniginn,
Und ſpiegelte mich gern im Schmeichlertraum?
Und als die kind'ſche Dorothea mir
Entgegen lachte und den ſtumpfen Mann
Verhoͤhnte, winkt' ich ihr nicht ſchadenfroh,
Mein ſchwaches Herz dem Schlamm gern unter-
tauchend.
Theodor.. vortretend.
Wie gehts, mein Freund?
Andaloſia.
Ach, beſter Theodor,
Kommt ihr zu der truͤbſeligen Behauſung?
Mich zu erloͤſen? Helft mir aus den Mauern,
Daß ich in Gottes freier Luft doch ſterbe:
Die Ketten haben Arm und Bein zerrieben,
Die Wunden ſchmerzen, alle Kraft iſt hin.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#Andalo&#x017F;ia">
                <p><pb facs="#f0500" n="490"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Der vor'ge Eigner hier auf Steinen ruht,<lb/>
Sein &#x017F;cheuer Knecht ihm nicht ein Lager Stroh,<lb/>
Nicht einen Tropfen Weins den Gaum zu netzen,<lb/>
In fel&#x017F;enharter Grau&#x017F;amkeit vergo&#x0364;nnt.<lb/>
Zu gra&#x0364;ßlich ra&#x0364;ch&#x017F;t Du es, Du rother Sklav,<lb/>
Zu wild, daß ich Dich nicht beza&#x0364;hmen konnte. &#x2014;<lb/>
Und darf ich klagen? Sah ich wohl, geblendet,<lb/>
Die Noth der Millionen, meiner Bru&#x0364;der,<lb/>
Die ohne Schuld im ha&#x0364;rt&#x017F;ten Elend bu&#x0364;ßen?<lb/>
Ein Gottesbote konnt' ich ihnen &#x017F;eyn,<lb/>
Mit einem Wink Dur&#x017F;t, Hunger, Krankheit, Ang&#x017F;t,<lb/>
Vom Lager &#x017F;cheuchen, daß Hoffen, Freude, Glauben,<lb/>
Auf Himmelsleitern ihnen nieder&#x017F;tiegen.<lb/>
Ich &#x017F;ah nur mich, der Eitelkeit Ge&#x017F;pen&#x017F;ter,<lb/>
Sie flatterten mit irrem Flu&#x0364;gel&#x017F;chlage<lb/>
Um Haupt und Bu&#x017F;en; lacht ich doch und &#x017F;cherzte &#x2014;<lb/>
Ja, &#x017F;chon als beßre Kraft in mir gerungen,<lb/>
Sah ich nicht lu&#x0364;&#x017F;tern noch zur Ko&#x0364;niginn,<lb/>
Und &#x017F;piegelte mich gern im Schmeichlertraum?<lb/>
Und als die kind'&#x017F;che Dorothea mir<lb/>
Entgegen lachte und den &#x017F;tumpfen Mann<lb/>
Verho&#x0364;hnte, winkt' ich ihr nicht &#x017F;chadenfroh,<lb/>
Mein &#x017F;chwaches Herz dem Schlamm gern unter-<lb/><hi rendition="#et">tauchend.</hi></p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#THEO">
                <speaker><hi rendition="#g">Theodor</hi>..</speaker>
                <stage>vortretend.</stage><lb/>
                <p>Wie gehts, mein Freund?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Andalo&#x017F;ia">
                <speaker><hi rendition="#g">Andalo&#x017F;ia</hi>.</speaker><lb/>
                <p><hi rendition="#et">Ach, be&#x017F;ter Theodor,</hi><lb/>
Kommt ihr zu der tru&#x0364;b&#x017F;eligen Behau&#x017F;ung?<lb/>
Mich zu erlo&#x0364;&#x017F;en? Helft mir aus den Mauern,<lb/>
Daß ich in Gottes freier Luft doch &#x017F;terbe:<lb/>
Die Ketten haben Arm und Bein zerrieben,<lb/>
Die Wunden &#x017F;chmerzen, alle Kraft i&#x017F;t hin.</p>
              </sp><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0500] Zweite Abtheilung. Der vor'ge Eigner hier auf Steinen ruht, Sein ſcheuer Knecht ihm nicht ein Lager Stroh, Nicht einen Tropfen Weins den Gaum zu netzen, In felſenharter Grauſamkeit vergoͤnnt. Zu graͤßlich raͤchſt Du es, Du rother Sklav, Zu wild, daß ich Dich nicht bezaͤhmen konnte. — Und darf ich klagen? Sah ich wohl, geblendet, Die Noth der Millionen, meiner Bruͤder, Die ohne Schuld im haͤrtſten Elend buͤßen? Ein Gottesbote konnt' ich ihnen ſeyn, Mit einem Wink Durſt, Hunger, Krankheit, Angſt, Vom Lager ſcheuchen, daß Hoffen, Freude, Glauben, Auf Himmelsleitern ihnen niederſtiegen. Ich ſah nur mich, der Eitelkeit Geſpenſter, Sie flatterten mit irrem Fluͤgelſchlage Um Haupt und Buſen; lacht ich doch und ſcherzte — Ja, ſchon als beßre Kraft in mir gerungen, Sah ich nicht luͤſtern noch zur Koͤniginn, Und ſpiegelte mich gern im Schmeichlertraum? Und als die kind'ſche Dorothea mir Entgegen lachte und den ſtumpfen Mann Verhoͤhnte, winkt' ich ihr nicht ſchadenfroh, Mein ſchwaches Herz dem Schlamm gern unter- tauchend. Theodor.. vortretend. Wie gehts, mein Freund? Andaloſia. Ach, beſter Theodor, Kommt ihr zu der truͤbſeligen Behauſung? Mich zu erloͤſen? Helft mir aus den Mauern, Daß ich in Gottes freier Luft doch ſterbe: Die Ketten haben Arm und Bein zerrieben, Die Wunden ſchmerzen, alle Kraft iſt hin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/500
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/500>, abgerufen am 22.11.2024.