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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
Frau, der Herr Leibarzt ist völlig in Ungnade
gefallen.
Frau. So?
Flint. Ein großes Evenement. Herr Theo-
dor ist sehr krank, ich mußte ihn heut Morgen im
Bett rasiren, den Kopf ganz in Kissen eingehüllt,
und er seufzte recht schwer; man sagt, daß er sich
den Verlust seines Bedienten Dietrich (unser Ge-
vatter, Frau) so zu Gemüth gezogen hat. Ja,
der Mensch ist doch verschwunden, keine Seele
weiß, wie: sie sagen, und das hat Wahrscheinlich-
keit, die französische Gesandtschaft habe ihn aufge-
fangen, um hinter einige Staatsgeheimnisse zu
kommen. Herr Raimund, der Goldkoch, ist nun
Factotum am Hofe, er wird erster Minister wer-
den, der Grillenfänger.
Frau. Mann, schweig, Du redest Dich noch
einmal um den Kopf.
Flint. Je was, wir leben in einem freien
Lande, ich werde mein Pfund nicht vergraben. Es
sind sechs Gesandte und dreizehn junge Prinzen
aus allen Gegenden von Europa angekommen, die
alle unsre Prinzeß heirathen wollen, das große
Heirathsgut sticht ihnen in die Augen. -- Du da,
die Kräuseleisen an den rechten Ort gelegt! -- O
ich weiß alles, alles, beim Rasiren, wenn den
Staatsmännern das Messer an der Kehle sitzt,
und man ihnen dann recht um den Bart zu
gehen versteht, sagen sie alles. Mir sind die inner-
sten Falten des Kabinets kein Geheimniß.

Ein Laufer kömmt eilig.
Laufer. Schnell, schnell an den Hof, Mei-
Zweite Abtheilung.
Frau, der Herr Leibarzt iſt voͤllig in Ungnade
gefallen.
Frau. So?
Flint. Ein großes Evenement. Herr Theo-
dor iſt ſehr krank, ich mußte ihn heut Morgen im
Bett raſiren, den Kopf ganz in Kiſſen eingehuͤllt,
und er ſeufzte recht ſchwer; man ſagt, daß er ſich
den Verluſt ſeines Bedienten Dietrich (unſer Ge-
vatter, Frau) ſo zu Gemuͤth gezogen hat. Ja,
der Menſch iſt doch verſchwunden, keine Seele
weiß, wie: ſie ſagen, und das hat Wahrſcheinlich-
keit, die franzoͤſiſche Geſandtſchaft habe ihn aufge-
fangen, um hinter einige Staatsgeheimniſſe zu
kommen. Herr Raimund, der Goldkoch, iſt nun
Factotum am Hofe, er wird erſter Miniſter wer-
den, der Grillenfaͤnger.
Frau. Mann, ſchweig, Du redeſt Dich noch
einmal um den Kopf.
Flint. Je was, wir leben in einem freien
Lande, ich werde mein Pfund nicht vergraben. Es
ſind ſechs Geſandte und dreizehn junge Prinzen
aus allen Gegenden von Europa angekommen, die
alle unſre Prinzeß heirathen wollen, das große
Heirathsgut ſticht ihnen in die Augen. — Du da,
die Kraͤuſeleiſen an den rechten Ort gelegt! — O
ich weiß alles, alles, beim Raſiren, wenn den
Staatsmaͤnnern das Meſſer an der Kehle ſitzt,
und man ihnen dann recht um den Bart zu
gehen verſteht, ſagen ſie alles. Mir ſind die inner-
ſten Falten des Kabinets kein Geheimniß.

Ein Laufer koͤmmt eilig.
Laufer. Schnell, ſchnell an den Hof, Mei-
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[398/0408] Zweite Abtheilung. Frau, der Herr Leibarzt iſt voͤllig in Ungnade gefallen. Frau. So? Flint. Ein großes Evenement. Herr Theo- dor iſt ſehr krank, ich mußte ihn heut Morgen im Bett raſiren, den Kopf ganz in Kiſſen eingehuͤllt, und er ſeufzte recht ſchwer; man ſagt, daß er ſich den Verluſt ſeines Bedienten Dietrich (unſer Ge- vatter, Frau) ſo zu Gemuͤth gezogen hat. Ja, der Menſch iſt doch verſchwunden, keine Seele weiß, wie: ſie ſagen, und das hat Wahrſcheinlich- keit, die franzoͤſiſche Geſandtſchaft habe ihn aufge- fangen, um hinter einige Staatsgeheimniſſe zu kommen. Herr Raimund, der Goldkoch, iſt nun Factotum am Hofe, er wird erſter Miniſter wer- den, der Grillenfaͤnger. Frau. Mann, ſchweig, Du redeſt Dich noch einmal um den Kopf. Flint. Je was, wir leben in einem freien Lande, ich werde mein Pfund nicht vergraben. Es ſind ſechs Geſandte und dreizehn junge Prinzen aus allen Gegenden von Europa angekommen, die alle unſre Prinzeß heirathen wollen, das große Heirathsgut ſticht ihnen in die Augen. — Du da, die Kraͤuſeleiſen an den rechten Ort gelegt! — O ich weiß alles, alles, beim Raſiren, wenn den Staatsmaͤnnern das Meſſer an der Kehle ſitzt, und man ihnen dann recht um den Bart zu gehen verſteht, ſagen ſie alles. Mir ſind die inner- ſten Falten des Kabinets kein Geheimniß. Ein Laufer koͤmmt eilig. Laufer. Schnell, ſchnell an den Hof, Mei-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/408>, abgerufen am 30.11.2024.