Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
Und ohne schwere Cur, ein sichres Mittel
Zu der Prinzessinn völligen Genesung
Nach reifem Sinnen, Herr, entdeckt zu haben.
König.
Sprecht frei, es soll kein Mensch Euch darum schelten.
Leibarzt.
Mein König, werthe Herrn, es ist bekannt,
Daß viele Uebel epidemisch sind,
Daß einer sie vom anderen empfängt;
Noch andre erben auf die Kinder fort,
Ja selbst der Fall ist öfter vorgekommen,
Daß von des Vaters Weh sein Erbe frei,
Im zweiten Glied der Enkel es empfängt.
Im Kind entwickelt sich der Eltern Geist,
In ihm kommt oft ein schwach Talent zur Reife,
In ihm wird auch das Uebel offenbar,
Ein scharfer Blick sieht den Zusammenhang.
Wir wissen jetzt, daß unser Schädel jede
Anlage zeigt, durch klein' und größre Hügel:
Betrachten Sie genau Herrn Raimunds Kopf,
Den spitzen Schädel, der Theosophie
Und Schwärmerei verräth, besitzt er nicht,
Doch ist der Mann von Schwärmerei durchdrungen:
Das Haupt der Majestät ist oben flach,
Und doch ist sie zur Schwärmerei verleitet;
Was ihm entgeht, hat an der Tochter Kopf
Sich hoch erst und dann höher stets gebildet,
Des Vaters Wunderglaub' im Uebermaaß,
Im Wachsen endlich sich als Horn gestaltet;
Auch von Herrn Raimund ist es sympathetisch
Hinüber täuschend auf sie abgesprungen,
Und wie sich die Extreme stets berühren
Zweite Abtheilung.
Und ohne ſchwere Cur, ein ſichres Mittel
Zu der Prinzeſſinn voͤlligen Geneſung
Nach reifem Sinnen, Herr, entdeckt zu haben.
Koͤnig.
Sprecht frei, es ſoll kein Menſch Euch darum ſchelten.
Leibarzt.
Mein Koͤnig, werthe Herrn, es iſt bekannt,
Daß viele Uebel epidemiſch ſind,
Daß einer ſie vom anderen empfaͤngt;
Noch andre erben auf die Kinder fort,
Ja ſelbſt der Fall iſt oͤfter vorgekommen,
Daß von des Vaters Weh ſein Erbe frei,
Im zweiten Glied der Enkel es empfaͤngt.
Im Kind entwickelt ſich der Eltern Geiſt,
In ihm kommt oft ein ſchwach Talent zur Reife,
In ihm wird auch das Uebel offenbar,
Ein ſcharfer Blick ſieht den Zuſammenhang.
Wir wiſſen jetzt, daß unſer Schaͤdel jede
Anlage zeigt, durch klein' und groͤßre Huͤgel:
Betrachten Sie genau Herrn Raimunds Kopf,
Den ſpitzen Schaͤdel, der Theoſophie
Und Schwaͤrmerei verraͤth, beſitzt er nicht,
Doch iſt der Mann von Schwaͤrmerei durchdrungen:
Das Haupt der Majeſtaͤt iſt oben flach,
Und doch iſt ſie zur Schwaͤrmerei verleitet;
Was ihm entgeht, hat an der Tochter Kopf
Sich hoch erſt und dann hoͤher ſtets gebildet,
Des Vaters Wunderglaub' im Uebermaaß,
Im Wachſen endlich ſich als Horn geſtaltet;
Auch von Herrn Raimund iſt es ſympathetiſch
Hinuͤber taͤuſchend auf ſie abgeſprungen,
Und wie ſich die Extreme ſtets beruͤhren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#Leibarzt">
                <p><pb facs="#f0404" n="394"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
Und ohne &#x017F;chwere Cur, ein &#x017F;ichres Mittel<lb/>
Zu der Prinze&#x017F;&#x017F;inn vo&#x0364;lligen Gene&#x017F;ung<lb/>
Nach reifem Sinnen, Herr, entdeckt zu haben.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Ko&#x0364;nig">
                <speaker><hi rendition="#g">Ko&#x0364;nig</hi>.</speaker><lb/>
                <p>Sprecht frei, es &#x017F;oll kein Men&#x017F;ch Euch darum &#x017F;chelten.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Leibarzt">
                <speaker><hi rendition="#g">Leibarzt</hi>.</speaker><lb/>
                <p>Mein Ko&#x0364;nig, werthe Herrn, es i&#x017F;t bekannt,<lb/>
Daß viele Uebel epidemi&#x017F;ch &#x017F;ind,<lb/>
Daß einer &#x017F;ie vom anderen empfa&#x0364;ngt;<lb/>
Noch andre erben auf die Kinder fort,<lb/>
Ja &#x017F;elb&#x017F;t der Fall i&#x017F;t o&#x0364;fter vorgekommen,<lb/>
Daß von des Vaters Weh &#x017F;ein Erbe frei,<lb/>
Im zweiten Glied der Enkel es empfa&#x0364;ngt.<lb/>
Im Kind entwickelt &#x017F;ich der Eltern Gei&#x017F;t,<lb/>
In ihm kommt oft ein &#x017F;chwach Talent zur Reife,<lb/>
In ihm wird auch das Uebel offenbar,<lb/>
Ein &#x017F;charfer Blick &#x017F;ieht den Zu&#x017F;ammenhang.<lb/>
Wir wi&#x017F;&#x017F;en jetzt, daß un&#x017F;er Scha&#x0364;del jede<lb/>
Anlage zeigt, durch klein' und gro&#x0364;ßre Hu&#x0364;gel:<lb/>
Betrachten Sie genau Herrn Raimunds Kopf,<lb/>
Den &#x017F;pitzen Scha&#x0364;del, der Theo&#x017F;ophie<lb/>
Und Schwa&#x0364;rmerei verra&#x0364;th, be&#x017F;itzt er nicht,<lb/>
Doch i&#x017F;t der Mann von Schwa&#x0364;rmerei durchdrungen:<lb/>
Das Haupt der Maje&#x017F;ta&#x0364;t i&#x017F;t oben flach,<lb/>
Und doch i&#x017F;t &#x017F;ie zur Schwa&#x0364;rmerei verleitet;<lb/>
Was ihm entgeht, hat an der Tochter Kopf<lb/>
Sich hoch er&#x017F;t und dann ho&#x0364;her &#x017F;tets gebildet,<lb/>
Des Vaters Wunderglaub' im Uebermaaß,<lb/>
Im Wach&#x017F;en endlich &#x017F;ich als Horn ge&#x017F;taltet;<lb/>
Auch von Herrn Raimund i&#x017F;t es &#x017F;ympatheti&#x017F;ch<lb/>
Hinu&#x0364;ber ta&#x0364;u&#x017F;chend auf &#x017F;ie abge&#x017F;prungen,<lb/>
Und wie &#x017F;ich die Extreme &#x017F;tets beru&#x0364;hren<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0404] Zweite Abtheilung. Und ohne ſchwere Cur, ein ſichres Mittel Zu der Prinzeſſinn voͤlligen Geneſung Nach reifem Sinnen, Herr, entdeckt zu haben. Koͤnig. Sprecht frei, es ſoll kein Menſch Euch darum ſchelten. Leibarzt. Mein Koͤnig, werthe Herrn, es iſt bekannt, Daß viele Uebel epidemiſch ſind, Daß einer ſie vom anderen empfaͤngt; Noch andre erben auf die Kinder fort, Ja ſelbſt der Fall iſt oͤfter vorgekommen, Daß von des Vaters Weh ſein Erbe frei, Im zweiten Glied der Enkel es empfaͤngt. Im Kind entwickelt ſich der Eltern Geiſt, In ihm kommt oft ein ſchwach Talent zur Reife, In ihm wird auch das Uebel offenbar, Ein ſcharfer Blick ſieht den Zuſammenhang. Wir wiſſen jetzt, daß unſer Schaͤdel jede Anlage zeigt, durch klein' und groͤßre Huͤgel: Betrachten Sie genau Herrn Raimunds Kopf, Den ſpitzen Schaͤdel, der Theoſophie Und Schwaͤrmerei verraͤth, beſitzt er nicht, Doch iſt der Mann von Schwaͤrmerei durchdrungen: Das Haupt der Majeſtaͤt iſt oben flach, Und doch iſt ſie zur Schwaͤrmerei verleitet; Was ihm entgeht, hat an der Tochter Kopf Sich hoch erſt und dann hoͤher ſtets gebildet, Des Vaters Wunderglaub' im Uebermaaß, Im Wachſen endlich ſich als Horn geſtaltet; Auch von Herrn Raimund iſt es ſympathetiſch Hinuͤber taͤuſchend auf ſie abgeſprungen, Und wie ſich die Extreme ſtets beruͤhren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/404
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/404>, abgerufen am 23.11.2024.