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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
nicht den ersten Goldhaufen wie einen Gott in mei-
nem Hause? Kniete ich nicht vor dem Glanz?
Schloß ich ihn nicht in mein innerstes Herz? Kann
ein Mensch Geschwister, Verwandte, Freunde sa-
gen, daß ich ihn seitdem geachtet und geliebt? Hat
noch ein andres Gut der Erde meine Seele an sich
gezogen? Nein, ganz und ausschließend ergab ich
mich diesem; er war mein Herr, ich sein Knecht.
Aber hat dieser Herr mich, so treu ich ihm war,
gütig behandelt? Half es mir, daß ich vor ihm
kniete und ihn anbetete? Nein er gönnte mir keine
Ruhe in der Nacht, keine Freude am Tage, ja kei-
nen Bissen Brod; seht selbst, wie ich zum Gerippe
geworden bin. Nun hab' ich nicht Frau, noch Kin-
der, keine Geschwister, noch Verwandte, nicht
Freunde und Theilnehmende, und dieses Geld selbst
quält und martert mich, und ist mein Verfolger,
so sehr ich es auch liebe.
1.Rath. Es scheint, Bester, Sie haben kei-
nen guten Gebrauch von den Reichthümern gemacht
die Ihnen das Schicksal gönnen wollte; nach Ihrer
eignen Beschreibung sind Sie äußerst geizig, und
dafür kann dann freilich die gute Göttinn nicht.
2.Rath. Wenn Sie aber mit Wohlhaben-
heit so gesegnet sind, wie Sie selbst sagen, so könn-
ten sie viel für das Vaterland und diese unsre gute
Stadt in ihren Bedrängnissen thun, wenn sie zu
billigen oder gar keinen Zinsen ein Capital uns an-
vertrauen wollten.
3.Kläger. Ist das das Ende vom Liede? Ich
Zweite Abtheilung.
nicht den erſten Goldhaufen wie einen Gott in mei-
nem Hauſe? Kniete ich nicht vor dem Glanz?
Schloß ich ihn nicht in mein innerſtes Herz? Kann
ein Menſch Geſchwiſter, Verwandte, Freunde ſa-
gen, daß ich ihn ſeitdem geachtet und geliebt? Hat
noch ein andres Gut der Erde meine Seele an ſich
gezogen? Nein, ganz und ausſchließend ergab ich
mich dieſem; er war mein Herr, ich ſein Knecht.
Aber hat dieſer Herr mich, ſo treu ich ihm war,
guͤtig behandelt? Half es mir, daß ich vor ihm
kniete und ihn anbetete? Nein er goͤnnte mir keine
Ruhe in der Nacht, keine Freude am Tage, ja kei-
nen Biſſen Brod; ſeht ſelbſt, wie ich zum Gerippe
geworden bin. Nun hab' ich nicht Frau, noch Kin-
der, keine Geſchwiſter, noch Verwandte, nicht
Freunde und Theilnehmende, und dieſes Geld ſelbſt
quaͤlt und martert mich, und iſt mein Verfolger,
ſo ſehr ich es auch liebe.
1.Rath. Es ſcheint, Beſter, Sie haben kei-
nen guten Gebrauch von den Reichthuͤmern gemacht
die Ihnen das Schickſal goͤnnen wollte; nach Ihrer
eignen Beſchreibung ſind Sie aͤußerſt geizig, und
dafuͤr kann dann freilich die gute Goͤttinn nicht.
2.Rath. Wenn Sie aber mit Wohlhaben-
heit ſo geſegnet ſind, wie Sie ſelbſt ſagen, ſo koͤnn-
ten ſie viel fuͤr das Vaterland und dieſe unſre gute
Stadt in ihren Bedraͤngniſſen thun, wenn ſie zu
billigen oder gar keinen Zinſen ein Capital uns an-
vertrauen wollten.
3.Klaͤger. Iſt das das Ende vom Liede? Ich
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[258/0268] Zweite Abtheilung. nicht den erſten Goldhaufen wie einen Gott in mei- nem Hauſe? Kniete ich nicht vor dem Glanz? Schloß ich ihn nicht in mein innerſtes Herz? Kann ein Menſch Geſchwiſter, Verwandte, Freunde ſa- gen, daß ich ihn ſeitdem geachtet und geliebt? Hat noch ein andres Gut der Erde meine Seele an ſich gezogen? Nein, ganz und ausſchließend ergab ich mich dieſem; er war mein Herr, ich ſein Knecht. Aber hat dieſer Herr mich, ſo treu ich ihm war, guͤtig behandelt? Half es mir, daß ich vor ihm kniete und ihn anbetete? Nein er goͤnnte mir keine Ruhe in der Nacht, keine Freude am Tage, ja kei- nen Biſſen Brod; ſeht ſelbſt, wie ich zum Gerippe geworden bin. Nun hab' ich nicht Frau, noch Kin- der, keine Geſchwiſter, noch Verwandte, nicht Freunde und Theilnehmende, und dieſes Geld ſelbſt quaͤlt und martert mich, und iſt mein Verfolger, ſo ſehr ich es auch liebe. 1.Rath. Es ſcheint, Beſter, Sie haben kei- nen guten Gebrauch von den Reichthuͤmern gemacht die Ihnen das Schickſal goͤnnen wollte; nach Ihrer eignen Beſchreibung ſind Sie aͤußerſt geizig, und dafuͤr kann dann freilich die gute Goͤttinn nicht. 2.Rath. Wenn Sie aber mit Wohlhaben- heit ſo geſegnet ſind, wie Sie ſelbſt ſagen, ſo koͤnn- ten ſie viel fuͤr das Vaterland und dieſe unſre gute Stadt in ihren Bedraͤngniſſen thun, wenn ſie zu billigen oder gar keinen Zinſen ein Capital uns an- vertrauen wollten. 3.Klaͤger. Iſt das das Ende vom Liede? Ich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/268>, abgerufen am 18.05.2024.