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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
und Zweifler, ging alle Narrheiten durch, und
kommt nun, da ihm das Rädlein im Kopf abgelaufen
ist, und sagt der, Zufall habe gethan, was er
allein verschuldet hat.
Fortuna. Eigendünkel hat ihn verleitet, die
Mäßigkeit zu verachten, die auch im Sinnen und
Dichten nur die rechte Bahn findet; aus Hoch-
muth hat er selbst die Spiegel in seinem Innern zer-
schlagen, in denen er das Verhältniß der Welt und
sich selbst betrachten konnte, was seine Sünde ge-
than, soll ich büßen, die ich ihn mit Wohlthaten
überschüttet habe.
1.Rath. Diese Untersuchung gehört nicht
vor unser Forum, hier mangeln die Thatsachen,
dies psychologische Problem muß auf andre Art
aufgelöst werden.
2.Rath. Ist der Herr Weltweise denn wirk-
lich toll und unbrauchbar geworden? Kann er
keine Vorlesungen mehr halten? Schreibt er nicht
mehr?
Diener. Ganz ruinirt ist er, manchmal ra-
send, immer dumm: also zu gar nichts mehr zu
brauchen.
Sekretär. Sehr merkwürdig, daß sich der
Geist, oder so zu sagen die inwendigen Springfe-
dern und Ressorts so anstrengen können, daß sie
vor zu gespannter Elasticität diese ganz verlieren.
Sie sind also jetzt ohne alle Einsichten, Herr Phi-
losoph?
2.Kläger. Dummkopf! Ich ohne Einsich-
ten? Ich, der tiefsinnigste der Menschen?
Sekretär. Warum klagen Sie denn also?
2.Kläger. Weil, -- weil, -- Bester, wer
sitzt
Zweite Abtheilung.
und Zweifler, ging alle Narrheiten durch, und
kommt nun, da ihm das Raͤdlein im Kopf abgelaufen
iſt, und ſagt der, Zufall habe gethan, was er
allein verſchuldet hat.
Fortuna. Eigenduͤnkel hat ihn verleitet, die
Maͤßigkeit zu verachten, die auch im Sinnen und
Dichten nur die rechte Bahn findet; aus Hoch-
muth hat er ſelbſt die Spiegel in ſeinem Innern zer-
ſchlagen, in denen er das Verhaͤltniß der Welt und
ſich ſelbſt betrachten konnte, was ſeine Suͤnde ge-
than, ſoll ich buͤßen, die ich ihn mit Wohlthaten
uͤberſchuͤttet habe.
1.Rath. Dieſe Unterſuchung gehoͤrt nicht
vor unſer Forum, hier mangeln die Thatſachen,
dies pſychologiſche Problem muß auf andre Art
aufgeloͤſt werden.
2.Rath. Iſt der Herr Weltweiſe denn wirk-
lich toll und unbrauchbar geworden? Kann er
keine Vorleſungen mehr halten? Schreibt er nicht
mehr?
Diener. Ganz ruinirt iſt er, manchmal ra-
ſend, immer dumm: alſo zu gar nichts mehr zu
brauchen.
Sekretaͤr. Sehr merkwuͤrdig, daß ſich der
Geiſt, oder ſo zu ſagen die inwendigen Springfe-
dern und Reſſorts ſo anſtrengen koͤnnen, daß ſie
vor zu geſpannter Elaſticitaͤt dieſe ganz verlieren.
Sie ſind alſo jetzt ohne alle Einſichten, Herr Phi-
loſoph?
2.Klaͤger. Dummkopf! Ich ohne Einſich-
ten? Ich, der tiefſinnigſte der Menſchen?
Sekretaͤr. Warum klagen Sie denn alſo?
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ſitzt
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[256/0266] Zweite Abtheilung. und Zweifler, ging alle Narrheiten durch, und kommt nun, da ihm das Raͤdlein im Kopf abgelaufen iſt, und ſagt der, Zufall habe gethan, was er allein verſchuldet hat. Fortuna. Eigenduͤnkel hat ihn verleitet, die Maͤßigkeit zu verachten, die auch im Sinnen und Dichten nur die rechte Bahn findet; aus Hoch- muth hat er ſelbſt die Spiegel in ſeinem Innern zer- ſchlagen, in denen er das Verhaͤltniß der Welt und ſich ſelbſt betrachten konnte, was ſeine Suͤnde ge- than, ſoll ich buͤßen, die ich ihn mit Wohlthaten uͤberſchuͤttet habe. 1.Rath. Dieſe Unterſuchung gehoͤrt nicht vor unſer Forum, hier mangeln die Thatſachen, dies pſychologiſche Problem muß auf andre Art aufgeloͤſt werden. 2.Rath. Iſt der Herr Weltweiſe denn wirk- lich toll und unbrauchbar geworden? Kann er keine Vorleſungen mehr halten? Schreibt er nicht mehr? Diener. Ganz ruinirt iſt er, manchmal ra- ſend, immer dumm: alſo zu gar nichts mehr zu brauchen. Sekretaͤr. Sehr merkwuͤrdig, daß ſich der Geiſt, oder ſo zu ſagen die inwendigen Springfe- dern und Reſſorts ſo anſtrengen koͤnnen, daß ſie vor zu geſpannter Elaſticitaͤt dieſe ganz verlieren. Sie ſind alſo jetzt ohne alle Einſichten, Herr Phi- loſoph? 2.Klaͤger. Dummkopf! Ich ohne Einſich- ten? Ich, der tiefſinnigſte der Menſchen? Sekretaͤr. Warum klagen Sie denn alſo? 2.Klaͤger. Weil, — weil, — Beſter, wer ſitzt

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/266>, abgerufen am 18.05.2024.