Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Dich zu sehn. Aber Du kannst mich wohl vergessen,Du kannst ohne mich vergnügt seyn. Nun, so lebe wohl, Gefühllose, Du sollst mich nie wieder- sehn. Isidore. Nein, bleib, mein Liebster, bleib und höre: bleib und gieb mir einen herzlichen Kuß. -- So im Zorn darfst Du nicht von mir gehn. Wie kannst Du glauben, daß ich Dich weniger liebe? Alexis. Ich kann dies Leben nicht länger er- tragen, zu Hause nichts als Elend, ohne Freund und Hoffnung und Beistand, Dich soll ich nicht mehr sehn, was noch Sonne und Frühling in mei- nem dunkeln Gefängniß war, so muß ich wohl un- tergehn. Isidore. Aber, Liebchen, Du weißt es ja, daß es nur meine Eltern deshalb nicht wollen, daß Du unser Haus besuchst, weil wir uns doch nicht heirathen können, und weil die Nachbarn gar zu gern klatschen und alles ins Böse drehn, sonst ha- ben sie ja nichts gegen Dich, -- und ich, -- o Gott! daß ich an dich denken kann, ist mir ja Speise und Trank, wenn Du vorbeigehst ein hoher Festtag. Alexis. Wo sind sie denn, die Alten? Isidore. In die Messe gegangen. Alexis. Da wunderts mich, daß Du hast zu Hause bleiben dürfen, so fromm der Vater ist. Isidore. Ich -- (weint.) O laß mich, lieber Alexis. Alexis. Was ist Dir? Warum weinst Du? Zweite Abtheilung. Dich zu ſehn. Aber Du kannſt mich wohl vergeſſen,Du kannſt ohne mich vergnuͤgt ſeyn. Nun, ſo lebe wohl, Gefuͤhlloſe, Du ſollſt mich nie wieder- ſehn. Iſidore. Nein, bleib, mein Liebſter, bleib und hoͤre: bleib und gieb mir einen herzlichen Kuß. — So im Zorn darfſt Du nicht von mir gehn. Wie kannſt Du glauben, daß ich Dich weniger liebe? Alexis. Ich kann dies Leben nicht laͤnger er- tragen, zu Hauſe nichts als Elend, ohne Freund und Hoffnung und Beiſtand, Dich ſoll ich nicht mehr ſehn, was noch Sonne und Fruͤhling in mei- nem dunkeln Gefaͤngniß war, ſo muß ich wohl un- tergehn. Iſidore. Aber, Liebchen, Du weißt es ja, daß es nur meine Eltern deshalb nicht wollen, daß Du unſer Haus beſuchſt, weil wir uns doch nicht heirathen koͤnnen, und weil die Nachbarn gar zu gern klatſchen und alles ins Boͤſe drehn, ſonſt ha- ben ſie ja nichts gegen Dich, — und ich, — o Gott! daß ich an dich denken kann, iſt mir ja Speiſe und Trank, wenn Du vorbeigehſt ein hoher Feſttag. Alexis. Wo ſind ſie denn, die Alten? Iſidore. In die Meſſe gegangen. Alexis. Da wunderts mich, daß Du haſt zu Hauſe bleiben duͤrfen, ſo fromm der Vater iſt. Iſidore. Ich — (weint.) O laß mich, lieber Alexis. Alexis. Was iſt Dir? Warum weinſt Du? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Alexis"> <p><pb facs="#f0184" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Dich zu ſehn. Aber Du kannſt mich wohl vergeſſen,<lb/> Du kannſt ohne mich vergnuͤgt ſeyn. Nun, ſo<lb/> lebe wohl, Gefuͤhlloſe, Du ſollſt mich nie wieder-<lb/> ſehn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Iſidore"> <speaker><hi rendition="#g">Iſidore</hi>.</speaker> <p>Nein, bleib, mein Liebſter, bleib<lb/> und hoͤre: bleib und gieb mir einen herzlichen Kuß.<lb/> — So im Zorn darfſt Du nicht von mir gehn.<lb/> Wie kannſt Du glauben, daß ich Dich weniger<lb/> liebe?</p> </sp><lb/> <sp who="#Alexis"> <speaker><hi rendition="#g">Alexis</hi>.</speaker> <p>Ich kann dies Leben nicht laͤnger er-<lb/> tragen, zu Hauſe nichts als Elend, ohne Freund<lb/> und Hoffnung und Beiſtand, Dich ſoll ich nicht<lb/> mehr ſehn, was noch Sonne und Fruͤhling in mei-<lb/> nem dunkeln Gefaͤngniß war, ſo muß ich wohl un-<lb/> tergehn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Iſidore"> <speaker><hi rendition="#g">Iſidore</hi>.</speaker> <p>Aber, Liebchen, Du weißt es ja,<lb/> daß es nur meine Eltern deshalb nicht wollen, daß<lb/> Du unſer Haus beſuchſt, weil wir uns doch nicht<lb/> heirathen koͤnnen, und weil die Nachbarn gar zu<lb/> gern klatſchen und alles ins Boͤſe drehn, ſonſt ha-<lb/> ben ſie ja nichts gegen Dich, — und ich, — o<lb/> Gott! daß ich an dich denken kann, iſt mir ja<lb/> Speiſe und Trank, wenn Du vorbeigehſt ein hoher<lb/> Feſttag.</p> </sp><lb/> <sp who="#Alexis"> <speaker><hi rendition="#g">Alexis</hi>.</speaker> <p>Wo ſind ſie denn, die Alten?</p> </sp><lb/> <sp who="#Iſidore"> <speaker><hi rendition="#g">Iſidore</hi>.</speaker> <p>In die Meſſe gegangen.</p> </sp><lb/> <sp who="#Alexis"> <speaker><hi rendition="#g">Alexis</hi>.</speaker> <p>Da wunderts mich, daß Du haſt zu<lb/> Hauſe bleiben duͤrfen, ſo fromm der Vater iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#Iſidore"> <speaker><hi rendition="#g">Iſidore</hi>.</speaker> <p>Ich — <stage>(weint.)</stage> O laß mich, lieber<lb/> Alexis.</p> </sp><lb/> <sp who="#Alexis"> <speaker><hi rendition="#g">Alexis</hi>.</speaker> <p>Was iſt Dir? Warum weinſt Du?<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0184]
Zweite Abtheilung.
Dich zu ſehn. Aber Du kannſt mich wohl vergeſſen,
Du kannſt ohne mich vergnuͤgt ſeyn. Nun, ſo
lebe wohl, Gefuͤhlloſe, Du ſollſt mich nie wieder-
ſehn.
Iſidore. Nein, bleib, mein Liebſter, bleib
und hoͤre: bleib und gieb mir einen herzlichen Kuß.
— So im Zorn darfſt Du nicht von mir gehn.
Wie kannſt Du glauben, daß ich Dich weniger
liebe?
Alexis. Ich kann dies Leben nicht laͤnger er-
tragen, zu Hauſe nichts als Elend, ohne Freund
und Hoffnung und Beiſtand, Dich ſoll ich nicht
mehr ſehn, was noch Sonne und Fruͤhling in mei-
nem dunkeln Gefaͤngniß war, ſo muß ich wohl un-
tergehn.
Iſidore. Aber, Liebchen, Du weißt es ja,
daß es nur meine Eltern deshalb nicht wollen, daß
Du unſer Haus beſuchſt, weil wir uns doch nicht
heirathen koͤnnen, und weil die Nachbarn gar zu
gern klatſchen und alles ins Boͤſe drehn, ſonſt ha-
ben ſie ja nichts gegen Dich, — und ich, — o
Gott! daß ich an dich denken kann, iſt mir ja
Speiſe und Trank, wenn Du vorbeigehſt ein hoher
Feſttag.
Alexis. Wo ſind ſie denn, die Alten?
Iſidore. In die Meſſe gegangen.
Alexis. Da wunderts mich, daß Du haſt zu
Hauſe bleiben duͤrfen, ſo fromm der Vater iſt.
Iſidore. Ich — (weint.) O laß mich, lieber
Alexis.
Alexis. Was iſt Dir? Warum weinſt Du?
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