Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. nichts davon versteht, die müssen das hiesige ge-sunde Brunnenwasser mit einschlucken, so daß den Neulingen der Wein gewiß nicht schädlich wird. Wenn mir mein Herr nur nicht so vorarbeitete. Aber der sizt selbst tagelang im Keller, in chemi- schen Prozessen, und versucht die Verwandtschaft des Wassers zu den Weinen, der Gewaltsspitzbube! Daniel. Ist es denn wahr, daß er Türke, und vorher schon Christ gewesen ist? Adam. Er hat alle Religionen kursorisch durch- laufen. Er wird bei der Auferstehung viel Verwir- rung anrichten, denn man wird nicht gleich wis- sen, ob man den Kerl als Juden, Heiden, Tür- ken, oder Ketzer verdammen soll; er gehört in zu viele Rubriken. Ulrich. Das ist ein Halunke, der nicht nur die Gäste schindet, was mancher ehrliche Mann thut, sondern auch seine eigenen Leute. Jakob. Und zu betrügen sucht er uns bei jeder Gelegenheit, heftet uns falsches Geld auf, giebt uns die Auslagen nicht wieder, nimmt oft, wenn wir nicht gleich bei der Hand sind, das Trinkgeld nach sich, und sagt, die Gäste wären Hungerleider gewesen und hätten nichts gegeben, und solcher Kniffe mehr, in denen er unerschöpf- lich ist. Daniel. Arme Männer! Aber ihr scheert ihn doch rechtschaffen wieder? Adam. Lieber Mann, darinn braucht uns ge- wiß der größte Virtuos keine Stunden zu geben. Zweite Abtheilung. nichts davon verſteht, die muͤſſen das hieſige ge-ſunde Brunnenwaſſer mit einſchlucken, ſo daß den Neulingen der Wein gewiß nicht ſchaͤdlich wird. Wenn mir mein Herr nur nicht ſo vorarbeitete. Aber der ſizt ſelbſt tagelang im Keller, in chemi- ſchen Prozeſſen, und verſucht die Verwandtſchaft des Waſſers zu den Weinen, der Gewaltsſpitzbube! Daniel. Iſt es denn wahr, daß er Tuͤrke, und vorher ſchon Chriſt geweſen iſt? Adam. Er hat alle Religionen kurſoriſch durch- laufen. Er wird bei der Auferſtehung viel Verwir- rung anrichten, denn man wird nicht gleich wiſ- ſen, ob man den Kerl als Juden, Heiden, Tuͤr- ken, oder Ketzer verdammen ſoll; er gehoͤrt in zu viele Rubriken. Ulrich. Das iſt ein Halunke, der nicht nur die Gaͤſte ſchindet, was mancher ehrliche Mann thut, ſondern auch ſeine eigenen Leute. Jakob. Und zu betruͤgen ſucht er uns bei jeder Gelegenheit, heftet uns falſches Geld auf, giebt uns die Auslagen nicht wieder, nimmt oft, wenn wir nicht gleich bei der Hand ſind, das Trinkgeld nach ſich, und ſagt, die Gaͤſte waͤren Hungerleider geweſen und haͤtten nichts gegeben, und ſolcher Kniffe mehr, in denen er unerſchoͤpf- lich iſt. Daniel. Arme Maͤnner! Aber ihr ſcheert ihn doch rechtſchaffen wieder? Adam. Lieber Mann, darinn braucht uns ge- wiß der groͤßte Virtuos keine Stunden zu geben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Adam"> <p><pb facs="#f0176" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> nichts davon verſteht, die muͤſſen das hieſige ge-<lb/> ſunde Brunnenwaſſer mit einſchlucken, ſo daß den<lb/> Neulingen der Wein gewiß nicht ſchaͤdlich wird.<lb/> Wenn mir mein Herr nur nicht ſo vorarbeitete.<lb/> Aber der ſizt ſelbſt tagelang im Keller, in chemi-<lb/> ſchen Prozeſſen, und verſucht die Verwandtſchaft<lb/> des Waſſers zu den Weinen, der Gewaltsſpitzbube!</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Iſt es denn wahr, daß er Tuͤrke,<lb/> und vorher ſchon Chriſt geweſen iſt?</p> </sp><lb/> <sp who="#Adam"> <speaker><hi rendition="#g">Adam</hi>.</speaker> <p>Er hat alle Religionen kurſoriſch durch-<lb/> laufen. Er wird bei der Auferſtehung viel Verwir-<lb/> rung anrichten, denn man wird nicht gleich wiſ-<lb/> ſen, ob man den Kerl als Juden, Heiden, Tuͤr-<lb/> ken, oder Ketzer verdammen ſoll; er gehoͤrt in zu<lb/> viele Rubriken.</p> </sp><lb/> <sp who="#Ulrich"> <speaker><hi rendition="#g">Ulrich</hi>.</speaker> <p>Das iſt ein Halunke, der nicht nur<lb/> die Gaͤſte ſchindet, was mancher ehrliche Mann<lb/> thut, ſondern auch ſeine eigenen Leute.</p> </sp><lb/> <sp who="#Jakob"> <speaker><hi rendition="#g">Jakob</hi>.</speaker> <p>Und zu betruͤgen ſucht er uns bei<lb/> jeder Gelegenheit, heftet uns falſches Geld auf,<lb/> giebt uns die Auslagen nicht wieder, nimmt oft,<lb/> wenn wir nicht gleich bei der Hand ſind, das<lb/> Trinkgeld nach ſich, und ſagt, die Gaͤſte waͤren<lb/> Hungerleider geweſen und haͤtten nichts gegeben,<lb/> und ſolcher Kniffe mehr, in denen er unerſchoͤpf-<lb/> lich iſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Arme Maͤnner! Aber ihr ſcheert ihn<lb/> doch rechtſchaffen wieder?</p> </sp><lb/> <sp who="#Adam"> <speaker><hi rendition="#g">Adam</hi>.</speaker> <p>Lieber Mann, darinn braucht uns ge-<lb/> wiß der groͤßte Virtuos keine Stunden zu geben.<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0176]
Zweite Abtheilung.
nichts davon verſteht, die muͤſſen das hieſige ge-
ſunde Brunnenwaſſer mit einſchlucken, ſo daß den
Neulingen der Wein gewiß nicht ſchaͤdlich wird.
Wenn mir mein Herr nur nicht ſo vorarbeitete.
Aber der ſizt ſelbſt tagelang im Keller, in chemi-
ſchen Prozeſſen, und verſucht die Verwandtſchaft
des Waſſers zu den Weinen, der Gewaltsſpitzbube!
Daniel. Iſt es denn wahr, daß er Tuͤrke,
und vorher ſchon Chriſt geweſen iſt?
Adam. Er hat alle Religionen kurſoriſch durch-
laufen. Er wird bei der Auferſtehung viel Verwir-
rung anrichten, denn man wird nicht gleich wiſ-
ſen, ob man den Kerl als Juden, Heiden, Tuͤr-
ken, oder Ketzer verdammen ſoll; er gehoͤrt in zu
viele Rubriken.
Ulrich. Das iſt ein Halunke, der nicht nur
die Gaͤſte ſchindet, was mancher ehrliche Mann
thut, ſondern auch ſeine eigenen Leute.
Jakob. Und zu betruͤgen ſucht er uns bei
jeder Gelegenheit, heftet uns falſches Geld auf,
giebt uns die Auslagen nicht wieder, nimmt oft,
wenn wir nicht gleich bei der Hand ſind, das
Trinkgeld nach ſich, und ſagt, die Gaͤſte waͤren
Hungerleider geweſen und haͤtten nichts gegeben,
und ſolcher Kniffe mehr, in denen er unerſchoͤpf-
lich iſt.
Daniel. Arme Maͤnner! Aber ihr ſcheert ihn
doch rechtſchaffen wieder?
Adam. Lieber Mann, darinn braucht uns ge-
wiß der groͤßte Virtuos keine Stunden zu geben.
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