Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Bleib nur fein fleißig in deinen Zimmern, ich habeauch dem alten Caspar schon Aufträge darüber gegeben, er ist ein alter und ein überaus verstän- diger Mann. Geh also nicht aus, mein Kind, denn man kann manchmal nicht wissen, wie Un- glück entsteht, es ist oft früher da, als wir es gewahr werden, und indem wir es gewahr werden, ist es gewöhnlich zu spät, es zu vermeiden: siehe, so lauten meine Grundsätze darüber. Brigitte. Aber in den Burggarten darf ich doch kommen? Hans. Das wird dir immer unverwehrt bleiben, meine Tochter, denn dort bist du völlig gesichert, dort kann dir Niemand etwas anhaben. Ich bin sonst schon alt und schwach, aber ich habe denn doch die Vorsicht eines Vaters, und eine solche Vorsicht sieht weit, wenn ich aber abwesend bin, mußt du selbst hübsch vorsichtig seyn. Brigitte. Ich will es gewiß. Hans. Der Leopold von Friedheim, er hat dir schon einigemal nachgestellt, hüte dich besonders vor ihm. Brigitte. Warum? Ich sollte meinen, daß ich mich vor dem nicht zu hüten brauchte. Hans. Du liebe Einfalt! Gerade am mei- sten, Kind. Ja, was sag ich, am meisten? Am allermeisten! -- Du liebst ihn doch nicht? Du hast ihm doch nicht dein Herz gegeben? Denn du weißt, daß ich diese Heirath niemals zugeben würde. Brigitte. Ach, lieber Vater, wie sollt' ich jemand anders lieben, als Euch? Zweite Abtheilung. Bleib nur fein fleißig in deinen Zimmern, ich habeauch dem alten Caspar ſchon Auftraͤge daruͤber gegeben, er iſt ein alter und ein uͤberaus verſtaͤn- diger Mann. Geh alſo nicht aus, mein Kind, denn man kann manchmal nicht wiſſen, wie Un- gluͤck entſteht, es iſt oft fruͤher da, als wir es gewahr werden, und indem wir es gewahr werden, iſt es gewoͤhnlich zu ſpaͤt, es zu vermeiden: ſiehe, ſo lauten meine Grundſaͤtze daruͤber. Brigitte. Aber in den Burggarten darf ich doch kommen? Hans. Das wird dir immer unverwehrt bleiben, meine Tochter, denn dort biſt du voͤllig geſichert, dort kann dir Niemand etwas anhaben. Ich bin ſonſt ſchon alt und ſchwach, aber ich habe denn doch die Vorſicht eines Vaters, und eine ſolche Vorſicht ſieht weit, wenn ich aber abweſend bin, mußt du ſelbſt huͤbſch vorſichtig ſeyn. Brigitte. Ich will es gewiß. Hans. Der Leopold von Friedheim, er hat dir ſchon einigemal nachgeſtellt, huͤte dich beſonders vor ihm. Brigitte. Warum? Ich ſollte meinen, daß ich mich vor dem nicht zu huͤten brauchte. Hans. Du liebe Einfalt! Gerade am mei- ſten, Kind. Ja, was ſag ich, am meiſten? Am allermeiſten! — Du liebſt ihn doch nicht? Du haſt ihm doch nicht dein Herz gegeben? Denn du weißt, daß ich dieſe Heirath niemals zugeben wuͤrde. Brigitte. Ach, lieber Vater, wie ſollt' ich jemand anders lieben, als Euch? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#HAN"> <p><pb facs="#f0059" n="50"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Bleib nur fein fleißig in deinen Zimmern, ich habe<lb/> auch dem alten Caspar ſchon Auftraͤge daruͤber<lb/> gegeben, er iſt ein alter und ein uͤberaus verſtaͤn-<lb/> diger Mann. Geh alſo nicht aus, mein Kind,<lb/> denn man kann manchmal nicht wiſſen, wie Un-<lb/> gluͤck entſteht, es iſt oft fruͤher da, als wir es<lb/> gewahr werden, und indem wir es gewahr werden,<lb/> iſt es gewoͤhnlich zu ſpaͤt, es zu vermeiden: ſiehe,<lb/> ſo lauten meine Grundſaͤtze daruͤber.</p> </sp><lb/> <sp who="#BRI"> <speaker><hi rendition="#g">Brigitte</hi>.</speaker> <p>Aber in den Burggarten darf<lb/> ich doch kommen?</p> </sp><lb/> <sp who="#HAN"> <speaker><hi rendition="#g">Hans</hi>.</speaker> <p>Das wird dir immer unverwehrt<lb/> bleiben, meine Tochter, denn dort biſt du voͤllig<lb/> geſichert, dort kann dir Niemand etwas anhaben.<lb/> Ich bin ſonſt ſchon alt und ſchwach, aber ich habe<lb/> denn doch die Vorſicht eines Vaters, und eine<lb/> ſolche Vorſicht ſieht weit, wenn ich aber abweſend<lb/> bin, mußt du ſelbſt huͤbſch vorſichtig ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp who="#BRI"> <speaker><hi rendition="#g">Brigitte</hi>.</speaker> <p>Ich will es gewiß.</p> </sp><lb/> <sp who="#HAN"> <speaker><hi rendition="#g">Hans</hi>.</speaker> <p>Der Leopold von Friedheim, er hat<lb/> dir ſchon einigemal nachgeſtellt, huͤte dich beſonders<lb/> vor ihm.</p> </sp><lb/> <sp who="#BRI"> <speaker><hi rendition="#g">Brigitte</hi>.</speaker> <p>Warum? Ich ſollte meinen, daß<lb/> ich mich vor dem nicht zu huͤten brauchte.</p> </sp><lb/> <sp who="#HAN"> <speaker><hi rendition="#g">Hans</hi>.</speaker> <p>Du liebe Einfalt! Gerade am mei-<lb/> ſten, Kind. Ja, was ſag ich, am meiſten? Am<lb/> allermeiſten! — Du liebſt ihn doch nicht? Du haſt<lb/> ihm doch nicht dein Herz gegeben? Denn du weißt,<lb/> daß ich dieſe Heirath niemals zugeben wuͤrde.</p> </sp><lb/> <sp who="#BRI"> <speaker><hi rendition="#g">Brigitte</hi>.</speaker> <p>Ach, lieber Vater, wie ſollt' ich<lb/> jemand anders lieben, als Euch?</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0059]
Zweite Abtheilung.
Bleib nur fein fleißig in deinen Zimmern, ich habe
auch dem alten Caspar ſchon Auftraͤge daruͤber
gegeben, er iſt ein alter und ein uͤberaus verſtaͤn-
diger Mann. Geh alſo nicht aus, mein Kind,
denn man kann manchmal nicht wiſſen, wie Un-
gluͤck entſteht, es iſt oft fruͤher da, als wir es
gewahr werden, und indem wir es gewahr werden,
iſt es gewoͤhnlich zu ſpaͤt, es zu vermeiden: ſiehe,
ſo lauten meine Grundſaͤtze daruͤber.
Brigitte. Aber in den Burggarten darf
ich doch kommen?
Hans. Das wird dir immer unverwehrt
bleiben, meine Tochter, denn dort biſt du voͤllig
geſichert, dort kann dir Niemand etwas anhaben.
Ich bin ſonſt ſchon alt und ſchwach, aber ich habe
denn doch die Vorſicht eines Vaters, und eine
ſolche Vorſicht ſieht weit, wenn ich aber abweſend
bin, mußt du ſelbſt huͤbſch vorſichtig ſeyn.
Brigitte. Ich will es gewiß.
Hans. Der Leopold von Friedheim, er hat
dir ſchon einigemal nachgeſtellt, huͤte dich beſonders
vor ihm.
Brigitte. Warum? Ich ſollte meinen, daß
ich mich vor dem nicht zu huͤten brauchte.
Hans. Du liebe Einfalt! Gerade am mei-
ſten, Kind. Ja, was ſag ich, am meiſten? Am
allermeiſten! — Du liebſt ihn doch nicht? Du haſt
ihm doch nicht dein Herz gegeben? Denn du weißt,
daß ich dieſe Heirath niemals zugeben wuͤrde.
Brigitte. Ach, lieber Vater, wie ſollt' ich
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/59>, abgerufen am 16.02.2025. |