Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. wenn diese artigen Künste einmal auf ein ern-stes Gemüth wirken, welches mehr als ein leicht- sinniges Spiel erwartet und bedarf. Lesen Sie, sagte Clara, sonst überrascht man uns. Anton nahm ein Blatt aus dem Busen und las: Zeit ist's, ich fühl es, endlich zu beschließen, Denn auch Maria will nicht mehr beschirmen, Sie giebt dich Preis den Wettern, die sich thürmen, Kein Stern soll mir in öden Nächten sprießen. Weh mir! daß Morgenlicht mich wollte grüßen, Ein lächelnd Blicken, herzlich, lieblich Schirmen! Nun, Herz, vergeh sogleich in schnellen Stürmen, Laß nicht dein Leben tropfenweis vergießen! Die Nacht empfängt mich wieder, ödes Schweigen, Ein schwarz Gewässer, Gram, Qual, Angst und Weinen: O Licht! o Blick! was mußtest du dich zeigen? Mir schadenfroh in meiner Wüst' erscheinen, Daß dieser Schmerz mir auch noch würde eigen? Und keinen Blick und Trost, Maria? -- Keinen! Das war es, was mir Ahndung wollte sagen, Das bange Herz, das heimlich oft im Beben Mir eine treue Warnung hat gegeben: Du sollst, du sollst noch nicht dein Letztes wagen. Welch Kind hab' ich empfangen und getragen! Der größte Schmerz führt schon in mir sein Leben, Bald wird er reißend nach dem Lichte streben, Dann wird das matte Herz von ihm zerschlagen. Zweite Abtheilung. wenn dieſe artigen Kuͤnſte einmal auf ein ern-ſtes Gemuͤth wirken, welches mehr als ein leicht- ſinniges Spiel erwartet und bedarf. Leſen Sie, ſagte Clara, ſonſt uͤberraſcht man uns. Anton nahm ein Blatt aus dem Buſen und las: Zeit iſt's, ich fuͤhl es, endlich zu beſchließen, Denn auch Maria will nicht mehr beſchirmen, Sie giebt dich Preis den Wettern, die ſich thuͤrmen, Kein Stern ſoll mir in oͤden Naͤchten ſprießen. Weh mir! daß Morgenlicht mich wollte gruͤßen, Ein laͤchelnd Blicken, herzlich, lieblich Schirmen! Nun, Herz, vergeh ſogleich in ſchnellen Stuͤrmen, Laß nicht dein Leben tropfenweis vergießen! Die Nacht empfaͤngt mich wieder, oͤdes Schweigen, Ein ſchwarz Gewaͤſſer, Gram, Qual, Angſt und Weinen: O Licht! o Blick! was mußteſt du dich zeigen? Mir ſchadenfroh in meiner Wuͤſt' erſcheinen, Daß dieſer Schmerz mir auch noch wuͤrde eigen? Und keinen Blick und Troſt, Maria? — Keinen! Das war es, was mir Ahndung wollte ſagen, Das bange Herz, das heimlich oft im Beben Mir eine treue Warnung hat gegeben: Du ſollſt, du ſollſt noch nicht dein Letztes wagen. Welch Kind hab' ich empfangen und getragen! Der groͤßte Schmerz fuͤhrt ſchon in mir ſein Leben, Bald wird er reißend nach dem Lichte ſtreben, Dann wird das matte Herz von ihm zerſchlagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#ART"> <p><pb facs="#f0563" n="554"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> wenn dieſe artigen Kuͤnſte einmal auf ein ern-<lb/> ſtes Gemuͤth wirken, welches mehr als ein leicht-<lb/> ſinniges Spiel erwartet und bedarf.</p><lb/> <p>Leſen Sie, ſagte Clara, ſonſt uͤberraſcht man<lb/> uns. Anton nahm ein Blatt aus dem Buſen<lb/> und las:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Zeit iſt's, ich fuͤhl es, endlich zu beſchließen,</l><lb/> <l>Denn auch Maria will nicht mehr beſchirmen,</l><lb/> <l>Sie giebt dich Preis den Wettern, die ſich thuͤrmen,</l><lb/> <l>Kein Stern ſoll mir in oͤden Naͤchten ſprießen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Weh mir! daß Morgenlicht mich wollte gruͤßen,</l><lb/> <l>Ein laͤchelnd Blicken, herzlich, lieblich Schirmen!</l><lb/> <l>Nun, Herz, vergeh ſogleich in ſchnellen Stuͤrmen,</l><lb/> <l>Laß nicht dein Leben tropfenweis vergießen!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Nacht empfaͤngt mich wieder, oͤdes Schweigen,</l><lb/> <l>Ein ſchwarz Gewaͤſſer, Gram, Qual, Angſt und Weinen:</l><lb/> <l>O Licht! o Blick! was mußteſt du dich zeigen?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Mir ſchadenfroh in meiner Wuͤſt' erſcheinen,</l><lb/> <l>Daß dieſer Schmerz mir auch noch wuͤrde eigen?</l><lb/> <l>Und keinen Blick und Troſt, Maria? — Keinen!</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg n="5"> <l>Das war es, was mir Ahndung wollte ſagen,</l><lb/> <l>Das bange Herz, das heimlich oft im Beben</l><lb/> <l>Mir eine treue Warnung hat gegeben:</l><lb/> <l>Du ſollſt, du ſollſt noch nicht dein Letztes wagen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Welch Kind hab' ich empfangen und getragen!</l><lb/> <l>Der groͤßte Schmerz fuͤhrt ſchon in mir ſein Leben,</l><lb/> <l>Bald wird er reißend nach dem Lichte ſtreben,</l><lb/> <l>Dann wird das matte Herz von ihm zerſchlagen.</l> </lg><lb/> </lg> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [554/0563]
Zweite Abtheilung.
wenn dieſe artigen Kuͤnſte einmal auf ein ern-
ſtes Gemuͤth wirken, welches mehr als ein leicht-
ſinniges Spiel erwartet und bedarf.
Leſen Sie, ſagte Clara, ſonſt uͤberraſcht man
uns. Anton nahm ein Blatt aus dem Buſen
und las:
Zeit iſt's, ich fuͤhl es, endlich zu beſchließen,
Denn auch Maria will nicht mehr beſchirmen,
Sie giebt dich Preis den Wettern, die ſich thuͤrmen,
Kein Stern ſoll mir in oͤden Naͤchten ſprießen.
Weh mir! daß Morgenlicht mich wollte gruͤßen,
Ein laͤchelnd Blicken, herzlich, lieblich Schirmen!
Nun, Herz, vergeh ſogleich in ſchnellen Stuͤrmen,
Laß nicht dein Leben tropfenweis vergießen!
Die Nacht empfaͤngt mich wieder, oͤdes Schweigen,
Ein ſchwarz Gewaͤſſer, Gram, Qual, Angſt und Weinen:
O Licht! o Blick! was mußteſt du dich zeigen?
Mir ſchadenfroh in meiner Wuͤſt' erſcheinen,
Daß dieſer Schmerz mir auch noch wuͤrde eigen?
Und keinen Blick und Troſt, Maria? — Keinen!
Das war es, was mir Ahndung wollte ſagen,
Das bange Herz, das heimlich oft im Beben
Mir eine treue Warnung hat gegeben:
Du ſollſt, du ſollſt noch nicht dein Letztes wagen.
Welch Kind hab' ich empfangen und getragen!
Der groͤßte Schmerz fuͤhrt ſchon in mir ſein Leben,
Bald wird er reißend nach dem Lichte ſtreben,
Dann wird das matte Herz von ihm zerſchlagen.
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