drei guten Groschen zu bestreiten gedachten. Eins ist nicht klüger als das andre, und beides setzt die Kunst gleich sehr herab.
Ich bin der Meinung, sagte Ernst, daß wir die ganze Form unsrer Bühne, nebst diesem Ap- parat der Dekoration und besonders der Coulis- sen wieder wegwerfen müssen, um ein Schau- spiel zu erhalten. Diese Einrichtung ist auch nur aus Mißverständniß den Italiänern nachge- ahmt, weil schon früh eine falsche mahlerische Absicht eingemengt wurde, und darüber haben wir, besonders die Engländer, die alte Ein- richtung eingebüßt, die wahrhaft malerisch war, denn diese konnten ehemals so wie die Mahler malen, mit den Figuren und dem Theater, die sich gegenseitig heraus hoben; jetzt hängen Figu- ren und Theater nicht zusammen, sie sind viel- mehr im Krieg mit einander, und die Wirkung kann man in der That nur mit einem geschmack- losen Kuckkasten vergleichen. Darum sind die Marionettenspiele oft theatralischer und haben mehr Haltung, weil man hier nicht die vielen Gruppen und das Spiel nach der Tiefe zu hat anbringen können.
Droht doch dieser Untergattung des Schau- spiels, sagte Lothar, ebenfalls der Untergang: denn wie sich das höhere Theater mit seiner Er- findung und Dekoration immer mehr zum Trans- parenten und Flammenden vergeistigt und zu viele Späße aller Art zuläßt, so fangen die
Zweite Abtheilung.
drei guten Groſchen zu beſtreiten gedachten. Eins iſt nicht kluͤger als das andre, und beides ſetzt die Kunſt gleich ſehr herab.
Ich bin der Meinung, ſagte Ernſt, daß wir die ganze Form unſrer Buͤhne, nebſt dieſem Ap- parat der Dekoration und beſonders der Couliſ- ſen wieder wegwerfen muͤſſen, um ein Schau- ſpiel zu erhalten. Dieſe Einrichtung iſt auch nur aus Mißverſtaͤndniß den Italiaͤnern nachge- ahmt, weil ſchon fruͤh eine falſche mahleriſche Abſicht eingemengt wurde, und daruͤber haben wir, beſonders die Englaͤnder, die alte Ein- richtung eingebuͤßt, die wahrhaft maleriſch war, denn dieſe konnten ehemals ſo wie die Mahler malen, mit den Figuren und dem Theater, die ſich gegenſeitig heraus hoben; jetzt haͤngen Figu- ren und Theater nicht zuſammen, ſie ſind viel- mehr im Krieg mit einander, und die Wirkung kann man in der That nur mit einem geſchmack- loſen Kuckkaſten vergleichen. Darum ſind die Marionettenſpiele oft theatraliſcher und haben mehr Haltung, weil man hier nicht die vielen Gruppen und das Spiel nach der Tiefe zu hat anbringen koͤnnen.
Droht doch dieſer Untergattung des Schau- ſpiels, ſagte Lothar, ebenfalls der Untergang: denn wie ſich das hoͤhere Theater mit ſeiner Er- findung und Dekoration immer mehr zum Trans- parenten und Flammenden vergeiſtigt und zu viele Spaͤße aller Art zulaͤßt, ſo fangen die
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Zweite Abtheilung.
drei guten Groſchen zu beſtreiten gedachten. Eins
iſt nicht kluͤger als das andre, und beides ſetzt
die Kunſt gleich ſehr herab.
Ich bin der Meinung, ſagte Ernſt, daß wir
die ganze Form unſrer Buͤhne, nebſt dieſem Ap-
parat der Dekoration und beſonders der Couliſ-
ſen wieder wegwerfen muͤſſen, um ein Schau-
ſpiel zu erhalten. Dieſe Einrichtung iſt auch
nur aus Mißverſtaͤndniß den Italiaͤnern nachge-
ahmt, weil ſchon fruͤh eine falſche mahleriſche
Abſicht eingemengt wurde, und daruͤber haben
wir, beſonders die Englaͤnder, die alte Ein-
richtung eingebuͤßt, die wahrhaft maleriſch war,
denn dieſe konnten ehemals ſo wie die Mahler
malen, mit den Figuren und dem Theater, die
ſich gegenſeitig heraus hoben; jetzt haͤngen Figu-
ren und Theater nicht zuſammen, ſie ſind viel-
mehr im Krieg mit einander, und die Wirkung
kann man in der That nur mit einem geſchmack-
loſen Kuckkaſten vergleichen. Darum ſind die
Marionettenſpiele oft theatraliſcher und haben
mehr Haltung, weil man hier nicht die vielen
Gruppen und das Spiel nach der Tiefe zu hat
anbringen koͤnnen.
Droht doch dieſer Untergattung des Schau-
ſpiels, ſagte Lothar, ebenfalls der Untergang:
denn wie ſich das hoͤhere Theater mit ſeiner Er-
findung und Dekoration immer mehr zum Trans-
parenten und Flammenden vergeiſtigt und zu
viele Spaͤße aller Art zulaͤßt, ſo fangen die
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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