Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. finde, wie kann Er sich unterstehn zu sagen, daßder Mann abgeschmackt sey? Er ist Hofgelehrter und der andre Hofnarr, Ihr steht beide in einem Gehalte, der einzige Unterschied ist, daß er an dem kleinen Tischgen mit dem fremden Jäger speist. Der Narr macht dummes Zeug bei Tische und Er führt einen vernünftigen Diskurs bei Tische, beides soll mir nur die Zeit vertreiben und machen, daß mir das Essen gut schmeckt; wo ist denn also der große Unterschied? -- Und dann thuts einem Herrn, wie mir, auch wohl, einen Narren zu sehn, der dummer ist, der die Gaben und die Bil- dung nicht hat, man fühlt sich mehr und ist dank- bar gegen den Himmel. Schon deswegen ist mir ein Dummkopf ein angenehmer Umgang. -- Wenn Er aber meint, daß der Narr in Religion und Philosophie zurück ist, daß er zu sehr in der Irre wandelt, kann er sich denn nicht (da der Dumme doch gewiß sein Nächster ist) menschenfreundlich zu ihm setzen und liebreich sagen: sieh, Schatz, das ist so, und jenes so, Du bist hierinn zurück, ich will Dich mit Liebe auf den Weg des Lichtes bringen und dann etwas gründliche Logik, Meta- physik und Hydrostatik ihm vorsprechen, daß der Dumme in sich schlägt und sich bekehrt? So müßte einer handeln, der ein Weltweiser heißen will. Der Koch trägt das Kaninchen auf und entfernt sich. König. Das Kaninchen! -- Ich weiß nicht, -- die andern Herren essen es wohl nicht gerne? -- Alle (verneigen sich). Zweite Abtheilung. finde, wie kann Er ſich unterſtehn zu ſagen, daßder Mann abgeſchmackt ſey? Er iſt Hofgelehrter und der andre Hofnarr, Ihr ſteht beide in einem Gehalte, der einzige Unterſchied iſt, daß er an dem kleinen Tiſchgen mit dem fremden Jaͤger ſpeiſt. Der Narr macht dummes Zeug bei Tiſche und Er fuͤhrt einen vernuͤnftigen Diskurs bei Tiſche, beides ſoll mir nur die Zeit vertreiben und machen, daß mir das Eſſen gut ſchmeckt; wo iſt denn alſo der große Unterſchied? — Und dann thuts einem Herrn, wie mir, auch wohl, einen Narren zu ſehn, der dummer iſt, der die Gaben und die Bil- dung nicht hat, man fuͤhlt ſich mehr und iſt dank- bar gegen den Himmel. Schon deswegen iſt mir ein Dummkopf ein angenehmer Umgang. — Wenn Er aber meint, daß der Narr in Religion und Philoſophie zuruͤck iſt, daß er zu ſehr in der Irre wandelt, kann er ſich denn nicht (da der Dumme doch gewiß ſein Naͤchſter iſt) menſchenfreundlich zu ihm ſetzen und liebreich ſagen: ſieh, Schatz, das iſt ſo, und jenes ſo, Du biſt hierinn zuruͤck, ich will Dich mit Liebe auf den Weg des Lichtes bringen und dann etwas gruͤndliche Logik, Meta- phyſik und Hydroſtatik ihm vorſprechen, daß der Dumme in ſich ſchlaͤgt und ſich bekehrt? So muͤßte einer handeln, der ein Weltweiſer heißen will. Der Koch traͤgt das Kaninchen auf und entfernt ſich. Koͤnig. Das Kaninchen! — Ich weiß nicht, — die andern Herren eſſen es wohl nicht gerne? — Alle (verneigen ſich). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#KOENIG"> <p><pb facs="#f0211" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> finde, wie kann Er ſich unterſtehn zu ſagen, daß<lb/> der Mann abgeſchmackt ſey? Er iſt Hofgelehrter<lb/> und der andre Hofnarr, Ihr ſteht beide in einem<lb/> Gehalte, der einzige Unterſchied iſt, daß er an<lb/> dem kleinen Tiſchgen mit dem fremden Jaͤger<lb/> ſpeiſt. Der Narr macht dummes Zeug bei Tiſche<lb/> und Er fuͤhrt einen vernuͤnftigen Diskurs bei Tiſche,<lb/> beides ſoll mir nur die Zeit vertreiben und machen,<lb/> daß mir das Eſſen gut ſchmeckt; wo iſt denn alſo<lb/> der große Unterſchied? — Und dann thuts einem<lb/> Herrn, wie mir, auch wohl, einen Narren zu<lb/> ſehn, der dummer iſt, der die Gaben und die Bil-<lb/> dung nicht hat, man fuͤhlt ſich mehr und iſt dank-<lb/> bar gegen den Himmel. Schon deswegen iſt mir<lb/> ein Dummkopf ein angenehmer Umgang. — Wenn<lb/> Er aber meint, daß der Narr in Religion und<lb/> Philoſophie zuruͤck iſt, daß er zu ſehr in der Irre<lb/> wandelt, kann er ſich denn nicht (da der Dumme<lb/> doch gewiß ſein Naͤchſter iſt) menſchenfreundlich<lb/> zu ihm ſetzen und liebreich ſagen: ſieh, Schatz,<lb/> das iſt ſo, und jenes ſo, Du biſt hierinn zuruͤck,<lb/> ich will Dich mit Liebe auf den Weg des Lichtes<lb/> bringen und dann etwas gruͤndliche Logik, Meta-<lb/> phyſik und Hydroſtatik ihm vorſprechen, daß der<lb/> Dumme in ſich ſchlaͤgt und ſich bekehrt? So muͤßte<lb/> einer handeln, der ein Weltweiſer heißen will.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Koch</hi> traͤgt das Kaninchen auf und entfernt ſich.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Das Kaninchen! — Ich weiß nicht,<lb/> — die andern Herren eſſen es wohl nicht gerne? —<lb/><stage><hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Alle</hi> (verneigen ſich).</hi></stage><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0211]
Zweite Abtheilung.
finde, wie kann Er ſich unterſtehn zu ſagen, daß
der Mann abgeſchmackt ſey? Er iſt Hofgelehrter
und der andre Hofnarr, Ihr ſteht beide in einem
Gehalte, der einzige Unterſchied iſt, daß er an
dem kleinen Tiſchgen mit dem fremden Jaͤger
ſpeiſt. Der Narr macht dummes Zeug bei Tiſche
und Er fuͤhrt einen vernuͤnftigen Diskurs bei Tiſche,
beides ſoll mir nur die Zeit vertreiben und machen,
daß mir das Eſſen gut ſchmeckt; wo iſt denn alſo
der große Unterſchied? — Und dann thuts einem
Herrn, wie mir, auch wohl, einen Narren zu
ſehn, der dummer iſt, der die Gaben und die Bil-
dung nicht hat, man fuͤhlt ſich mehr und iſt dank-
bar gegen den Himmel. Schon deswegen iſt mir
ein Dummkopf ein angenehmer Umgang. — Wenn
Er aber meint, daß der Narr in Religion und
Philoſophie zuruͤck iſt, daß er zu ſehr in der Irre
wandelt, kann er ſich denn nicht (da der Dumme
doch gewiß ſein Naͤchſter iſt) menſchenfreundlich
zu ihm ſetzen und liebreich ſagen: ſieh, Schatz,
das iſt ſo, und jenes ſo, Du biſt hierinn zuruͤck,
ich will Dich mit Liebe auf den Weg des Lichtes
bringen und dann etwas gruͤndliche Logik, Meta-
phyſik und Hydroſtatik ihm vorſprechen, daß der
Dumme in ſich ſchlaͤgt und ſich bekehrt? So muͤßte
einer handeln, der ein Weltweiſer heißen will.
Der Koch traͤgt das Kaninchen auf und entfernt ſich.
Koͤnig. Das Kaninchen! — Ich weiß nicht,
— die andern Herren eſſen es wohl nicht gerne? —
Alle (verneigen ſich).
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