Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Hinze. Wenn sie nur bedenken wollten -- Sie. So wart Er doch nur einen Augen- blick, Er sieht ja wohl, daß der Geliebte, in Trun- kenheit verloren, auf seinen Knieen liegt. Er. Glaubst Du mir nun? Sie. Ach! hab ich Dir nicht schon geglaubt, noch ehe Du ein Wort gesprochen hattest? -- (sie beugt sich liebevoll zu ihm hinab.) Theurer! -- ich -- liebe Dich! -- o unaussprechlich. Er. Bin ich unsinnig? -- O und wenn ich es nicht bin, warum werd' ich Elender, Verächt- licher, es nicht urplötzlich vor übergroßer Freude? -- Ich bin nicht mehr auf der Erde, sieh mich doch recht genau an, o Theuerste, und sage mir, ob ich nicht vielleicht im Mittelpunkte jener un- sterblichen Sonne dort oben wandle. Sie. In meinen Armen bist du, und die sollen dich auch nicht wieder lassen. Er. O komm, dieses freie Feld ist meinen Empfindungen zu enge, wir müssen den höchsten Berg erklettern, um der ganzen Natur zu sagen, wie glücklich wir sind! -- (Sie gehen schnell und voll Entzückens ab. Lautes Klatschen und Bravorufen im Parterre.) Wiesener (klatschend). Der Liebhaber griff sich tüchtig an. -- O weh! da hab ich mir selber einen Schlag in die Hand gegeben, daß sie ganz aufge- laufen ist. Nachbar. Sie wissen sich in der Freude nicht zu mäßigen. Wiesener. Ja, so bin ich immer. Zweite Abtheilung. Hinze. Wenn ſie nur bedenken wollten — Sie. So wart Er doch nur einen Augen- blick, Er ſieht ja wohl, daß der Geliebte, in Trun- kenheit verloren, auf ſeinen Knieen liegt. Er. Glaubſt Du mir nun? Sie. Ach! hab ich Dir nicht ſchon geglaubt, noch ehe Du ein Wort geſprochen hatteſt? — (ſie beugt ſich liebevoll zu ihm hinab.) Theurer! — ich — liebe Dich! — o unausſprechlich. Er. Bin ich unſinnig? — O und wenn ich es nicht bin, warum werd' ich Elender, Veraͤcht- licher, es nicht urploͤtzlich vor uͤbergroßer Freude? — Ich bin nicht mehr auf der Erde, ſieh mich doch recht genau an, o Theuerſte, und ſage mir, ob ich nicht vielleicht im Mittelpunkte jener un- ſterblichen Sonne dort oben wandle. Sie. In meinen Armen biſt du, und die ſollen dich auch nicht wieder laſſen. Er. O komm, dieſes freie Feld iſt meinen Empfindungen zu enge, wir muͤſſen den hoͤchſten Berg erklettern, um der ganzen Natur zu ſagen, wie gluͤcklich wir ſind! — (Sie gehen ſchnell und voll Entzuͤckens ab. Lautes Klatſchen und Bravorufen im Parterre.) Wieſener (klatſchend). Der Liebhaber griff ſich tuͤchtig an. — O weh! da hab ich mir ſelber einen Schlag in die Hand gegeben, daß ſie ganz aufge- laufen iſt. Nachbar. Sie wiſſen ſich in der Freude nicht zu maͤßigen. Wieſener. Ja, ſo bin ich immer. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0193" n="184"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#HINZE"> <speaker><hi rendition="#g">Hinze</hi>.</speaker> <p>Wenn ſie nur bedenken wollten —</p> </sp><lb/> <sp who="#SIE"> <speaker><hi rendition="#g">Sie</hi>.</speaker> <p>So wart Er doch nur einen Augen-<lb/> blick, Er ſieht ja wohl, daß der Geliebte, in Trun-<lb/> kenheit verloren, auf ſeinen Knieen liegt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ER"> <speaker><hi rendition="#g">Er</hi>.</speaker> <p>Glaubſt Du mir nun?</p> </sp><lb/> <sp who="#SIE"> <speaker><hi rendition="#g">Sie</hi>.</speaker> <p>Ach! hab ich Dir nicht ſchon geglaubt,<lb/> noch ehe Du ein Wort geſprochen hatteſt? — <stage>(ſie<lb/> beugt ſich liebevoll zu ihm hinab.)</stage> Theurer! — ich —<lb/> liebe Dich! — o unausſprechlich.</p> </sp><lb/> <sp who="#ER"> <speaker><hi rendition="#g">Er</hi>.</speaker> <p>Bin ich unſinnig? — O und wenn ich<lb/> es nicht bin, warum werd' ich Elender, Veraͤcht-<lb/> licher, es nicht urploͤtzlich vor uͤbergroßer Freude?<lb/> — Ich bin nicht mehr auf der Erde, ſieh mich<lb/> doch recht genau an, o Theuerſte, und ſage mir,<lb/> ob ich nicht vielleicht im Mittelpunkte jener un-<lb/> ſterblichen Sonne dort oben wandle.</p> </sp><lb/> <sp who="#SIE"> <speaker><hi rendition="#g">Sie</hi>.</speaker> <p>In meinen Armen biſt du, und die<lb/> ſollen dich auch nicht wieder laſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ER"> <speaker><hi rendition="#g">Er</hi>.</speaker> <p>O komm, dieſes freie Feld iſt meinen<lb/> Empfindungen zu enge, wir muͤſſen den hoͤchſten<lb/> Berg erklettern, um der ganzen Natur zu ſagen,<lb/> wie gluͤcklich wir ſind! —</p> <stage>(Sie gehen ſchnell und voll<lb/> Entzuͤckens ab. 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Zweite Abtheilung.
Hinze. Wenn ſie nur bedenken wollten —
Sie. So wart Er doch nur einen Augen-
blick, Er ſieht ja wohl, daß der Geliebte, in Trun-
kenheit verloren, auf ſeinen Knieen liegt.
Er. Glaubſt Du mir nun?
Sie. Ach! hab ich Dir nicht ſchon geglaubt,
noch ehe Du ein Wort geſprochen hatteſt? — (ſie
beugt ſich liebevoll zu ihm hinab.) Theurer! — ich —
liebe Dich! — o unausſprechlich.
Er. Bin ich unſinnig? — O und wenn ich
es nicht bin, warum werd' ich Elender, Veraͤcht-
licher, es nicht urploͤtzlich vor uͤbergroßer Freude?
— Ich bin nicht mehr auf der Erde, ſieh mich
doch recht genau an, o Theuerſte, und ſage mir,
ob ich nicht vielleicht im Mittelpunkte jener un-
ſterblichen Sonne dort oben wandle.
Sie. In meinen Armen biſt du, und die
ſollen dich auch nicht wieder laſſen.
Er. O komm, dieſes freie Feld iſt meinen
Empfindungen zu enge, wir muͤſſen den hoͤchſten
Berg erklettern, um der ganzen Natur zu ſagen,
wie gluͤcklich wir ſind! — (Sie gehen ſchnell und voll
Entzuͤckens ab. Lautes Klatſchen und Bravorufen im Parterre.)
Wieſener (klatſchend). Der Liebhaber griff ſich
tuͤchtig an. — O weh! da hab ich mir ſelber einen
Schlag in die Hand gegeben, daß ſie ganz aufge-
laufen iſt.
Nachbar. Sie wiſſen ſich in der Freude nicht
zu maͤßigen.
Wieſener. Ja, ſo bin ich immer.
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/193>, abgerufen am 16.02.2025. |