Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der gestiefelte Kater. gar weitläufige Wissenschaft, -- in welcher Ge-gend liegt Ihr Land? Nathanael. Mächtiger König, wenn Sie von hier ausreisen, erst die große Chaußee hinun- ter, dann schlagen Sie sich rechts und immer fort so, wenn sie aber an einen Berg kommen, dann wieder links, dann geht man zur See und fährt immer nördlich (wenn es der Wind nemlich zu- giebt), und so kömmt man, wenn die Reise glücklich geht, in anderthalb Jahren in meinem Reiche an. König. Der Tausend! das muß ich mir von meinem Hofgelehrten deutlich machen lassen. -- Sie sind wohl vielleicht ein Nachbar vom Nord- pol, oder Zodiakus, oder dergleichen? Nathanael. Daß ich nicht wüßte. König. Vielleicht so nach den Wilden zu? Nathanael. Ich bitte um Verzeihung, alle meine Unterthanen sind sehr zahm. König. Aber sie müssen doch verhenkert weit wohnen. Ich kann mich immer noch nicht daraus finden. Nathanael. Man hat noch keine genaue Geographie von meinem Lande, ich hoffe täglich mehr zu entdecken, und so kann es leicht kommen, daß wir am Ende noch Nachbarn werden. König. Das wäre vortreflich! Und wenn uns am Ende ein Paar Länder noch im Wege stehen, so helfe ich Ihnen mit entdecken. Mein Nachbar ist so nicht mein guter Freund und er hat ein vortrefliches Land, alle Rosinen kommen Der geſtiefelte Kater. gar weitlaͤufige Wiſſenſchaft, — in welcher Ge-gend liegt Ihr Land? Nathanael. Maͤchtiger Koͤnig, wenn Sie von hier ausreiſen, erſt die große Chaußee hinun- ter, dann ſchlagen Sie ſich rechts und immer fort ſo, wenn ſie aber an einen Berg kommen, dann wieder links, dann geht man zur See und faͤhrt immer noͤrdlich (wenn es der Wind nemlich zu- giebt), und ſo koͤmmt man, wenn die Reiſe gluͤcklich geht, in anderthalb Jahren in meinem Reiche an. Koͤnig. Der Tauſend! das muß ich mir von meinem Hofgelehrten deutlich machen laſſen. — Sie ſind wohl vielleicht ein Nachbar vom Nord- pol, oder Zodiakus, oder dergleichen? Nathanael. Daß ich nicht wuͤßte. Koͤnig. Vielleicht ſo nach den Wilden zu? Nathanael. Ich bitte um Verzeihung, alle meine Unterthanen ſind ſehr zahm. Koͤnig. Aber ſie muͤſſen doch verhenkert weit wohnen. Ich kann mich immer noch nicht daraus finden. Nathanael. Man hat noch keine genaue Geographie von meinem Lande, ich hoffe taͤglich mehr zu entdecken, und ſo kann es leicht kommen, daß wir am Ende noch Nachbarn werden. Koͤnig. Das waͤre vortreflich! Und wenn uns am Ende ein Paar Laͤnder noch im Wege ſtehen, ſo helfe ich Ihnen mit entdecken. Mein Nachbar iſt ſo nicht mein guter Freund und er hat ein vortrefliches Land, alle Roſinen kommen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#KOENIG"> <p><pb facs="#f0180" n="171"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der geſtiefelte Kater</hi>.</fw><lb/> gar weitlaͤufige Wiſſenſchaft, — in welcher Ge-<lb/> gend liegt Ihr Land?</p> </sp><lb/> <sp who="#NATH"> <speaker><hi rendition="#g">Nathanael</hi>.</speaker> <p>Maͤchtiger Koͤnig, wenn Sie<lb/> von hier ausreiſen, erſt die große Chaußee hinun-<lb/> ter, dann ſchlagen Sie ſich rechts und immer fort<lb/> ſo, wenn ſie aber an einen Berg kommen, dann<lb/> wieder links, dann geht man zur See und faͤhrt<lb/> immer noͤrdlich (wenn es der Wind nemlich zu-<lb/> giebt), und ſo koͤmmt man, wenn die Reiſe<lb/> gluͤcklich geht, in anderthalb Jahren in meinem<lb/> Reiche an.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Der Tauſend! das muß ich mir<lb/> von meinem Hofgelehrten deutlich machen laſſen. —<lb/> Sie ſind wohl vielleicht ein Nachbar vom Nord-<lb/> pol, oder Zodiakus, oder dergleichen?</p> </sp><lb/> <sp who="#NATH"> <speaker><hi rendition="#g">Nathanael</hi>.</speaker> <p>Daß ich nicht wuͤßte.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Vielleicht ſo nach den Wilden zu?</p> </sp><lb/> <sp who="#NATH"> <speaker><hi rendition="#g">Nathanael</hi>.</speaker> <p>Ich bitte um Verzeihung, alle<lb/> meine Unterthanen ſind ſehr zahm.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Aber ſie muͤſſen doch verhenkert<lb/> weit wohnen. Ich kann mich immer noch nicht<lb/> daraus finden.</p> </sp><lb/> <sp who="#NATH"> <speaker><hi rendition="#g">Nathanael</hi>.</speaker> <p>Man hat noch keine genaue<lb/> Geographie von meinem Lande, ich hoffe taͤglich<lb/> mehr zu entdecken, und ſo kann es leicht kommen,<lb/> daß wir am Ende noch Nachbarn werden.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Das waͤre vortreflich! Und wenn<lb/> uns am Ende ein Paar Laͤnder noch im Wege<lb/> ſtehen, ſo helfe ich Ihnen mit entdecken. Mein<lb/> Nachbar iſt ſo nicht mein guter Freund und er<lb/> hat ein vortrefliches Land, alle Roſinen kommen<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0180]
Der geſtiefelte Kater.
gar weitlaͤufige Wiſſenſchaft, — in welcher Ge-
gend liegt Ihr Land?
Nathanael. Maͤchtiger Koͤnig, wenn Sie
von hier ausreiſen, erſt die große Chaußee hinun-
ter, dann ſchlagen Sie ſich rechts und immer fort
ſo, wenn ſie aber an einen Berg kommen, dann
wieder links, dann geht man zur See und faͤhrt
immer noͤrdlich (wenn es der Wind nemlich zu-
giebt), und ſo koͤmmt man, wenn die Reiſe
gluͤcklich geht, in anderthalb Jahren in meinem
Reiche an.
Koͤnig. Der Tauſend! das muß ich mir
von meinem Hofgelehrten deutlich machen laſſen. —
Sie ſind wohl vielleicht ein Nachbar vom Nord-
pol, oder Zodiakus, oder dergleichen?
Nathanael. Daß ich nicht wuͤßte.
Koͤnig. Vielleicht ſo nach den Wilden zu?
Nathanael. Ich bitte um Verzeihung, alle
meine Unterthanen ſind ſehr zahm.
Koͤnig. Aber ſie muͤſſen doch verhenkert
weit wohnen. Ich kann mich immer noch nicht
daraus finden.
Nathanael. Man hat noch keine genaue
Geographie von meinem Lande, ich hoffe taͤglich
mehr zu entdecken, und ſo kann es leicht kommen,
daß wir am Ende noch Nachbarn werden.
Koͤnig. Das waͤre vortreflich! Und wenn
uns am Ende ein Paar Laͤnder noch im Wege
ſtehen, ſo helfe ich Ihnen mit entdecken. Mein
Nachbar iſt ſo nicht mein guter Freund und er
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/180>, abgerufen am 26.06.2024. |