Lorenz, Barthel, Gottlieb. Der Kater Hinz liegt auf einem Schemel am Ofen.
Lorenz. Ich glaube, daß nach dem Ableben unsers Vaters unser kleines Vermögen sich bald wird eintheilen lassen. Ihr wißt, daß der seelige Mann nur drei Stück von Belang zurück gelassen hat: ein Pferd, einen Ochsen und jenen Kater dort. Ich, als der älteste, nehme das Pferd, Barthel, der nächste nach mir, bekömmt den Ochsen, und so bleibt denn natürlicherweise für unsern jüngsten Bruder Gottlieb der Kater übrig.
Leutner. (im Parterr.) Um Gottes Willen! hat man schon eine solche Exposition gesehn! Man sehe doch, wie tief die dramatische Kunst gesun- ken ist!
Müller. Aber ich habe doch alles recht gut verstanden.
Leutner. Das ist ja eben der Fehler, man muß es dem Zuschauer so verstohlener Weise un-
Der geſtiefelte Kater.
Erſter Akt.
Erſte Scene.
(Kleine Bauernſtube.)
Lorenz, Barthel, Gottlieb. Der Kater Hinz liegt auf einem Schemel am Ofen.
Lorenz. Ich glaube, daß nach dem Ableben unſers Vaters unſer kleines Vermoͤgen ſich bald wird eintheilen laſſen. Ihr wißt, daß der ſeelige Mann nur drei Stuͤck von Belang zuruͤck gelaſſen hat: ein Pferd, einen Ochſen und jenen Kater dort. Ich, als der aͤlteſte, nehme das Pferd, Barthel, der naͤchſte nach mir, bekoͤmmt den Ochſen, und ſo bleibt denn natuͤrlicherweiſe fuͤr unſern juͤngſten Bruder Gottlieb der Kater uͤbrig.
Leutner. (im Parterr.) Um Gottes Willen! hat man ſchon eine ſolche Expoſition geſehn! Man ſehe doch, wie tief die dramatiſche Kunſt geſun- ken iſt!
Muͤller. Aber ich habe doch alles recht gut verſtanden.
Leutner. Das iſt ja eben der Fehler, man muß es dem Zuſchauer ſo verſtohlener Weiſe un-
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Der geſtiefelte Kater.
Erſter Akt.
Erſte Scene.
(Kleine Bauernſtube.)
Lorenz, Barthel, Gottlieb. Der Kater
Hinz liegt auf einem Schemel am Ofen.
Lorenz.
Ich glaube, daß nach dem Ableben unſers Vaters
unſer kleines Vermoͤgen ſich bald wird eintheilen
laſſen. Ihr wißt, daß der ſeelige Mann nur drei
Stuͤck von Belang zuruͤck gelaſſen hat: ein Pferd,
einen Ochſen und jenen Kater dort. Ich, als der
aͤlteſte, nehme das Pferd, Barthel, der naͤchſte
nach mir, bekoͤmmt den Ochſen, und ſo bleibt
denn natuͤrlicherweiſe fuͤr unſern juͤngſten Bruder
Gottlieb der Kater uͤbrig.
Leutner. (im Parterr.) Um Gottes Willen!
hat man ſchon eine ſolche Expoſition geſehn! Man
ſehe doch, wie tief die dramatiſche Kunſt geſun-
ken iſt!
Muͤller. Aber ich habe doch alles recht gut
verſtanden.
Leutner. Das iſt ja eben der Fehler, man
muß es dem Zuſchauer ſo verſtohlener Weiſe un-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/164>, abgerufen am 28.07.2024.
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