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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.
und Fluth nicht begreifen konnte, hätte er ru-
hig am Ufer gestanden, und bloß den Kopf ein
wenig geschüttelt und gemurmelt: läppisch! läp-
pisch!

Bis zum Abentheuerlichen unnatürlich sind
die Cometen, versetzte Anton, ja alle Existenz
hat wohl nur wie ein umgekehrter Handschuh
die unrechte Seite herausgedreht, und ist dadurch
existirend geworden.

Zweifelt ihr daran, ihr armen Sünder? rief
Wilibald aus dem nächsten Laubengange heraus,
in welchem er alles gehört hatte; könnt ihr euch
euren doppelten unbefriedigten Zustand anders er-
klären? Habt ihr dies nicht schon oft im Ernst
denken müssen, wenn ihr überhaupt darüber ge-
dacht habt, was ihr jetzt als Spaß aussprecht?
Und wenn die Menschenseele sich selbst unvollen-
det und umgedreht empfindet, warum soll denn
alles übrige Geschaffene richtiger und besser sein?
Ihr hoffärtigen Erdenwürmer neigt euch in den
Staub, und macht euch nicht über Leute lustig,
die, wenn es die Noth erfordert, auch wohl über
Milchstraßen und Trabanten und Sonnensysteme
zu sprechen wissen.

Ernst und Lothar traten hinzu und erzähl-
ten viel von der anmuthigen Lage der merkwür-
digen Ruine, und Ernst zürnte über den fre-
velnden Leichtsinn der Zeit, der schon so viel
Herrliches zerstört habe und es allenthalben zu
vernichten fortfahre. Wie tief, rief er aus, wird

Einleitung.
und Fluth nicht begreifen konnte, haͤtte er ru-
hig am Ufer geſtanden, und bloß den Kopf ein
wenig geſchuͤttelt und gemurmelt: laͤppiſch! laͤp-
piſch!

Bis zum Abentheuerlichen unnatuͤrlich ſind
die Cometen, verſetzte Anton, ja alle Exiſtenz
hat wohl nur wie ein umgekehrter Handſchuh
die unrechte Seite herausgedreht, und iſt dadurch
exiſtirend geworden.

Zweifelt ihr daran, ihr armen Suͤnder? rief
Wilibald aus dem naͤchſten Laubengange heraus,
in welchem er alles gehoͤrt hatte; koͤnnt ihr euch
euren doppelten unbefriedigten Zuſtand anders er-
klaͤren? Habt ihr dies nicht ſchon oft im Ernſt
denken muͤſſen, wenn ihr uͤberhaupt daruͤber ge-
dacht habt, was ihr jetzt als Spaß ausſprecht?
Und wenn die Menſchenſeele ſich ſelbſt unvollen-
det und umgedreht empfindet, warum ſoll denn
alles uͤbrige Geſchaffene richtiger und beſſer ſein?
Ihr hoffaͤrtigen Erdenwuͤrmer neigt euch in den
Staub, und macht euch nicht uͤber Leute luſtig,
die, wenn es die Noth erfordert, auch wohl uͤber
Milchſtraßen und Trabanten und Sonnenſyſteme
zu ſprechen wiſſen.

Ernſt und Lothar traten hinzu und erzaͤhl-
ten viel von der anmuthigen Lage der merkwuͤr-
digen Ruine, und Ernſt zuͤrnte uͤber den fre-
velnden Leichtſinn der Zeit, der ſchon ſo viel
Herrliches zerſtoͤrt habe und es allenthalben zu
vernichten fortfahre. Wie tief, rief er aus, wird

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[62/0073] Einleitung. und Fluth nicht begreifen konnte, haͤtte er ru- hig am Ufer geſtanden, und bloß den Kopf ein wenig geſchuͤttelt und gemurmelt: laͤppiſch! laͤp- piſch! Bis zum Abentheuerlichen unnatuͤrlich ſind die Cometen, verſetzte Anton, ja alle Exiſtenz hat wohl nur wie ein umgekehrter Handſchuh die unrechte Seite herausgedreht, und iſt dadurch exiſtirend geworden. Zweifelt ihr daran, ihr armen Suͤnder? rief Wilibald aus dem naͤchſten Laubengange heraus, in welchem er alles gehoͤrt hatte; koͤnnt ihr euch euren doppelten unbefriedigten Zuſtand anders er- klaͤren? Habt ihr dies nicht ſchon oft im Ernſt denken muͤſſen, wenn ihr uͤberhaupt daruͤber ge- dacht habt, was ihr jetzt als Spaß ausſprecht? Und wenn die Menſchenſeele ſich ſelbſt unvollen- det und umgedreht empfindet, warum ſoll denn alles uͤbrige Geſchaffene richtiger und beſſer ſein? Ihr hoffaͤrtigen Erdenwuͤrmer neigt euch in den Staub, und macht euch nicht uͤber Leute luſtig, die, wenn es die Noth erfordert, auch wohl uͤber Milchſtraßen und Trabanten und Sonnenſyſteme zu ſprechen wiſſen. Ernſt und Lothar traten hinzu und erzaͤhl- ten viel von der anmuthigen Lage der merkwuͤr- digen Ruine, und Ernſt zuͤrnte uͤber den fre- velnden Leichtſinn der Zeit, der ſchon ſo viel Herrliches zerſtoͤrt habe und es allenthalben zu vernichten fortfahre. Wie tief, rief er aus, wird

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/73>, abgerufen am 22.11.2024.