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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Dann hat er viele Quaal erfahren,
Ist endlich gar gen Himmel gefahren.
Großmutter.
Recht! es ist viel in deinen Jahren
Daß du schon so viel Gottes Wort weißt.
Rothkäppchen.
Im Katechismus steht es Wort für Wort.
Großmutter.
Herr Christus reiste von Ort zu Ort,
Seine Lehr zu predigen, Kranke zu heilen,
Und uns sein Evangelium zu ertheilen.
So ging er auch einst durch einen Wald,
Die Bäum' erkannten ihn alsbald,
In ihrer Unvernunft fingen sie an sich zu neigen
Und bis auf die Erde herunter zu beugen,
Rauschten dazu, als wenn sie grüßten
Und seine heiligen Fußstapfen küßten,
Die Eiche, die Buche, und wie man sie nennt,
Machen vor Gottes Sohn ihr schön Compliment.
Wie sich nun jeder Baum in Demuth wendt,
Sieht der Herr Jesus, daß das Espenholz
Grad aufrecht steht in seinem dummen Stolz,
Ihm auch durchaus will keine Ehr erzeigen,
Den steifen Rücken nicht zur Demuth neigen.
Da sprach der Herr: du willst mich nicht begrüßen,
Du stellst dich an, als wär ich nicht zugegen,
Dafür sollst du beständig rauschen müssen
Und dich in allen deinen Zweigen regen,
Und selbst im allerstillsten Wetter
Mit deinen grünen Läubern zittern!
Zweite Abtheilung.
Dann hat er viele Quaal erfahren,
Iſt endlich gar gen Himmel gefahren.
Großmutter.
Recht! es iſt viel in deinen Jahren
Daß du ſchon ſo viel Gottes Wort weißt.
Rothkaͤppchen.
Im Katechismus ſteht es Wort fuͤr Wort.
Großmutter.
Herr Chriſtus reiſte von Ort zu Ort,
Seine Lehr zu predigen, Kranke zu heilen,
Und uns ſein Evangelium zu ertheilen.
So ging er auch einſt durch einen Wald,
Die Baͤum' erkannten ihn alsbald,
In ihrer Unvernunft fingen ſie an ſich zu neigen
Und bis auf die Erde herunter zu beugen,
Rauſchten dazu, als wenn ſie gruͤßten
Und ſeine heiligen Fußſtapfen kuͤßten,
Die Eiche, die Buche, und wie man ſie nennt,
Machen vor Gottes Sohn ihr ſchoͤn Compliment.
Wie ſich nun jeder Baum in Demuth wendt,
Sieht der Herr Jeſus, daß das Espenholz
Grad aufrecht ſteht in ſeinem dummen Stolz,
Ihm auch durchaus will keine Ehr erzeigen,
Den ſteifen Ruͤcken nicht zur Demuth neigen.
Da ſprach der Herr: du willſt mich nicht begruͤßen,
Du ſtellſt dich an, als waͤr ich nicht zugegen,
Dafuͤr ſollſt du beſtaͤndig rauſchen muͤſſen
Und dich in allen deinen Zweigen regen,
Und ſelbſt im allerſtillſten Wetter
Mit deinen gruͤnen Laͤubern zittern!
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[486/0497] Zweite Abtheilung. Dann hat er viele Quaal erfahren, Iſt endlich gar gen Himmel gefahren. Großmutter. Recht! es iſt viel in deinen Jahren Daß du ſchon ſo viel Gottes Wort weißt. Rothkaͤppchen. Im Katechismus ſteht es Wort fuͤr Wort. Großmutter. Herr Chriſtus reiſte von Ort zu Ort, Seine Lehr zu predigen, Kranke zu heilen, Und uns ſein Evangelium zu ertheilen. So ging er auch einſt durch einen Wald, Die Baͤum' erkannten ihn alsbald, In ihrer Unvernunft fingen ſie an ſich zu neigen Und bis auf die Erde herunter zu beugen, Rauſchten dazu, als wenn ſie gruͤßten Und ſeine heiligen Fußſtapfen kuͤßten, Die Eiche, die Buche, und wie man ſie nennt, Machen vor Gottes Sohn ihr ſchoͤn Compliment. Wie ſich nun jeder Baum in Demuth wendt, Sieht der Herr Jeſus, daß das Espenholz Grad aufrecht ſteht in ſeinem dummen Stolz, Ihm auch durchaus will keine Ehr erzeigen, Den ſteifen Ruͤcken nicht zur Demuth neigen. Da ſprach der Herr: du willſt mich nicht begruͤßen, Du ſtellſt dich an, als waͤr ich nicht zugegen, Dafuͤr ſollſt du beſtaͤndig rauſchen muͤſſen Und dich in allen deinen Zweigen regen, Und ſelbſt im allerſtillſten Wetter Mit deinen gruͤnen Laͤubern zittern!

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/497>, abgerufen am 23.11.2024.