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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Du dürftest auch nicht in 'ner rothen Mütze gehn,
Müßtest schwarz und ehrbar dich tragen,
Einen Muff, 'nen hohen Kragen;
Das kann Gott der Herr nicht vertragen,
Daß man zu ihm wie zum Tanzboden springt,
Sein Wort mit rothen Mützen in der Kirche singt.
Rothkäppchen.
Bin doch schon so in die Kirche gegangen,
Und hat mir keiner was drum gethan.
Großmutter.
Als Kind ist dirs so hingegangen,
Die Unmünd'gen sieht er so genau nicht an.
Rothkäppchen.
Was hat aber Gott an so schönen rothen Mützen
Denn so gar Großes auszusetzen?
Großmutter.
Ei schweig, du böses Kind! Vor der Hand
Hast du davon noch keinen Verstand;
Wer da will in sein Himmelreich eingehen,
Muß sich wohl zu schwereren Dingen verstehen.
Ließe mich Gott nur so lange leben,
Daß ich dir zum Abendmahl könnt' ein Müffchen
schenken!

Doch ist daran nicht zu gedenken,
Ich muß wohl bald den Geist aufgeben.
Rothkäppchen.
Großmutter, nein, das thut nicht Noth.
Großmutter.
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod. --
Ich befehle mich in deine Hände! --
Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

Zweite Abtheilung.
Du duͤrfteſt auch nicht in 'ner rothen Muͤtze gehn,
Muͤßteſt ſchwarz und ehrbar dich tragen,
Einen Muff, 'nen hohen Kragen;
Das kann Gott der Herr nicht vertragen,
Daß man zu ihm wie zum Tanzboden ſpringt,
Sein Wort mit rothen Muͤtzen in der Kirche ſingt.
Rothkaͤppchen.
Bin doch ſchon ſo in die Kirche gegangen,
Und hat mir keiner was drum gethan.
Großmutter.
Als Kind iſt dirs ſo hingegangen,
Die Unmuͤnd'gen ſieht er ſo genau nicht an.
Rothkaͤppchen.
Was hat aber Gott an ſo ſchoͤnen rothen Muͤtzen
Denn ſo gar Großes auszuſetzen?
Großmutter.
Ei ſchweig, du boͤſes Kind! Vor der Hand
Haſt du davon noch keinen Verſtand;
Wer da will in ſein Himmelreich eingehen,
Muß ſich wohl zu ſchwereren Dingen verſtehen.
Ließe mich Gott nur ſo lange leben,
Daß ich dir zum Abendmahl koͤnnt' ein Muͤffchen
ſchenken!

Doch iſt daran nicht zu gedenken,
Ich muß wohl bald den Geiſt aufgeben.
Rothkaͤppchen.
Großmutter, nein, das thut nicht Noth.
Großmutter.
Hin geht die Zeit, her kommt der Tod. —
Ich befehle mich in deine Haͤnde! —
Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

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[482/0493] Zweite Abtheilung. Du duͤrfteſt auch nicht in 'ner rothen Muͤtze gehn, Muͤßteſt ſchwarz und ehrbar dich tragen, Einen Muff, 'nen hohen Kragen; Das kann Gott der Herr nicht vertragen, Daß man zu ihm wie zum Tanzboden ſpringt, Sein Wort mit rothen Muͤtzen in der Kirche ſingt. Rothkaͤppchen. Bin doch ſchon ſo in die Kirche gegangen, Und hat mir keiner was drum gethan. Großmutter. Als Kind iſt dirs ſo hingegangen, Die Unmuͤnd'gen ſieht er ſo genau nicht an. Rothkaͤppchen. Was hat aber Gott an ſo ſchoͤnen rothen Muͤtzen Denn ſo gar Großes auszuſetzen? Großmutter. Ei ſchweig, du boͤſes Kind! Vor der Hand Haſt du davon noch keinen Verſtand; Wer da will in ſein Himmelreich eingehen, Muß ſich wohl zu ſchwereren Dingen verſtehen. Ließe mich Gott nur ſo lange leben, Daß ich dir zum Abendmahl koͤnnt' ein Muͤffchen ſchenken! Doch iſt daran nicht zu gedenken, Ich muß wohl bald den Geiſt aufgeben. Rothkaͤppchen. Großmutter, nein, das thut nicht Noth. Großmutter. Hin geht die Zeit, her kommt der Tod. — Ich befehle mich in deine Haͤnde! — Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/493>, abgerufen am 15.05.2024.