Da hörte ich ein Trappeln, ein Klirren, ein Flü- stern und Säuseln näher und näher; es ging nach meiner Fähre hin, hinein stiegen alle, große und kleine leuchtende Gestalten, Männer und Frauen, wie es schien, und Kinder, und der große fremde Mann fuhr sie alle hinüber; im Strome schwam- men neben dem Fahrzeuge viel tausend helle Ge- bilde, in der Luft flatterten Lichter und weiße Ne- bel, und alles klagte und jammerte, daß sie so weit, weit reisen müßten, aus der geliebten ange- wöhnten Gegend fort. Der Ruderschlag und das Wasser rauschten dazwischen, und dann war wie- der plötzlich eine Stille. Oft stieß die Fähre an, und kam zurück und ward von neuem beladen, auch viele schwere Gefäße nahmen sie mit, die gräßliche kleine Gesellen trugen und rollten; waren es Teu- fel, waren es Kobolde, ich weiß es nicht. Dann kam im wogenden Glanz ein stattlicher Zug. Ein Greis schien es, auf einem weißen kleinen Rosse, um den sich alles drängte, ich sah aber nur den Kopf des Pferdes, denn es war über und über mit kostbaren glänzenden Decken verhangen; auf dem Haupt trug der Alte eine Krone, so daß ich dachte, als er hinüber gefahren, die Sonne wolle von dorten aufgehn, und das Morgenroth funkle mir entgegen. So währte es die ganze Nacht; ich schlief endlich in dem Gewirre ein, zum Theil in Freude, zum Theil in Schauder. Am Morgen war alles ruhig, aber der Fluß ist wie weg ge- laufen, so daß ich Noth haben werde mein Fahr- zeug zu regieren.
Die Elfen.
Da hoͤrte ich ein Trappeln, ein Klirren, ein Fluͤ- ſtern und Saͤuſeln naͤher und naͤher; es ging nach meiner Faͤhre hin, hinein ſtiegen alle, große und kleine leuchtende Geſtalten, Maͤnner und Frauen, wie es ſchien, und Kinder, und der große fremde Mann fuhr ſie alle hinuͤber; im Strome ſchwam- men neben dem Fahrzeuge viel tauſend helle Ge- bilde, in der Luft flatterten Lichter und weiße Ne- bel, und alles klagte und jammerte, daß ſie ſo weit, weit reiſen muͤßten, aus der geliebten ange- woͤhnten Gegend fort. Der Ruderſchlag und das Waſſer rauſchten dazwiſchen, und dann war wie- der ploͤtzlich eine Stille. Oft ſtieß die Faͤhre an, und kam zuruͤck und ward von neuem beladen, auch viele ſchwere Gefaͤße nahmen ſie mit, die graͤßliche kleine Geſellen trugen und rollten; waren es Teu- fel, waren es Kobolde, ich weiß es nicht. Dann kam im wogenden Glanz ein ſtattlicher Zug. Ein Greis ſchien es, auf einem weißen kleinen Roſſe, um den ſich alles draͤngte, ich ſah aber nur den Kopf des Pferdes, denn es war uͤber und uͤber mit koſtbaren glaͤnzenden Decken verhangen; auf dem Haupt trug der Alte eine Krone, ſo daß ich dachte, als er hinuͤber gefahren, die Sonne wolle von dorten aufgehn, und das Morgenroth funkle mir entgegen. So waͤhrte es die ganze Nacht; ich ſchlief endlich in dem Gewirre ein, zum Theil in Freude, zum Theil in Schauder. Am Morgen war alles ruhig, aber der Fluß iſt wie weg ge- laufen, ſo daß ich Noth haben werde mein Fahr- zeug zu regieren.
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Die Elfen.
Da hoͤrte ich ein Trappeln, ein Klirren, ein Fluͤ-
ſtern und Saͤuſeln naͤher und naͤher; es ging nach
meiner Faͤhre hin, hinein ſtiegen alle, große und
kleine leuchtende Geſtalten, Maͤnner und Frauen,
wie es ſchien, und Kinder, und der große fremde
Mann fuhr ſie alle hinuͤber; im Strome ſchwam-
men neben dem Fahrzeuge viel tauſend helle Ge-
bilde, in der Luft flatterten Lichter und weiße Ne-
bel, und alles klagte und jammerte, daß ſie ſo
weit, weit reiſen muͤßten, aus der geliebten ange-
woͤhnten Gegend fort. Der Ruderſchlag und das
Waſſer rauſchten dazwiſchen, und dann war wie-
der ploͤtzlich eine Stille. Oft ſtieß die Faͤhre an,
und kam zuruͤck und ward von neuem beladen, auch
viele ſchwere Gefaͤße nahmen ſie mit, die graͤßliche
kleine Geſellen trugen und rollten; waren es Teu-
fel, waren es Kobolde, ich weiß es nicht. Dann
kam im wogenden Glanz ein ſtattlicher Zug. Ein
Greis ſchien es, auf einem weißen kleinen Roſſe,
um den ſich alles draͤngte, ich ſah aber nur den
Kopf des Pferdes, denn es war uͤber und uͤber
mit koſtbaren glaͤnzenden Decken verhangen; auf
dem Haupt trug der Alte eine Krone, ſo daß ich
dachte, als er hinuͤber gefahren, die Sonne wolle
von dorten aufgehn, und das Morgenroth funkle
mir entgegen. So waͤhrte es die ganze Nacht;
ich ſchlief endlich in dem Gewirre ein, zum Theil
in Freude, zum Theil in Schauder. Am Morgen
war alles ruhig, aber der Fluß iſt wie weg ge-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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