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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
tete sehr darauf, Kleider und Wäsche selbst einzu-
packen, und durchaus Niemand, auch die Mutter
nicht, über ihre Sachen kommen zu lassen. Die
Mutter sah ihr in diesem Eigensinne nach, weil
sie sich nichts weiter dabei dachte, aber wie er-
staunte sie, als sie sie an einem Feiertage, zu ei-
nem Besuch auf dem Schlosse, mit Gewalt um-
kleidete, so sehr sich auch die Kleine mit Geschrei
und Thränen dagegen wehrte, und auf ihrer Brust
an einen Faden hängend, ein Goldstück von selt-
samer Form antraf, welches sie sogleich für eines
von jenen erkannte, deren sie so viele in dem un-
terirdischen Gewölbe gesehn hatte. Die Kleine war
sehr erschrocken, und gestand endlich, sie habe es
im Garten gefunden, und da es ihr sehr wohlge-
fallen, habe sie es so ämsig aufbewahrt; sie bat
auch so dringend und herzlich, es ihr zu lassen,
daß Marie es wieder auf derselben Stelle befestigte
und voller Gedanken mit ihr stillschweigend zum
Schlosse hinauf ging.

Seitwärts vom Hause der Pachterfamilie la-
gen einige Wirthschaftsgebäude zur Aufbewahrung
der Früchte und des Feldgeräthes, und hinter die-
sen befand sich ein Grasplatz mit einer alten Laube
die aber kein Mensch jetzt besuchte, weil sie nach
der neuen Einrichtung der Gebäude zu entfernt
vom Garten war. In dieser Einsamkeit hielt sich
Elfriede am liebsten auf, und es fiel Niemanden
ein, sie hier zu stören, so daß die Eltern oft in
halben Tagen ihrer nicht ansichtig wurden. An
einem Nachmittage befand sich die Mutter in den

Erſte Abtheilung.
tete ſehr darauf, Kleider und Waͤſche ſelbſt einzu-
packen, und durchaus Niemand, auch die Mutter
nicht, uͤber ihre Sachen kommen zu laſſen. Die
Mutter ſah ihr in dieſem Eigenſinne nach, weil
ſie ſich nichts weiter dabei dachte, aber wie er-
ſtaunte ſie, als ſie ſie an einem Feiertage, zu ei-
nem Beſuch auf dem Schloſſe, mit Gewalt um-
kleidete, ſo ſehr ſich auch die Kleine mit Geſchrei
und Thraͤnen dagegen wehrte, und auf ihrer Bruſt
an einen Faden haͤngend, ein Goldſtuͤck von ſelt-
ſamer Form antraf, welches ſie ſogleich fuͤr eines
von jenen erkannte, deren ſie ſo viele in dem un-
terirdiſchen Gewoͤlbe geſehn hatte. Die Kleine war
ſehr erſchrocken, und geſtand endlich, ſie habe es
im Garten gefunden, und da es ihr ſehr wohlge-
fallen, habe ſie es ſo aͤmſig aufbewahrt; ſie bat
auch ſo dringend und herzlich, es ihr zu laſſen,
daß Marie es wieder auf derſelben Stelle befeſtigte
und voller Gedanken mit ihr ſtillſchweigend zum
Schloſſe hinauf ging.

Seitwaͤrts vom Hauſe der Pachterfamilie la-
gen einige Wirthſchaftsgebaͤude zur Aufbewahrung
der Fruͤchte und des Feldgeraͤthes, und hinter die-
ſen befand ſich ein Grasplatz mit einer alten Laube
die aber kein Menſch jetzt beſuchte, weil ſie nach
der neuen Einrichtung der Gebaͤude zu entfernt
vom Garten war. In dieſer Einſamkeit hielt ſich
Elfriede am liebſten auf, und es fiel Niemanden
ein, ſie hier zu ſtoͤren, ſo daß die Eltern oft in
halben Tagen ihrer nicht anſichtig wurden. An
einem Nachmittage befand ſich die Mutter in den

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[422/0433] Erſte Abtheilung. tete ſehr darauf, Kleider und Waͤſche ſelbſt einzu- packen, und durchaus Niemand, auch die Mutter nicht, uͤber ihre Sachen kommen zu laſſen. Die Mutter ſah ihr in dieſem Eigenſinne nach, weil ſie ſich nichts weiter dabei dachte, aber wie er- ſtaunte ſie, als ſie ſie an einem Feiertage, zu ei- nem Beſuch auf dem Schloſſe, mit Gewalt um- kleidete, ſo ſehr ſich auch die Kleine mit Geſchrei und Thraͤnen dagegen wehrte, und auf ihrer Bruſt an einen Faden haͤngend, ein Goldſtuͤck von ſelt- ſamer Form antraf, welches ſie ſogleich fuͤr eines von jenen erkannte, deren ſie ſo viele in dem un- terirdiſchen Gewoͤlbe geſehn hatte. Die Kleine war ſehr erſchrocken, und geſtand endlich, ſie habe es im Garten gefunden, und da es ihr ſehr wohlge- fallen, habe ſie es ſo aͤmſig aufbewahrt; ſie bat auch ſo dringend und herzlich, es ihr zu laſſen, daß Marie es wieder auf derſelben Stelle befeſtigte und voller Gedanken mit ihr ſtillſchweigend zum Schloſſe hinauf ging. Seitwaͤrts vom Hauſe der Pachterfamilie la- gen einige Wirthſchaftsgebaͤude zur Aufbewahrung der Fruͤchte und des Feldgeraͤthes, und hinter die- ſen befand ſich ein Grasplatz mit einer alten Laube die aber kein Menſch jetzt beſuchte, weil ſie nach der neuen Einrichtung der Gebaͤude zu entfernt vom Garten war. In dieſer Einſamkeit hielt ſich Elfriede am liebſten auf, und es fiel Niemanden ein, ſie hier zu ſtoͤren, ſo daß die Eltern oft in halben Tagen ihrer nicht anſichtig wurden. An einem Nachmittage befand ſich die Mutter in den

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/433>, abgerufen am 25.11.2024.