Wahrlich! rief Theodor aus, es giebt kein größeres Glück, als Freunde zu besitzen, sie nach Jahren in schöner Gegend in anmuthiger Früh- lingszeit wieder zu finden, mit ihnen zu schwatzen, alle ihre Eigenheiten wieder zu erkennen, sich der Vergangenheit zu erinnern und mit dem Zu- trauen allen in die Augen zu blicken, wie ich es Gottlob! hier thun kann. Nur der Friedrich ist nicht, wie sonst. Hast du Gram, mein Lieber?
Laß mich, guter heitrer Freund, sagte Frie- drich, es soll nicht lange währen, so wirst du und ihr alle mehr von mir erfahren. Weißt du doch nicht, ob ich nicht vielleicht am Glücke krank liege.
Wenn das ist, sagte Theodor, so möge Gott nur den Arzt noch recht lange von dir entfernt halten. O wärst du doch lieber gar inkurabel! Aber leider ist die Heilung dieser Krankheit nur gar zu gewiß; o die Zeit, die böse, liebe, gute, alte, vergeßliche und doch mit dem unverwüst- lichen Gedächtniß, das wiederkäuende große ernste Thier, die alles erzeugt und alles verwandelt, sie wird freilich machen, daß wir einer den an- dern und uns selbst nach wenigen Jahren mit ganz veränderten Augen ansehn.
Dadurch könntest du ihn noch trauriger machen, fiel Lothar ein; freilich will uns alles überreden, daß das Leben kein romantisches Lust- spiel sei, wie etwa Was ihr wollt, oder Wie es euch gefällt, sondern daß es aus diesen Regio-
nen
Einleitung.
Wahrlich! rief Theodor aus, es giebt kein groͤßeres Gluͤck, als Freunde zu beſitzen, ſie nach Jahren in ſchoͤner Gegend in anmuthiger Fruͤh- lingszeit wieder zu finden, mit ihnen zu ſchwatzen, alle ihre Eigenheiten wieder zu erkennen, ſich der Vergangenheit zu erinnern und mit dem Zu- trauen allen in die Augen zu blicken, wie ich es Gottlob! hier thun kann. Nur der Friedrich iſt nicht, wie ſonſt. Haſt du Gram, mein Lieber?
Laß mich, guter heitrer Freund, ſagte Frie- drich, es ſoll nicht lange waͤhren, ſo wirſt du und ihr alle mehr von mir erfahren. Weißt du doch nicht, ob ich nicht vielleicht am Gluͤcke krank liege.
Wenn das iſt, ſagte Theodor, ſo moͤge Gott nur den Arzt noch recht lange von dir entfernt halten. O waͤrſt du doch lieber gar inkurabel! Aber leider iſt die Heilung dieſer Krankheit nur gar zu gewiß; o die Zeit, die boͤſe, liebe, gute, alte, vergeßliche und doch mit dem unverwuͤſt- lichen Gedaͤchtniß, das wiederkaͤuende große ernſte Thier, die alles erzeugt und alles verwandelt, ſie wird freilich machen, daß wir einer den an- dern und uns ſelbſt nach wenigen Jahren mit ganz veraͤnderten Augen anſehn.
Dadurch koͤnnteſt du ihn noch trauriger machen, fiel Lothar ein; freilich will uns alles uͤberreden, daß das Leben kein romantiſches Luſt- ſpiel ſei, wie etwa Was ihr wollt, oder Wie es euch gefaͤllt, ſondern daß es aus dieſen Regio-
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Einleitung.
Wahrlich! rief Theodor aus, es giebt kein
groͤßeres Gluͤck, als Freunde zu beſitzen, ſie nach
Jahren in ſchoͤner Gegend in anmuthiger Fruͤh-
lingszeit wieder zu finden, mit ihnen zu ſchwatzen,
alle ihre Eigenheiten wieder zu erkennen, ſich
der Vergangenheit zu erinnern und mit dem Zu-
trauen allen in die Augen zu blicken, wie ich es
Gottlob! hier thun kann. Nur der Friedrich iſt
nicht, wie ſonſt. Haſt du Gram, mein Lieber?
Laß mich, guter heitrer Freund, ſagte Frie-
drich, es ſoll nicht lange waͤhren, ſo wirſt du
und ihr alle mehr von mir erfahren. Weißt du
doch nicht, ob ich nicht vielleicht am Gluͤcke
krank liege.
Wenn das iſt, ſagte Theodor, ſo moͤge Gott
nur den Arzt noch recht lange von dir entfernt
halten. O waͤrſt du doch lieber gar inkurabel!
Aber leider iſt die Heilung dieſer Krankheit nur
gar zu gewiß; o die Zeit, die boͤſe, liebe, gute,
alte, vergeßliche und doch mit dem unverwuͤſt-
lichen Gedaͤchtniß, das wiederkaͤuende große ernſte
Thier, die alles erzeugt und alles verwandelt,
ſie wird freilich machen, daß wir einer den an-
dern und uns ſelbſt nach wenigen Jahren mit
ganz veraͤnderten Augen anſehn.
Dadurch koͤnnteſt du ihn noch trauriger
machen, fiel Lothar ein; freilich will uns alles
uͤberreden, daß das Leben kein romantiſches Luſt-
ſpiel ſei, wie etwa Was ihr wollt, oder Wie
es euch gefaͤllt, ſondern daß es aus dieſen Regio-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/43>, abgerufen am 24.11.2024.
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