Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Die Elfen. Sie stiegen zu den finstern Tannen hinauf, undein kalter Wind wehte ihnen von draußen entge- gen; ein Nebel schien weit umher auf der Land- schaft zu liegen. Oben standen wunderliche Gestal- ten, mit mehligen bestäubten Angesichtern, den widerlichen Häuptern der weißen Eulen nicht un- ähnlich; sie waren in faltigen Mänteln von zotti- ger Wolle gekleidet, und hielten Regenschirme von seltsamen Häuten ausgespannt über sich; mit Fle- dermausflügeln, die abentheuerlich neben dem Rok- kelor hervor starrten, wehten und fächelten sie un- ablässig. Ich möchte lachen und mir graut, sagte Marie. Diese sind unsre guten fleißigen Wächter, sagte die kleine Gespielin, sie stehen hier und we- hen, damit jeden kalte Angst und wundersames Fürchten befällt, der sich uns nähern will; sie sind aber so bedeckt, weil es jetzt draußen regnet und friert, was sie nicht vertragen können. Hier un- ten kommt niemals Schnee und Wind, noch kalte Luft her, hier ist ein ewiger Sommer und Früh- ling, doch wenn die da oben nicht oft abgelöst wür- den, so vergingen sie gar. Aber wer seid ihr denn, fragte Marie, indem Wir heißen Elfen, sagte das freundliche Kind, Sie hörten auf der Wiese ein großes Ge- Die Elfen. Sie ſtiegen zu den finſtern Tannen hinauf, undein kalter Wind wehte ihnen von draußen entge- gen; ein Nebel ſchien weit umher auf der Land- ſchaft zu liegen. Oben ſtanden wunderliche Geſtal- ten, mit mehligen beſtaͤubten Angeſichtern, den widerlichen Haͤuptern der weißen Eulen nicht un- aͤhnlich; ſie waren in faltigen Maͤnteln von zotti- ger Wolle gekleidet, und hielten Regenſchirme von ſeltſamen Haͤuten ausgeſpannt uͤber ſich; mit Fle- dermausfluͤgeln, die abentheuerlich neben dem Rok- kelor hervor ſtarrten, wehten und faͤchelten ſie un- ablaͤſſig. Ich moͤchte lachen und mir graut, ſagte Marie. Dieſe ſind unſre guten fleißigen Waͤchter, ſagte die kleine Geſpielin, ſie ſtehen hier und we- hen, damit jeden kalte Angſt und wunderſames Fuͤrchten befaͤllt, der ſich uns naͤhern will; ſie ſind aber ſo bedeckt, weil es jetzt draußen regnet und friert, was ſie nicht vertragen koͤnnen. Hier un- ten kommt niemals Schnee und Wind, noch kalte Luft her, hier iſt ein ewiger Sommer und Fruͤh- ling, doch wenn die da oben nicht oft abgeloͤſt wuͤr- den, ſo vergingen ſie gar. Aber wer ſeid ihr denn, fragte Marie, indem Wir heißen Elfen, ſagte das freundliche Kind, Sie hoͤrten auf der Wieſe ein großes Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0424" n="413"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Elfen</hi>.</fw><lb/> Sie ſtiegen zu den finſtern Tannen hinauf, und<lb/> ein kalter Wind wehte ihnen von draußen entge-<lb/> gen; ein Nebel ſchien weit umher auf der Land-<lb/> ſchaft zu liegen. Oben ſtanden wunderliche Geſtal-<lb/> ten, mit mehligen beſtaͤubten Angeſichtern, den<lb/> widerlichen Haͤuptern der weißen Eulen nicht un-<lb/> aͤhnlich; ſie waren in faltigen Maͤnteln von zotti-<lb/> ger Wolle gekleidet, und hielten Regenſchirme von<lb/> ſeltſamen Haͤuten ausgeſpannt uͤber ſich; mit Fle-<lb/> dermausfluͤgeln, die abentheuerlich neben dem Rok-<lb/> kelor hervor ſtarrten, wehten und faͤchelten ſie un-<lb/> ablaͤſſig. Ich moͤchte lachen und mir graut, ſagte<lb/> Marie. Dieſe ſind unſre guten fleißigen Waͤchter,<lb/> ſagte die kleine Geſpielin, ſie ſtehen hier und we-<lb/> hen, damit jeden kalte Angſt und wunderſames<lb/> Fuͤrchten befaͤllt, der ſich uns naͤhern will; ſie ſind<lb/> aber ſo bedeckt, weil es jetzt draußen regnet und<lb/> friert, was ſie nicht vertragen koͤnnen. Hier un-<lb/> ten kommt niemals Schnee und Wind, noch kalte<lb/> Luft her, hier iſt ein ewiger Sommer und Fruͤh-<lb/> ling, doch wenn die da oben nicht oft abgeloͤſt wuͤr-<lb/> den, ſo vergingen ſie gar.</p><lb/> <p>Aber wer ſeid ihr denn, fragte Marie, indem<lb/> ſie wieder in die Blumenduͤfte hinunter ſtiegen,<lb/> oder habt ihr keinen Namen, woran man euch<lb/> erkennt?</p><lb/> <p>Wir heißen Elfen, ſagte das freundliche Kind,<lb/> man ſpricht auch wohl in der Welt von uns, wie<lb/> ich gehoͤrt habe.</p><lb/> <p>Sie hoͤrten auf der Wieſe ein großes Ge-<lb/> tuͤmmel. Der ſchoͤne Vogel iſt angekommen! rie-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [413/0424]
Die Elfen.
Sie ſtiegen zu den finſtern Tannen hinauf, und
ein kalter Wind wehte ihnen von draußen entge-
gen; ein Nebel ſchien weit umher auf der Land-
ſchaft zu liegen. Oben ſtanden wunderliche Geſtal-
ten, mit mehligen beſtaͤubten Angeſichtern, den
widerlichen Haͤuptern der weißen Eulen nicht un-
aͤhnlich; ſie waren in faltigen Maͤnteln von zotti-
ger Wolle gekleidet, und hielten Regenſchirme von
ſeltſamen Haͤuten ausgeſpannt uͤber ſich; mit Fle-
dermausfluͤgeln, die abentheuerlich neben dem Rok-
kelor hervor ſtarrten, wehten und faͤchelten ſie un-
ablaͤſſig. Ich moͤchte lachen und mir graut, ſagte
Marie. Dieſe ſind unſre guten fleißigen Waͤchter,
ſagte die kleine Geſpielin, ſie ſtehen hier und we-
hen, damit jeden kalte Angſt und wunderſames
Fuͤrchten befaͤllt, der ſich uns naͤhern will; ſie ſind
aber ſo bedeckt, weil es jetzt draußen regnet und
friert, was ſie nicht vertragen koͤnnen. Hier un-
ten kommt niemals Schnee und Wind, noch kalte
Luft her, hier iſt ein ewiger Sommer und Fruͤh-
ling, doch wenn die da oben nicht oft abgeloͤſt wuͤr-
den, ſo vergingen ſie gar.
Aber wer ſeid ihr denn, fragte Marie, indem
ſie wieder in die Blumenduͤfte hinunter ſtiegen,
oder habt ihr keinen Namen, woran man euch
erkennt?
Wir heißen Elfen, ſagte das freundliche Kind,
man ſpricht auch wohl in der Welt von uns, wie
ich gehoͤrt habe.
Sie hoͤrten auf der Wieſe ein großes Ge-
tuͤmmel. Der ſchoͤne Vogel iſt angekommen! rie-
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