Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Elfen.
Endlich stand der Nachen. Man nahm Abschied
und Zerina klopfte an den Felsen. Wie eine Thür
that sich dieser von einander, und eine ganz rothe
weibliche Gestalt half ihnen aussteigen. Geht es
recht lustig zu? fragte Zerina. Sie sind eben in
Thätigkeit, antwortete jene, und so freudig, wie
man sie nur sehn kann, aber die Wärme ist auch
äußerst angenehm.

Sie stiegen eine Wendeltreppe hinauf, und
plötzlich sah sich Marie in dem glänzendsten Saal,
so daß beim Eintreten ihre Augen vom hellen Lichte
geblendet waren. Feuerrothe Tapeten bedeckten mit
Purpurgluth die Wände, und als sich das Auge
etwas gewöhnt hatte, sah sie zu ihrem Erstaunen,
wie im Teppich sich Figuren tanzend auf und nie-
der in der größten Freude bewegten, die so lieblich
gebaut und von so schönen Verhältnissen waren,
daß man nichts Anmuthigeres sehn konnte; ihr
Körper war wie von röthlichem Kristall, so daß
es schien, als flösse und spielte in ihnen sichtbar
das bewegte Blut. Sie lachten das fremde Kind
an, und begrüßten es mit verschiedenen Beugungen;
aber als Marie näher gehen wollte, hielt sie Ze-
rina plötzlich mit Gewalt zurück, und rief: du ver-
brennst dich, Mariechen, denn alles ist Feuer!

Marie fühlte die Hitze. Warum kommen nur,
sagte sie, die allerliebsten Creaturen nicht zu uns
heraus, und spielen mit uns? Wie du in der Luft
lebst, sagte jene, so müssen sie immer im Feuer
bleiben, und würden hier draußen verschmachten.
Sieh nur, wie ihnen wohl ist, wie sie lachen und

Die Elfen.
Endlich ſtand der Nachen. Man nahm Abſchied
und Zerina klopfte an den Felſen. Wie eine Thuͤr
that ſich dieſer von einander, und eine ganz rothe
weibliche Geſtalt half ihnen ausſteigen. Geht es
recht luſtig zu? fragte Zerina. Sie ſind eben in
Thaͤtigkeit, antwortete jene, und ſo freudig, wie
man ſie nur ſehn kann, aber die Waͤrme iſt auch
aͤußerſt angenehm.

Sie ſtiegen eine Wendeltreppe hinauf, und
ploͤtzlich ſah ſich Marie in dem glaͤnzendſten Saal,
ſo daß beim Eintreten ihre Augen vom hellen Lichte
geblendet waren. Feuerrothe Tapeten bedeckten mit
Purpurgluth die Waͤnde, und als ſich das Auge
etwas gewoͤhnt hatte, ſah ſie zu ihrem Erſtaunen,
wie im Teppich ſich Figuren tanzend auf und nie-
der in der groͤßten Freude bewegten, die ſo lieblich
gebaut und von ſo ſchoͤnen Verhaͤltniſſen waren,
daß man nichts Anmuthigeres ſehn konnte; ihr
Koͤrper war wie von roͤthlichem Kriſtall, ſo daß
es ſchien, als floͤſſe und ſpielte in ihnen ſichtbar
das bewegte Blut. Sie lachten das fremde Kind
an, und begruͤßten es mit verſchiedenen Beugungen;
aber als Marie naͤher gehen wollte, hielt ſie Ze-
rina ploͤtzlich mit Gewalt zuruͤck, und rief: du ver-
brennſt dich, Mariechen, denn alles iſt Feuer!

Marie fuͤhlte die Hitze. Warum kommen nur,
ſagte ſie, die allerliebſten Creaturen nicht zu uns
heraus, und ſpielen mit uns? Wie du in der Luft
lebſt, ſagte jene, ſo muͤſſen ſie immer im Feuer
bleiben, und wuͤrden hier draußen verſchmachten.
Sieh nur, wie ihnen wohl iſt, wie ſie lachen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="411"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Elfen</hi>.</fw><lb/>
Endlich &#x017F;tand der Nachen. Man nahm Ab&#x017F;chied<lb/>
und Zerina klopfte an den Fel&#x017F;en. Wie eine Thu&#x0364;r<lb/>
that &#x017F;ich die&#x017F;er von einander, und eine ganz rothe<lb/>
weibliche Ge&#x017F;talt half ihnen aus&#x017F;teigen. Geht es<lb/>
recht lu&#x017F;tig zu? fragte Zerina. Sie &#x017F;ind eben in<lb/>
Tha&#x0364;tigkeit, antwortete jene, und &#x017F;o freudig, wie<lb/>
man &#x017F;ie nur &#x017F;ehn kann, aber die Wa&#x0364;rme i&#x017F;t auch<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;t angenehm.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;tiegen eine Wendeltreppe hinauf, und<lb/>
plo&#x0364;tzlich &#x017F;ah &#x017F;ich Marie in dem gla&#x0364;nzend&#x017F;ten Saal,<lb/>
&#x017F;o daß beim Eintreten ihre Augen vom hellen Lichte<lb/>
geblendet waren. Feuerrothe Tapeten bedeckten mit<lb/>
Purpurgluth die Wa&#x0364;nde, und als &#x017F;ich das Auge<lb/>
etwas gewo&#x0364;hnt hatte, &#x017F;ah &#x017F;ie zu ihrem Er&#x017F;taunen,<lb/>
wie im Teppich &#x017F;ich Figuren tanzend auf und nie-<lb/>
der in der gro&#x0364;ßten Freude bewegten, die &#x017F;o lieblich<lb/>
gebaut und von &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en waren,<lb/>
daß man nichts Anmuthigeres &#x017F;ehn konnte; ihr<lb/>
Ko&#x0364;rper war wie von ro&#x0364;thlichem Kri&#x017F;tall, &#x017F;o daß<lb/>
es &#x017F;chien, als flo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;pielte in ihnen &#x017F;ichtbar<lb/>
das bewegte Blut. Sie lachten das fremde Kind<lb/>
an, und begru&#x0364;ßten es mit ver&#x017F;chiedenen Beugungen;<lb/>
aber als Marie na&#x0364;her gehen wollte, hielt &#x017F;ie Ze-<lb/>
rina plo&#x0364;tzlich mit Gewalt zuru&#x0364;ck, und rief: du ver-<lb/>
brenn&#x017F;t dich, Mariechen, denn alles i&#x017F;t Feuer!</p><lb/>
          <p>Marie fu&#x0364;hlte die Hitze. Warum kommen nur,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, die allerlieb&#x017F;ten Creaturen nicht zu uns<lb/>
heraus, und &#x017F;pielen mit uns? Wie du in der Luft<lb/>
leb&#x017F;t, &#x017F;agte jene, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie immer im Feuer<lb/>
bleiben, und wu&#x0364;rden hier draußen ver&#x017F;chmachten.<lb/>
Sieh nur, wie ihnen wohl i&#x017F;t, wie &#x017F;ie lachen und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0422] Die Elfen. Endlich ſtand der Nachen. Man nahm Abſchied und Zerina klopfte an den Felſen. Wie eine Thuͤr that ſich dieſer von einander, und eine ganz rothe weibliche Geſtalt half ihnen ausſteigen. Geht es recht luſtig zu? fragte Zerina. Sie ſind eben in Thaͤtigkeit, antwortete jene, und ſo freudig, wie man ſie nur ſehn kann, aber die Waͤrme iſt auch aͤußerſt angenehm. Sie ſtiegen eine Wendeltreppe hinauf, und ploͤtzlich ſah ſich Marie in dem glaͤnzendſten Saal, ſo daß beim Eintreten ihre Augen vom hellen Lichte geblendet waren. Feuerrothe Tapeten bedeckten mit Purpurgluth die Waͤnde, und als ſich das Auge etwas gewoͤhnt hatte, ſah ſie zu ihrem Erſtaunen, wie im Teppich ſich Figuren tanzend auf und nie- der in der groͤßten Freude bewegten, die ſo lieblich gebaut und von ſo ſchoͤnen Verhaͤltniſſen waren, daß man nichts Anmuthigeres ſehn konnte; ihr Koͤrper war wie von roͤthlichem Kriſtall, ſo daß es ſchien, als floͤſſe und ſpielte in ihnen ſichtbar das bewegte Blut. Sie lachten das fremde Kind an, und begruͤßten es mit verſchiedenen Beugungen; aber als Marie naͤher gehen wollte, hielt ſie Ze- rina ploͤtzlich mit Gewalt zuruͤck, und rief: du ver- brennſt dich, Mariechen, denn alles iſt Feuer! Marie fuͤhlte die Hitze. Warum kommen nur, ſagte ſie, die allerliebſten Creaturen nicht zu uns heraus, und ſpielen mit uns? Wie du in der Luft lebſt, ſagte jene, ſo muͤſſen ſie immer im Feuer bleiben, und wuͤrden hier draußen verſchmachten. Sieh nur, wie ihnen wohl iſt, wie ſie lachen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/422
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/422>, abgerufen am 22.11.2024.