Vaters und ihrer Mutter zu hören, und so trieb sich ihr Gemüth unter Phantasien auf und ab, bis der Morgen empor kam. Wie verschieden war diese Morgenröthe von der gestrigen! Wie weit stand jetzt die Hofnung weg, die gestern noch mit leichten Flügeln wie ein blauer Schmetterling vor ihr hintanzte, die ihr den Weg nach einer lieben Heimath wies, und alle Blumen am Wege auf- suchte und auf sie hindeutete.
Das Waldgeflügel ließ seine Gesänge wieder klingen, das frühe Roth arbeitete sich durch den dichten Wald, schlich gebückt und wundersam durch die niedrigen Gesträuche, und weckte Gras und Blumen auf; der Wald brannte in dunkelro- then Flammen und der Nebel wand sich in golde- nen Säulen um die Baumstämme. Magelone hatte in der Nacht beschlossen, nicht zu ihrem Vater zu- rückzukehren, denn sie fürchtete seinen Zorn, sie wollte irgend eine stille Wohnung aufsuchen, von den Menschen abgesondert, dort immer an ihren Geliebten denken und so in Frömmigkeit und Treue hinsterben. Sie stieg daher vom Baum herunter und ging wieder zu den treuen Pferden, die noch angebunden standen, und den Kopf betrübt zur Erde senkten. Sie löste ihre Zügel, so daß sie gehn konnten, wohin sie wollten, indem sie sagte: so wandert nun auch hin durch die weite traurige Welt, und suchet euren Herren wieder, so wie ich ihn suchen will. Die Rosse gingen betrübt fort, jedes einen andern Weg.
Magelone wanderte durch die dichten Wälder,
Erſte Abtheilung.
Vaters und ihrer Mutter zu hoͤren, und ſo trieb ſich ihr Gemuͤth unter Phantaſien auf und ab, bis der Morgen empor kam. Wie verſchieden war dieſe Morgenroͤthe von der geſtrigen! Wie weit ſtand jetzt die Hofnung weg, die geſtern noch mit leichten Fluͤgeln wie ein blauer Schmetterling vor ihr hintanzte, die ihr den Weg nach einer lieben Heimath wies, und alle Blumen am Wege auf- ſuchte und auf ſie hindeutete.
Das Waldgefluͤgel ließ ſeine Geſaͤnge wieder klingen, das fruͤhe Roth arbeitete ſich durch den dichten Wald, ſchlich gebuͤckt und wunderſam durch die niedrigen Geſtraͤuche, und weckte Gras und Blumen auf; der Wald brannte in dunkelro- then Flammen und der Nebel wand ſich in golde- nen Saͤulen um die Baumſtaͤmme. Magelone hatte in der Nacht beſchloſſen, nicht zu ihrem Vater zu- ruͤckzukehren, denn ſie fuͤrchtete ſeinen Zorn, ſie wollte irgend eine ſtille Wohnung aufſuchen, von den Menſchen abgeſondert, dort immer an ihren Geliebten denken und ſo in Froͤmmigkeit und Treue hinſterben. Sie ſtieg daher vom Baum herunter und ging wieder zu den treuen Pferden, die noch angebunden ſtanden, und den Kopf betruͤbt zur Erde ſenkten. Sie loͤſte ihre Zuͤgel, ſo daß ſie gehn konnten, wohin ſie wollten, indem ſie ſagte: ſo wandert nun auch hin durch die weite traurige Welt, und ſuchet euren Herren wieder, ſo wie ich ihn ſuchen will. Die Roſſe gingen betruͤbt fort, jedes einen andern Weg.
Magelone wanderte durch die dichten Waͤlder,
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Erſte Abtheilung.
Vaters und ihrer Mutter zu hoͤren, und ſo trieb
ſich ihr Gemuͤth unter Phantaſien auf und ab,
bis der Morgen empor kam. Wie verſchieden war
dieſe Morgenroͤthe von der geſtrigen! Wie weit
ſtand jetzt die Hofnung weg, die geſtern noch mit
leichten Fluͤgeln wie ein blauer Schmetterling vor
ihr hintanzte, die ihr den Weg nach einer lieben
Heimath wies, und alle Blumen am Wege auf-
ſuchte und auf ſie hindeutete.
Das Waldgefluͤgel ließ ſeine Geſaͤnge wieder
klingen, das fruͤhe Roth arbeitete ſich durch den
dichten Wald, ſchlich gebuͤckt und wunderſam
durch die niedrigen Geſtraͤuche, und weckte Gras
und Blumen auf; der Wald brannte in dunkelro-
then Flammen und der Nebel wand ſich in golde-
nen Saͤulen um die Baumſtaͤmme. Magelone hatte
in der Nacht beſchloſſen, nicht zu ihrem Vater zu-
ruͤckzukehren, denn ſie fuͤrchtete ſeinen Zorn, ſie
wollte irgend eine ſtille Wohnung aufſuchen, von
den Menſchen abgeſondert, dort immer an ihren
Geliebten denken und ſo in Froͤmmigkeit und Treue
hinſterben. Sie ſtieg daher vom Baum herunter
und ging wieder zu den treuen Pferden, die noch
angebunden ſtanden, und den Kopf betruͤbt zur Erde
ſenkten. Sie loͤſte ihre Zuͤgel, ſo daß ſie gehn
konnten, wohin ſie wollten, indem ſie ſagte: ſo
wandert nun auch hin durch die weite traurige
Welt, und ſuchet euren Herren wieder, ſo wie ich
ihn ſuchen will. Die Roſſe gingen betruͤbt fort,
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Magelone wanderte durch die dichten Waͤlder,
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/383>, abgerufen am 25.11.2024.
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