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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die schöne Magelone.
am Lande hin und her, um etwas zu finden, wo-
rauf er die wenigen Schritte in das Wasser hinein
fahren könne. Er fand auch endlich einen kleinen,
alten, verwitterten Kahn, den die Fischer hier hat-
ten stehen lassen, weil er ihnen nichts mehr nützte.
Peter stieg rasch hinein, nahm einen Zweig, und
ruderte damit, so gut er nur konnte, nach dem
Zindel hin.

Aber plötzlich erhob sich vom Lande her ein
starker Wind, die Wellen jagten sich über einander
und ergriffen den kleinen Kahn, in welchem Peter
stand. Peter sezte sich mit allen Kräften dagegen,
aber das Schiff ward dennoch der Klippe vorüber,
ins Meer hinein getrieben, und weiter und immer
weiter. Peter sah zurück, und kaum bemerkte er
noch den rothen Flecken, den der Zindel im Meere
machte, und jetzt verschwand er völlig, auch das
Land lag schon ziemlich entfernt. Nun gedachte
Peter an seine Magelone zurück, die er im wüsten
Holze schlafend verlassen hatte; das Schiff trug
ihn wider Willen immer weiter in die See hinein,
und er kam in Angst und Verzweiflung. Er war
im Begriff, sich in das Meer zu stürzen, er schrie
und klagte, und alle seine Töne gab ein Echo zu-
rück, und die Wellen plätscherten laut dazwischen.

Das Land lag nun schon weit zurück in einer
unkenntlichen Ferne, die Dämmerung des Abends
brach herein. Ach theuerste Magelone! rief Peter
in der höchsten Betrübniß seiner Seelen heftig aus:
wie wunderlich werden wir von einander geschieden!
Eine schwarze Hand treibt mich von deiner Seite

Die ſchoͤne Magelone.
am Lande hin und her, um etwas zu finden, wo-
rauf er die wenigen Schritte in das Waſſer hinein
fahren koͤnne. Er fand auch endlich einen kleinen,
alten, verwitterten Kahn, den die Fiſcher hier hat-
ten ſtehen laſſen, weil er ihnen nichts mehr nuͤtzte.
Peter ſtieg raſch hinein, nahm einen Zweig, und
ruderte damit, ſo gut er nur konnte, nach dem
Zindel hin.

Aber ploͤtzlich erhob ſich vom Lande her ein
ſtarker Wind, die Wellen jagten ſich uͤber einander
und ergriffen den kleinen Kahn, in welchem Peter
ſtand. Peter ſezte ſich mit allen Kraͤften dagegen,
aber das Schiff ward dennoch der Klippe voruͤber,
ins Meer hinein getrieben, und weiter und immer
weiter. Peter ſah zuruͤck, und kaum bemerkte er
noch den rothen Flecken, den der Zindel im Meere
machte, und jetzt verſchwand er voͤllig, auch das
Land lag ſchon ziemlich entfernt. Nun gedachte
Peter an ſeine Magelone zuruͤck, die er im wuͤſten
Holze ſchlafend verlaſſen hatte; das Schiff trug
ihn wider Willen immer weiter in die See hinein,
und er kam in Angſt und Verzweiflung. Er war
im Begriff, ſich in das Meer zu ſtuͤrzen, er ſchrie
und klagte, und alle ſeine Toͤne gab ein Echo zu-
ruͤck, und die Wellen plaͤtſcherten laut dazwiſchen.

Das Land lag nun ſchon weit zuruͤck in einer
unkenntlichen Ferne, die Daͤmmerung des Abends
brach herein. Ach theuerſte Magelone! rief Peter
in der hoͤchſten Betruͤbniß ſeiner Seelen heftig aus:
wie wunderlich werden wir von einander geſchieden!
Eine ſchwarze Hand treibt mich von deiner Seite

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[367/0378] Die ſchoͤne Magelone. am Lande hin und her, um etwas zu finden, wo- rauf er die wenigen Schritte in das Waſſer hinein fahren koͤnne. Er fand auch endlich einen kleinen, alten, verwitterten Kahn, den die Fiſcher hier hat- ten ſtehen laſſen, weil er ihnen nichts mehr nuͤtzte. Peter ſtieg raſch hinein, nahm einen Zweig, und ruderte damit, ſo gut er nur konnte, nach dem Zindel hin. Aber ploͤtzlich erhob ſich vom Lande her ein ſtarker Wind, die Wellen jagten ſich uͤber einander und ergriffen den kleinen Kahn, in welchem Peter ſtand. Peter ſezte ſich mit allen Kraͤften dagegen, aber das Schiff ward dennoch der Klippe voruͤber, ins Meer hinein getrieben, und weiter und immer weiter. Peter ſah zuruͤck, und kaum bemerkte er noch den rothen Flecken, den der Zindel im Meere machte, und jetzt verſchwand er voͤllig, auch das Land lag ſchon ziemlich entfernt. Nun gedachte Peter an ſeine Magelone zuruͤck, die er im wuͤſten Holze ſchlafend verlaſſen hatte; das Schiff trug ihn wider Willen immer weiter in die See hinein, und er kam in Angſt und Verzweiflung. Er war im Begriff, ſich in das Meer zu ſtuͤrzen, er ſchrie und klagte, und alle ſeine Toͤne gab ein Echo zu- ruͤck, und die Wellen plaͤtſcherten laut dazwiſchen. Das Land lag nun ſchon weit zuruͤck in einer unkenntlichen Ferne, die Daͤmmerung des Abends brach herein. Ach theuerſte Magelone! rief Peter in der hoͤchſten Betruͤbniß ſeiner Seelen heftig aus: wie wunderlich werden wir von einander geſchieden! Eine ſchwarze Hand treibt mich von deiner Seite

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/378>, abgerufen am 22.11.2024.