traute ihm nun gänzlich und sagte: ich sehe, daß ihr nicht nur der tapferste, sondern auch der edelste Ritter seid auf Gottes weiter Erde; Ihr sollt euch daher auch alles Beistandes von mir gewär- tiget seyn. Ihr seid glücklich in Magelonen und sie ist glücklich in euch; macht euch daher morgen Nachmittag fertig, durch die heimliche Pforte des Gartens zu gehn, und sie dann auf meiner Kam- mer zu sprechen. Ich will euch allein lassen, da- mit ihr ganz unverholen eure Herzensmeinungen ausreden könnt.
Sie nannte ihm die Stunde, und verließ ihn. Der Ritter stand noch lange und sah ihr im trun- kenen Staunen nach, denn er vertraute dem nicht, was er gehört hatte. Das Glück, das er so sehn- lichst erharrt, rückte ihm nun so unerwartet näher, daß er es im frohen Entsetzen nicht zu genießen wagte. Der Mensch erschrickt über den Zufall, selbst wenn er ihn glücklich macht; wenn unser Schicksal sich plötzlich zur Wonne umändert, so zweifeln wir in diesem Augenblicke gar zu leicht an der Wirklichkeit des Lebens. Dies dachte auch Peter bei sich, als er alle seine Sinne in trüber Verwirrung bemerkte. Wie bin ich so vom Glücke überschüttet, rief er aus, daß ich gar nicht zu mir selber kommen kann! Wie wohl würde mir jetzt ein Besinnen auf meinen Zustand thun, aber es ist unmöglich! Wenn wir unsre kühnen Hofnun- gen in der Ferne sehn, so freuen wir uns an ih- rem edlen Gange, an ihren goldnen Schwingen, aber jezt flattern sie mir plötzlich so nahe ums
Erſte Abtheilung.
traute ihm nun gaͤnzlich und ſagte: ich ſehe, daß ihr nicht nur der tapferſte, ſondern auch der edelſte Ritter ſeid auf Gottes weiter Erde; Ihr ſollt euch daher auch alles Beiſtandes von mir gewaͤr- tiget ſeyn. Ihr ſeid gluͤcklich in Magelonen und ſie iſt gluͤcklich in euch; macht euch daher morgen Nachmittag fertig, durch die heimliche Pforte des Gartens zu gehn, und ſie dann auf meiner Kam- mer zu ſprechen. Ich will euch allein laſſen, da- mit ihr ganz unverholen eure Herzensmeinungen ausreden koͤnnt.
Sie nannte ihm die Stunde, und verließ ihn. Der Ritter ſtand noch lange und ſah ihr im trun- kenen Staunen nach, denn er vertraute dem nicht, was er gehoͤrt hatte. Das Gluͤck, das er ſo ſehn- lichſt erharrt, ruͤckte ihm nun ſo unerwartet naͤher, daß er es im frohen Entſetzen nicht zu genießen wagte. Der Menſch erſchrickt uͤber den Zufall, ſelbſt wenn er ihn gluͤcklich macht; wenn unſer Schickſal ſich ploͤtzlich zur Wonne umaͤndert, ſo zweifeln wir in dieſem Augenblicke gar zu leicht an der Wirklichkeit des Lebens. Dies dachte auch Peter bei ſich, als er alle ſeine Sinne in truͤber Verwirrung bemerkte. Wie bin ich ſo vom Gluͤcke uͤberſchuͤttet, rief er aus, daß ich gar nicht zu mir ſelber kommen kann! Wie wohl wuͤrde mir jetzt ein Beſinnen auf meinen Zuſtand thun, aber es iſt unmoͤglich! Wenn wir unſre kuͤhnen Hofnun- gen in der Ferne ſehn, ſo freuen wir uns an ih- rem edlen Gange, an ihren goldnen Schwingen, aber jezt flattern ſie mir ploͤtzlich ſo nahe ums
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0361"n="350"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
traute ihm nun gaͤnzlich und ſagte: ich ſehe, daß<lb/>
ihr nicht nur der tapferſte, ſondern auch der edelſte<lb/>
Ritter ſeid auf Gottes weiter Erde; Ihr ſollt<lb/>
euch daher auch alles Beiſtandes von mir gewaͤr-<lb/>
tiget ſeyn. Ihr ſeid gluͤcklich in Magelonen und<lb/>ſie iſt gluͤcklich in euch; macht euch daher morgen<lb/>
Nachmittag fertig, durch die heimliche Pforte des<lb/>
Gartens zu gehn, und ſie dann auf meiner Kam-<lb/>
mer zu ſprechen. Ich will euch allein laſſen, da-<lb/>
mit ihr ganz unverholen eure Herzensmeinungen<lb/>
ausreden koͤnnt.</p><lb/><p>Sie nannte ihm die Stunde, und verließ ihn.<lb/>
Der Ritter ſtand noch lange und ſah ihr im trun-<lb/>
kenen Staunen nach, denn er vertraute dem nicht,<lb/>
was er gehoͤrt hatte. Das Gluͤck, das er ſo ſehn-<lb/>
lichſt erharrt, ruͤckte ihm nun ſo unerwartet naͤher,<lb/>
daß er es im frohen Entſetzen nicht zu genießen<lb/>
wagte. Der Menſch erſchrickt uͤber den Zufall,<lb/>ſelbſt wenn er ihn gluͤcklich macht; wenn unſer<lb/>
Schickſal ſich ploͤtzlich zur Wonne umaͤndert, ſo<lb/>
zweifeln wir in dieſem Augenblicke gar zu leicht<lb/>
an der Wirklichkeit des Lebens. Dies dachte auch<lb/>
Peter bei ſich, als er alle ſeine Sinne in truͤber<lb/>
Verwirrung bemerkte. Wie bin ich ſo vom Gluͤcke<lb/>
uͤberſchuͤttet, rief er aus, daß ich gar nicht zu mir<lb/>ſelber kommen kann! Wie wohl wuͤrde mir jetzt<lb/>
ein Beſinnen auf meinen Zuſtand thun, aber es<lb/>
iſt unmoͤglich! Wenn wir unſre kuͤhnen Hofnun-<lb/>
gen in der Ferne ſehn, ſo freuen wir uns an ih-<lb/>
rem edlen Gange, an ihren goldnen Schwingen,<lb/>
aber jezt flattern ſie mir ploͤtzlich ſo nahe ums<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[350/0361]
Erſte Abtheilung.
traute ihm nun gaͤnzlich und ſagte: ich ſehe, daß
ihr nicht nur der tapferſte, ſondern auch der edelſte
Ritter ſeid auf Gottes weiter Erde; Ihr ſollt
euch daher auch alles Beiſtandes von mir gewaͤr-
tiget ſeyn. Ihr ſeid gluͤcklich in Magelonen und
ſie iſt gluͤcklich in euch; macht euch daher morgen
Nachmittag fertig, durch die heimliche Pforte des
Gartens zu gehn, und ſie dann auf meiner Kam-
mer zu ſprechen. Ich will euch allein laſſen, da-
mit ihr ganz unverholen eure Herzensmeinungen
ausreden koͤnnt.
Sie nannte ihm die Stunde, und verließ ihn.
Der Ritter ſtand noch lange und ſah ihr im trun-
kenen Staunen nach, denn er vertraute dem nicht,
was er gehoͤrt hatte. Das Gluͤck, das er ſo ſehn-
lichſt erharrt, ruͤckte ihm nun ſo unerwartet naͤher,
daß er es im frohen Entſetzen nicht zu genießen
wagte. Der Menſch erſchrickt uͤber den Zufall,
ſelbſt wenn er ihn gluͤcklich macht; wenn unſer
Schickſal ſich ploͤtzlich zur Wonne umaͤndert, ſo
zweifeln wir in dieſem Augenblicke gar zu leicht
an der Wirklichkeit des Lebens. Dies dachte auch
Peter bei ſich, als er alle ſeine Sinne in truͤber
Verwirrung bemerkte. Wie bin ich ſo vom Gluͤcke
uͤberſchuͤttet, rief er aus, daß ich gar nicht zu mir
ſelber kommen kann! Wie wohl wuͤrde mir jetzt
ein Beſinnen auf meinen Zuſtand thun, aber es
iſt unmoͤglich! Wenn wir unſre kuͤhnen Hofnun-
gen in der Ferne ſehn, ſo freuen wir uns an ih-
rem edlen Gange, an ihren goldnen Schwingen,
aber jezt flattern ſie mir ploͤtzlich ſo nahe ums
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/361>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.