Italiänische Sitte nicht in seiner Gewalt hat, wie seine stille Bescheidenheit weit mehr wahre Höflich- keit ist, als die studirte und gewandte Galanterie der hiesigen Ritter. Er ist immer in Verlegenheit, daß er Niemand besseres ist, als er, und doch sollte er stolz darauf seyn, daß er niemand anders ist, denn so wie er ist, ist er das Schönste, was die Natur nur je hervor gebracht hat. O such ihn auf, Gertraud, und frage ihn nach seinem Stand und Namen, damit ich weiß, ob ich leben oder sterben muß; wenn ich ihn fragen lasse, wird er kein Geheimniß daraus machen, denn ich möchte vor ihm kein Geheimniß haben.
Als der Morgen kam ging die Amme in die Kirche und betete; sie sah den Ritter, der auch in einem andächtigen Gebete auf den Knien lag. Als er geendet hatte, näherte er sich der Amme und grüßte sie höflich, denn er kannte sie und hatte sie am Hofe gesehn. Die Amme richtete den Auf- trag des Fräuleins aus, daß sie ihn um seinen Stand und Namen ersuche, weil es einem so edlen Manne nicht gezieme, sich verborgen zu halten.
Peter bekam eine große Freude und das Herz schlug ihm, denn er sah aus diesen Worten, daß ihn Magelone liebe; worauf er sagte: man erlaube mir, meinen Namen noch zu verschweigen, aber das könnt Ihr der Prinzessin sagen, daß ich aus einem hohen adelichen Geschlechte bin, und daß der Name meiner Ahnherrn in den Geschichtsbü- chern rühmlich bekannt ist. Nehmt indeß dies zum Angedenken meiner, und laßt es einen kleinen Lohn
Die ſchoͤne Magelone.
Italiaͤniſche Sitte nicht in ſeiner Gewalt hat, wie ſeine ſtille Beſcheidenheit weit mehr wahre Hoͤflich- keit iſt, als die ſtudirte und gewandte Galanterie der hieſigen Ritter. Er iſt immer in Verlegenheit, daß er Niemand beſſeres iſt, als er, und doch ſollte er ſtolz darauf ſeyn, daß er niemand anders iſt, denn ſo wie er iſt, iſt er das Schoͤnſte, was die Natur nur je hervor gebracht hat. O ſuch ihn auf, Gertraud, und frage ihn nach ſeinem Stand und Namen, damit ich weiß, ob ich leben oder ſterben muß; wenn ich ihn fragen laſſe, wird er kein Geheimniß daraus machen, denn ich moͤchte vor ihm kein Geheimniß haben.
Als der Morgen kam ging die Amme in die Kirche und betete; ſie ſah den Ritter, der auch in einem andaͤchtigen Gebete auf den Knien lag. Als er geendet hatte, naͤherte er ſich der Amme und gruͤßte ſie hoͤflich, denn er kannte ſie und hatte ſie am Hofe geſehn. Die Amme richtete den Auf- trag des Fraͤuleins aus, daß ſie ihn um ſeinen Stand und Namen erſuche, weil es einem ſo edlen Manne nicht gezieme, ſich verborgen zu halten.
Peter bekam eine große Freude und das Herz ſchlug ihm, denn er ſah aus dieſen Worten, daß ihn Magelone liebe; worauf er ſagte: man erlaube mir, meinen Namen noch zu verſchweigen, aber das koͤnnt Ihr der Prinzeſſin ſagen, daß ich aus einem hohen adelichen Geſchlechte bin, und daß der Name meiner Ahnherrn in den Geſchichtsbuͤ- chern ruͤhmlich bekannt iſt. Nehmt indeß dies zum Angedenken meiner, und laßt es einen kleinen Lohn
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Die ſchoͤne Magelone.
Italiaͤniſche Sitte nicht in ſeiner Gewalt hat, wie
ſeine ſtille Beſcheidenheit weit mehr wahre Hoͤflich-
keit iſt, als die ſtudirte und gewandte Galanterie
der hieſigen Ritter. Er iſt immer in Verlegenheit,
daß er Niemand beſſeres iſt, als er, und doch ſollte
er ſtolz darauf ſeyn, daß er niemand anders iſt,
denn ſo wie er iſt, iſt er das Schoͤnſte, was die
Natur nur je hervor gebracht hat. O ſuch ihn
auf, Gertraud, und frage ihn nach ſeinem Stand
und Namen, damit ich weiß, ob ich leben oder
ſterben muß; wenn ich ihn fragen laſſe, wird er
kein Geheimniß daraus machen, denn ich moͤchte
vor ihm kein Geheimniß haben.
Als der Morgen kam ging die Amme in die
Kirche und betete; ſie ſah den Ritter, der auch
in einem andaͤchtigen Gebete auf den Knien lag.
Als er geendet hatte, naͤherte er ſich der Amme
und gruͤßte ſie hoͤflich, denn er kannte ſie und hatte
ſie am Hofe geſehn. Die Amme richtete den Auf-
trag des Fraͤuleins aus, daß ſie ihn um ſeinen
Stand und Namen erſuche, weil es einem ſo edlen
Manne nicht gezieme, ſich verborgen zu halten.
Peter bekam eine große Freude und das Herz
ſchlug ihm, denn er ſah aus dieſen Worten, daß
ihn Magelone liebe; worauf er ſagte: man erlaube
mir, meinen Namen noch zu verſchweigen, aber
das koͤnnt Ihr der Prinzeſſin ſagen, daß ich aus
einem hohen adelichen Geſchlechte bin, und daß
der Name meiner Ahnherrn in den Geſchichtsbuͤ-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/354>, abgerufen am 17.05.2024.
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