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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die schöne Magelone.

Lieben und Kosen,
Lorbeer und Rosen
Führen ihn höher und höher hinan.

Rund um ihn Freuden,
Feinde beneiden,
Erliegend, den Held, --
Dann wählt er bescheiden
Das Fräulein das ihm nur vor allen gefällt.
Und Berge und Felder
Und einsame Wälder
Mißt er zurück.
Die Eltern in Thränen,
Ach alle ihr Sehnen, --
Sie alle vereinigt das lieblichste Glück.
Sind Jahre verschwunden,
Erzählt er dem Sohn
In traulichen Stunden,
Und zeigt seine Wunden,
Der Tapferkeit Lohn.
So bleibt das Alter selbst noch jung,
Ein Lichtstrahl in der Dämmerung.

Der Jüngling hörte still dem Gesange zu;
als er geendigt war, blieb er eine Weile in sich
gekehrt, dann sagte er: ja, nunmehr weiß ich,
was mir fehlt, ich kenne nun alle meine Wünsche,
in der Ferne wohnt mein Sinn, und mancherlei
wechselnde buntfarbige Bilder ziehn durch mein
Gemüth. Keine größere Wollust für den jungen
Rittersmann, als durch Thal und über Feld dahin
ziehn: hier liegt eine hoch erhabene Burg im Glanz
der Morgensonne, dort tönt über die Wiese durch

Die ſchoͤne Magelone.

Lieben und Koſen,
Lorbeer und Roſen
Fuͤhren ihn hoͤher und hoͤher hinan.

Rund um ihn Freuden,
Feinde beneiden,
Erliegend, den Held, —
Dann waͤhlt er beſcheiden
Das Fraͤulein das ihm nur vor allen gefaͤllt.
Und Berge und Felder
Und einſame Waͤlder
Mißt er zuruͤck.
Die Eltern in Thraͤnen,
Ach alle ihr Sehnen, —
Sie alle vereinigt das lieblichſte Gluͤck.
Sind Jahre verſchwunden,
Erzaͤhlt er dem Sohn
In traulichen Stunden,
Und zeigt ſeine Wunden,
Der Tapferkeit Lohn.
So bleibt das Alter ſelbſt noch jung,
Ein Lichtſtrahl in der Daͤmmerung.

Der Juͤngling hoͤrte ſtill dem Geſange zu;
als er geendigt war, blieb er eine Weile in ſich
gekehrt, dann ſagte er: ja, nunmehr weiß ich,
was mir fehlt, ich kenne nun alle meine Wuͤnſche,
in der Ferne wohnt mein Sinn, und mancherlei
wechſelnde buntfarbige Bilder ziehn durch mein
Gemuͤth. Keine groͤßere Wolluſt fuͤr den jungen
Rittersmann, als durch Thal und uͤber Feld dahin
ziehn: hier liegt eine hoch erhabene Burg im Glanz
der Morgenſonne, dort toͤnt uͤber die Wieſe durch

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[329/0340] Die ſchoͤne Magelone. Lieben und Koſen, Lorbeer und Roſen Fuͤhren ihn hoͤher und hoͤher hinan. Rund um ihn Freuden, Feinde beneiden, Erliegend, den Held, — Dann waͤhlt er beſcheiden Das Fraͤulein das ihm nur vor allen gefaͤllt. Und Berge und Felder Und einſame Waͤlder Mißt er zuruͤck. Die Eltern in Thraͤnen, Ach alle ihr Sehnen, — Sie alle vereinigt das lieblichſte Gluͤck. Sind Jahre verſchwunden, Erzaͤhlt er dem Sohn In traulichen Stunden, Und zeigt ſeine Wunden, Der Tapferkeit Lohn. So bleibt das Alter ſelbſt noch jung, Ein Lichtſtrahl in der Daͤmmerung. Der Juͤngling hoͤrte ſtill dem Geſange zu; als er geendigt war, blieb er eine Weile in ſich gekehrt, dann ſagte er: ja, nunmehr weiß ich, was mir fehlt, ich kenne nun alle meine Wuͤnſche, in der Ferne wohnt mein Sinn, und mancherlei wechſelnde buntfarbige Bilder ziehn durch mein Gemuͤth. Keine groͤßere Wolluſt fuͤr den jungen Rittersmann, als durch Thal und uͤber Feld dahin ziehn: hier liegt eine hoch erhabene Burg im Glanz der Morgenſonne, dort toͤnt uͤber die Wieſe durch

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/340>, abgerufen am 22.05.2024.