duftende grüne und bunte Kränze schlangen sich um die Säulen, und reizend war der Anblick, als die Braut sich jetzt mit holdseliger Bewegung zwi- schen dem Schimmer der Blumen, neben den Ti- schen und Säulen wandelnd bewegte, das Ganze prüfend überschaute, und dann verschwand, und höher hinauf noch einmal wieder erschien, um ihr Zimmer zu öffnen. Sie ist das reizendste und schönste Mädchen, das ich je gekannt habe! rief Anderson aus: unser Freund ist glücklich!
Selbst ihre Blässe, nahm der Offizier das Wort, erhöht ihre Schönheit; die braunen Augen blitzen über den bleichen Wangen und unter den dunkeln Haaren so mächtiger hervor, und diese wunderbare, fast brennende Röthe der Lippen macht ihr Angesicht zu einem wahrhaft zauberischen Bilde.
Der Schein stiller Melankolie, sagte Ander- son, welcher sie umgiebt, umfließt sie wie mit ho- her Majestät.
Der Bräutigam trat zu ihnen, und fragte nach Roderich; sie hatten ihn alle schon längst vermißt und konnten nicht begreifen, wo er sich aufhalten möchte. Alle gingen, um ihn zu suchen. Er ist unten im Saal, sagte endlich ein junger Mensch, den sie ebenfalls fragten, zwischen allen Bedienten und Kutschern, denen er Kartenkünste macht, die sie nicht genug bewundern können. Sie traten hinein und unterbrachen die schallende Verwunde- rung der Dienerschaft, indeß sich Roderich nicht stören ließ, sondern frei in seinen magischen Kunst- stücken fortfuhr. Als er geendigt hatte ging er
Liebeszauber.
duftende gruͤne und bunte Kraͤnze ſchlangen ſich um die Saͤulen, und reizend war der Anblick, als die Braut ſich jetzt mit holdſeliger Bewegung zwi- ſchen dem Schimmer der Blumen, neben den Ti- ſchen und Saͤulen wandelnd bewegte, das Ganze pruͤfend uͤberſchaute, und dann verſchwand, und hoͤher hinauf noch einmal wieder erſchien, um ihr Zimmer zu oͤffnen. Sie iſt das reizendſte und ſchoͤnſte Maͤdchen, das ich je gekannt habe! rief Anderſon aus: unſer Freund iſt gluͤcklich!
Selbſt ihre Blaͤſſe, nahm der Offizier das Wort, erhoͤht ihre Schoͤnheit; die braunen Augen blitzen uͤber den bleichen Wangen und unter den dunkeln Haaren ſo maͤchtiger hervor, und dieſe wunderbare, faſt brennende Roͤthe der Lippen macht ihr Angeſicht zu einem wahrhaft zauberiſchen Bilde.
Der Schein ſtiller Melankolie, ſagte Ander- ſon, welcher ſie umgiebt, umfließt ſie wie mit ho- her Majeſtaͤt.
Der Braͤutigam trat zu ihnen, und fragte nach Roderich; ſie hatten ihn alle ſchon laͤngſt vermißt und konnten nicht begreifen, wo er ſich aufhalten moͤchte. Alle gingen, um ihn zu ſuchen. Er iſt unten im Saal, ſagte endlich ein junger Menſch, den ſie ebenfalls fragten, zwiſchen allen Bedienten und Kutſchern, denen er Kartenkuͤnſte macht, die ſie nicht genug bewundern koͤnnen. Sie traten hinein und unterbrachen die ſchallende Verwunde- rung der Dienerſchaft, indeß ſich Roderich nicht ſtoͤren ließ, ſondern frei in ſeinen magiſchen Kunſt- ſtuͤcken fortfuhr. Als er geendigt hatte ging er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0312"n="301"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Liebeszauber</hi>.</fw><lb/>
duftende gruͤne und bunte Kraͤnze ſchlangen ſich<lb/>
um die Saͤulen, und reizend war der Anblick, als<lb/>
die Braut ſich jetzt mit holdſeliger Bewegung zwi-<lb/>ſchen dem Schimmer der Blumen, neben den Ti-<lb/>ſchen und Saͤulen wandelnd bewegte, das Ganze<lb/>
pruͤfend uͤberſchaute, und dann verſchwand, und<lb/>
hoͤher hinauf noch einmal wieder erſchien, um ihr<lb/>
Zimmer zu oͤffnen. Sie iſt das reizendſte und<lb/>ſchoͤnſte Maͤdchen, das ich je gekannt habe! rief<lb/>
Anderſon aus: unſer Freund iſt gluͤcklich!</p><lb/><p>Selbſt ihre Blaͤſſe, nahm der Offizier das<lb/>
Wort, erhoͤht ihre Schoͤnheit; die braunen Augen<lb/>
blitzen uͤber den bleichen Wangen und unter den<lb/>
dunkeln Haaren ſo maͤchtiger hervor, und dieſe<lb/>
wunderbare, faſt brennende Roͤthe der Lippen macht<lb/>
ihr Angeſicht zu einem wahrhaft zauberiſchen Bilde.</p><lb/><p>Der Schein ſtiller Melankolie, ſagte Ander-<lb/>ſon, welcher ſie umgiebt, umfließt ſie wie mit ho-<lb/>
her Majeſtaͤt.</p><lb/><p>Der Braͤutigam trat zu ihnen, und fragte nach<lb/>
Roderich; ſie hatten ihn alle ſchon laͤngſt vermißt<lb/>
und konnten nicht begreifen, wo er ſich aufhalten<lb/>
moͤchte. Alle gingen, um ihn zu ſuchen. Er iſt<lb/>
unten im Saal, ſagte endlich ein junger Menſch,<lb/>
den ſie ebenfalls fragten, zwiſchen allen Bedienten<lb/>
und Kutſchern, denen er Kartenkuͤnſte macht, die<lb/>ſie nicht genug bewundern koͤnnen. Sie traten<lb/>
hinein und unterbrachen die ſchallende Verwunde-<lb/>
rung der Dienerſchaft, indeß ſich Roderich nicht<lb/>ſtoͤren ließ, ſondern frei in ſeinen magiſchen Kunſt-<lb/>ſtuͤcken fortfuhr. Als er geendigt hatte ging er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[301/0312]
Liebeszauber.
duftende gruͤne und bunte Kraͤnze ſchlangen ſich
um die Saͤulen, und reizend war der Anblick, als
die Braut ſich jetzt mit holdſeliger Bewegung zwi-
ſchen dem Schimmer der Blumen, neben den Ti-
ſchen und Saͤulen wandelnd bewegte, das Ganze
pruͤfend uͤberſchaute, und dann verſchwand, und
hoͤher hinauf noch einmal wieder erſchien, um ihr
Zimmer zu oͤffnen. Sie iſt das reizendſte und
ſchoͤnſte Maͤdchen, das ich je gekannt habe! rief
Anderſon aus: unſer Freund iſt gluͤcklich!
Selbſt ihre Blaͤſſe, nahm der Offizier das
Wort, erhoͤht ihre Schoͤnheit; die braunen Augen
blitzen uͤber den bleichen Wangen und unter den
dunkeln Haaren ſo maͤchtiger hervor, und dieſe
wunderbare, faſt brennende Roͤthe der Lippen macht
ihr Angeſicht zu einem wahrhaft zauberiſchen Bilde.
Der Schein ſtiller Melankolie, ſagte Ander-
ſon, welcher ſie umgiebt, umfließt ſie wie mit ho-
her Majeſtaͤt.
Der Braͤutigam trat zu ihnen, und fragte nach
Roderich; ſie hatten ihn alle ſchon laͤngſt vermißt
und konnten nicht begreifen, wo er ſich aufhalten
moͤchte. Alle gingen, um ihn zu ſuchen. Er iſt
unten im Saal, ſagte endlich ein junger Menſch,
den ſie ebenfalls fragten, zwiſchen allen Bedienten
und Kutſchern, denen er Kartenkuͤnſte macht, die
ſie nicht genug bewundern koͤnnen. Sie traten
hinein und unterbrachen die ſchallende Verwunde-
rung der Dienerſchaft, indeß ſich Roderich nicht
ſtoͤren ließ, ſondern frei in ſeinen magiſchen Kunſt-
ſtuͤcken fortfuhr. Als er geendigt hatte ging er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/312>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.