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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Liebeszauber.
war noch mit ihrem Schmucke beschäftiget, und
der junge Ehemann lustwandelte, seinem Glücke
nachsinnend, einsam in einem entfernten Baum-
gange. Schade, sagte Anderson, daß wir keine
Musik haben sollen; alle unsere Damen sind unzu-
frieden und haben noch nie so sehr zu tanzen ge-
wünscht, als gerade heut, da es nicht geschehn
kann; aber es ist ihm zu sehr zuwider.

Ich kann es euch wohl verrathen, sagte ein
junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben
werden, und zwar einen recht tollen und geräuschi-
gen; alles ist schon eingerichtet und die Musikan-
ten sind schon heimlich angekommen und unsichtbar
einquartirt. Roderich hat alle diese Einrichtungen
getroffen, denn er sagt, man müsse ihm nicht zu
viel nachgeben, und am wenigsten heut seine wun-
derlichen Launen anerkennen.

Er ist auch schon viel menschlicher und umgäng-
licher als ehemals, sagte der Offizier, und darum
glaube ich, wird ihm diese Abänderung nicht ein-
mal unangenehm auffallen. Ist doch diese ganze
Heirath so plötzlich gegen unser aller Erwarten
eingetreten.

Sein ganzes Leben, fuhr Anderson fort, ist so
sonderbar, wie sein Charakter. Ihr wißt ja alle,
wie er im vorigen Herbst auf einer Reise, die er
machen wollte, in unsrer Stadt ankam, sich den
Winter hier aufhielt, wie ein Melankolischer fast
nur in seinem Zimmer lebte, und sich weder um
unser Theater noch andre Vergnügungen kümmerte.
Er war beinah mit Roderich, seinem vertrautesten

Liebeszauber.
war noch mit ihrem Schmucke beſchaͤftiget, und
der junge Ehemann luſtwandelte, ſeinem Gluͤcke
nachſinnend, einſam in einem entfernten Baum-
gange. Schade, ſagte Anderſon, daß wir keine
Muſik haben ſollen; alle unſere Damen ſind unzu-
frieden und haben noch nie ſo ſehr zu tanzen ge-
wuͤnſcht, als gerade heut, da es nicht geſchehn
kann; aber es iſt ihm zu ſehr zuwider.

Ich kann es euch wohl verrathen, ſagte ein
junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben
werden, und zwar einen recht tollen und geraͤuſchi-
gen; alles iſt ſchon eingerichtet und die Muſikan-
ten ſind ſchon heimlich angekommen und unſichtbar
einquartirt. Roderich hat alle dieſe Einrichtungen
getroffen, denn er ſagt, man muͤſſe ihm nicht zu
viel nachgeben, und am wenigſten heut ſeine wun-
derlichen Launen anerkennen.

Er iſt auch ſchon viel menſchlicher und umgaͤng-
licher als ehemals, ſagte der Offizier, und darum
glaube ich, wird ihm dieſe Abaͤnderung nicht ein-
mal unangenehm auffallen. Iſt doch dieſe ganze
Heirath ſo ploͤtzlich gegen unſer aller Erwarten
eingetreten.

Sein ganzes Leben, fuhr Anderſon fort, iſt ſo
ſonderbar, wie ſein Charakter. Ihr wißt ja alle,
wie er im vorigen Herbſt auf einer Reiſe, die er
machen wollte, in unſrer Stadt ankam, ſich den
Winter hier aufhielt, wie ein Melankoliſcher faſt
nur in ſeinem Zimmer lebte, und ſich weder um
unſer Theater noch andre Vergnuͤgungen kuͤmmerte.
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[297/0308] Liebeszauber. war noch mit ihrem Schmucke beſchaͤftiget, und der junge Ehemann luſtwandelte, ſeinem Gluͤcke nachſinnend, einſam in einem entfernten Baum- gange. Schade, ſagte Anderſon, daß wir keine Muſik haben ſollen; alle unſere Damen ſind unzu- frieden und haben noch nie ſo ſehr zu tanzen ge- wuͤnſcht, als gerade heut, da es nicht geſchehn kann; aber es iſt ihm zu ſehr zuwider. Ich kann es euch wohl verrathen, ſagte ein junger Offizier, daß wir dennoch einen Ball haben werden, und zwar einen recht tollen und geraͤuſchi- gen; alles iſt ſchon eingerichtet und die Muſikan- ten ſind ſchon heimlich angekommen und unſichtbar einquartirt. Roderich hat alle dieſe Einrichtungen getroffen, denn er ſagt, man muͤſſe ihm nicht zu viel nachgeben, und am wenigſten heut ſeine wun- derlichen Launen anerkennen. Er iſt auch ſchon viel menſchlicher und umgaͤng- licher als ehemals, ſagte der Offizier, und darum glaube ich, wird ihm dieſe Abaͤnderung nicht ein- mal unangenehm auffallen. Iſt doch dieſe ganze Heirath ſo ploͤtzlich gegen unſer aller Erwarten eingetreten. Sein ganzes Leben, fuhr Anderſon fort, iſt ſo ſonderbar, wie ſein Charakter. Ihr wißt ja alle, wie er im vorigen Herbſt auf einer Reiſe, die er machen wollte, in unſrer Stadt ankam, ſich den Winter hier aufhielt, wie ein Melankoliſcher faſt nur in ſeinem Zimmer lebte, und ſich weder um unſer Theater noch andre Vergnuͤgungen kuͤmmerte. Er war beinah mit Roderich, ſeinem vertrauteſten

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/308>, abgerufen am 22.11.2024.