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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Liebeszauber.
eine geschmacklose Maske zu sehn, die sich hieher
verirrt habe, aber bald war er beim hellen Scheine
überzeugt, daß das alte braune und runzlichte Ge-
sicht ein wirkliches und kein nachgeahmtes sey. Es
währte nicht lange, so erschienen zwei Männer, in
Mänteln gehüllt, die sich dem Orte mit behutsa-
men Schritten zu nähern schienen, indem sie öfter
von den Seiten schauten, ob ihnen Niemand folge.
Die Alte ging auf sie zu. Habt ihr die Lichter?
fragte sie hastig und mit einer rauhen Stimme.
Hier sind sie, sagte der Eine, der Preis ist euch
bekannt, macht die Sache gleich richtig. Die Alte
schien Geld zu geben, welches der Mann unter
seinem Mantel nachzählte. Ich verlasse mich da-
rauf, fing die Alte wieder an, daß sie ganz nach
der Vorschrift und Kunst gegossen sind, damit die
Wirkung nicht ausbleibt. Seid ohne Sorgen, sagte
jener, und entfernte sich schnell. Der andre, wel-
cher zurück geblieben, war ein junger Mann, er
nahm die Alte bei der Hand, und sagte: ist es
möglich, Alexia, daß dergleichen Ceremonien und
Formeln, diese seltsamen alten Sagen, an welche
ich nie habe glauben können, den freien Willen des
Menschen fesseln, und Liebe und Haß erregen könn-
ten? So ist es, sprach das rothe Weib, aber
eins muß zum andern kommen, nicht bloß diese
Lichter, in der Mitternacht des Neumonden gegos-
sen, mit Menschenblut getränkt, nicht die Zauber-
formeln und Anrufungen allein können es ausrich-
ten, sondern noch manches andre gehört dazu, das
der Kunstverständige wohl kennt. So verlaß ich

Liebeszauber.
eine geſchmackloſe Maske zu ſehn, die ſich hieher
verirrt habe, aber bald war er beim hellen Scheine
uͤberzeugt, daß das alte braune und runzlichte Ge-
ſicht ein wirkliches und kein nachgeahmtes ſey. Es
waͤhrte nicht lange, ſo erſchienen zwei Maͤnner, in
Maͤnteln gehuͤllt, die ſich dem Orte mit behutſa-
men Schritten zu naͤhern ſchienen, indem ſie oͤfter
von den Seiten ſchauten, ob ihnen Niemand folge.
Die Alte ging auf ſie zu. Habt ihr die Lichter?
fragte ſie haſtig und mit einer rauhen Stimme.
Hier ſind ſie, ſagte der Eine, der Preis iſt euch
bekannt, macht die Sache gleich richtig. Die Alte
ſchien Geld zu geben, welches der Mann unter
ſeinem Mantel nachzaͤhlte. Ich verlaſſe mich da-
rauf, fing die Alte wieder an, daß ſie ganz nach
der Vorſchrift und Kunſt gegoſſen ſind, damit die
Wirkung nicht ausbleibt. Seid ohne Sorgen, ſagte
jener, und entfernte ſich ſchnell. Der andre, wel-
cher zuruͤck geblieben, war ein junger Mann, er
nahm die Alte bei der Hand, und ſagte: iſt es
moͤglich, Alexia, daß dergleichen Ceremonien und
Formeln, dieſe ſeltſamen alten Sagen, an welche
ich nie habe glauben koͤnnen, den freien Willen des
Menſchen feſſeln, und Liebe und Haß erregen koͤnn-
ten? So iſt es, ſprach das rothe Weib, aber
eins muß zum andern kommen, nicht bloß dieſe
Lichter, in der Mitternacht des Neumonden gegoſ-
ſen, mit Menſchenblut getraͤnkt, nicht die Zauber-
formeln und Anrufungen allein koͤnnen es ausrich-
ten, ſondern noch manches andre gehoͤrt dazu, das
der Kunſtverſtaͤndige wohl kennt. So verlaß ich

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[285/0296] Liebeszauber. eine geſchmackloſe Maske zu ſehn, die ſich hieher verirrt habe, aber bald war er beim hellen Scheine uͤberzeugt, daß das alte braune und runzlichte Ge- ſicht ein wirkliches und kein nachgeahmtes ſey. Es waͤhrte nicht lange, ſo erſchienen zwei Maͤnner, in Maͤnteln gehuͤllt, die ſich dem Orte mit behutſa- men Schritten zu naͤhern ſchienen, indem ſie oͤfter von den Seiten ſchauten, ob ihnen Niemand folge. Die Alte ging auf ſie zu. Habt ihr die Lichter? fragte ſie haſtig und mit einer rauhen Stimme. Hier ſind ſie, ſagte der Eine, der Preis iſt euch bekannt, macht die Sache gleich richtig. Die Alte ſchien Geld zu geben, welches der Mann unter ſeinem Mantel nachzaͤhlte. Ich verlaſſe mich da- rauf, fing die Alte wieder an, daß ſie ganz nach der Vorſchrift und Kunſt gegoſſen ſind, damit die Wirkung nicht ausbleibt. Seid ohne Sorgen, ſagte jener, und entfernte ſich ſchnell. Der andre, wel- cher zuruͤck geblieben, war ein junger Mann, er nahm die Alte bei der Hand, und ſagte: iſt es moͤglich, Alexia, daß dergleichen Ceremonien und Formeln, dieſe ſeltſamen alten Sagen, an welche ich nie habe glauben koͤnnen, den freien Willen des Menſchen feſſeln, und Liebe und Haß erregen koͤnn- ten? So iſt es, ſprach das rothe Weib, aber eins muß zum andern kommen, nicht bloß dieſe Lichter, in der Mitternacht des Neumonden gegoſ- ſen, mit Menſchenblut getraͤnkt, nicht die Zauber- formeln und Anrufungen allein koͤnnen es ausrich- ten, ſondern noch manches andre gehoͤrt dazu, das der Kunſtverſtaͤndige wohl kennt. So verlaß ich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/296>, abgerufen am 25.11.2024.